über die kunst
Halbe fünf
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Ganz vergessen – dann steht der Termin plötzlich vor der Tür. Ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich da wieder geritten hat. Aber hey, es könnte ein Spaß werden!
Kommenden Freitag im Saarländischen Künstlerhaus:
Halbe Fünf – Word Picture-Show
Freitag 03.11. 16:30 bis 18:00 Uhr
Eine Art Werkstattgespräch zwischen dem Maler Armin Rohr und dem Schriftsteller Bernd Nixdorf
Mit einem Blick zurück nach vorn stellt Armin Rohr sein barockes „Batoni“-Projekt vor. Davon ausgehend könnte über Detailversessenheit, Überfülle und Minimalismus geredet werden. Über die Frage: „Wieviel Detail ist notwendig, um vollständig zu sein?“ Die unterschiedlichen Zugangswege zu Werken der Bildenden Kunst und der Literatur. Und was Kate Bush damit zu tun hat.
Die Reihe „Halbe Fünf“ wurde im Rahmen der Mitgliederausstellung „Jamboree“ eingeführt. Der große Erfolg fordert eine Fortsetzung. In loser Folge werden Mitglieder des Saarländischen Künstlerhauses freitags von 16.30 bis 18.00 Uhr Projekte, Ideen, Konkretes und Abstraktes vorstellen. Meistens zu zweit – im Austausch über Gattungsgrenzen hinweg.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Himmel un Äd
Ohne Titel, 2023
Öl auf Papier, 29,7 x 42 cm
Manche künstlerischen Konzepte des ein oder anderen Kollegen lesen sich mitunter sehr interessant. Oft entstehen Bilder in meinem Kopf, die weitaus abenteuerlicher & spannender sind als deren Umsetzung.
Das wäre auch mal ein Konzept: Die Umsetzung oder Übersetzung von fremden künstlerischen Konzepten in meine eigenen Bilder.
[Schreibtischtäterkunst].
Weihnachtsbrunnen
Normalerweise ist das ein Brunnen. Aber zu Beginn der Kältezeit wird das Becken leergepumpt & mit Holzplatten abgedeckt; es fließt kein Wasser mehr bis zum Frühjahr. Nachvollziehbar & verständlich.
Der Freiburger Künstler Robert Schad entwarf dieses „Brunnenobjekt“ für die damals neu gestaltete Bahnhofstraße, welches am 23. Juli 1999 eingeweiht wurde. Mir persönlich hat das „Brunnenobjekt“ nie gefallen. Die orthogonale Ausrichtung des Beckens ist konventionell & langweilig. Die Stahlobjekte können sich weder gegen die umliegende Architektur noch gegen die Platanen im Umfeld behaupten. Das Ensemble wirkt anämisch. Einzig wenn das Wasser in unregelmäßigen Abständen „tost & braust“, kommt ein wenig Leben in die Bude.
“Nach den Vorstellungen des Freiburger Künstlers Robert Schad soll mit dem Brunnen ein Ort des Erlebens geschaffen werden, der in dieser Art noch nie und nirgends zu sehen war. So sah es auch das Preisgericht des Kunstwettbewerbes „Brunnen Bahnhofstraße“ …“
„ … ein Ort des Erlebens, der in dieser Art noch nie und nirgends zu sehen war …“
Nunja, viel Verheißung, wenig dahinter. Ein aus meiner Sicht etwas schlaffes Objekt in einer stinklangweiligen, austauschbaren Einkaufsmeile, die so leider überall in dieser Art zu sehen ist; eingezwängt zwischen DM, TKmaxx, H&M & Fischbrötchen.
Auf der Seite des Institutes für aktuelle Kunst ist zu lesen:
„Das niedere, viereckige Brunnenbecken lädt die Kleinen zum gefahrlosen Spiel, während der Wasserfall und die aus der Stahlplastik sprudelnde Gischt den auf Bänken ausruhenden Passanten akustisch und optisch eine Abwechslung zu den Geräuschen der Stadt bieten. Die markante, dabei leicht und filigran wirkende Brunnenplastik, eine räumliche Figuration, ist aus hohlem Vierkantedelstahl geschmiedet.So halten zwei schlanke Bündel aus geknickten Elementen eine schmale Fläche, über die sich eine Wasserwand in das Brunnenbecken ergießt. Eine aufwendige, fein abgestimmte Brunnentechnik steuert die vom Künstler komponierte Choreographie des Wasserspiels. Der Brunnen lebt von den gegensätzlichen Eigenschaften der Materien: Hier der feste, aber leicht wirkende Stahl, dort das in seiner Anmutung mal leicht, mal als Naturgewalt (Wasserfall) inszenierte Wasser.
Furchtbares Geplapper aus der Unterwelt des Marketingsprechs. So weit, nicht so gut.
Man mag zu den Arbeiten von Robert Schad stehen wie man will – aber: kann diese weihnachtliche Geschmacksverirrung im Rahmen des Saarbrücker Christkindl-Marktes wirklich im Sinne des Künstlers gewesen sein?
Boing, boing, bomm!
Banksy hat es wieder allen gezeigt. Eigentlich finde ich den Gag gelungen. Noch gelungener finde ich allerdings die Reaktion der Käuferin & das ist dann vielleicht doch das Gegenteil von dem, was Herr Banksy erreichen wollte:
Ich musste an Ai Weiweis zusamengekrachten Turm während der Documenta 2007 denken:
Documenta-Chef Buergel, barfuß in einer großen Pfütze vor Template , sah den Einsturz als „nur konsequent“. „Die Trümmer lassen jetzt jede Menge Assoziationen zu. Und genau das will Kunst ja: anregen.“ Für Köhler habe keine Gefahr bestanden. „Für den Einsturz war ein solches Unwetter nötig, bei dem selbst der mutigste Bundespräsident das Weite gesucht hätte.“ Für den nächsten Tag hatte sich ein Käufer für Template angekündigt. Ai Weiwei zeigte sich direkt nach dem Einsturz dennoch optimistisch:
„Der Preis hat sich soeben verdoppelt.“
Der Preis hat sich soeben verdoppelt! Ist das nicht irre?
Damals, nach dem Lesen dieses Artikels, begann ich an Herrn Ai WeiWei & seiner „Kunst“ zu zweifeln. Nicht aber an seinen Fähigkeiten, aus Scheiße Geld zu machen!
Mittlerweile finde ich seine Arbeit nur noch doof.
Das gibt es nur in der Kunst. Beziehungsweise auf dem Kunstmarkt. Auf dem Kunstmarkt, der sich von der Kunst entkoppelt hat. Artefakte sind nichts weiter als Devotionalen & Trophäen für eine völlig degenerierte Schicht von superreichen Schwachmaten, die für völlig überteuerte Wracks & Ruinen bereit sind, jeden Preis zu zahlen, um ein eigenes Stück vermeintliche Kunstgeschichte zu besitzen!
Vor einigen Jahren fiel eine von mir bemalte & aufgehängte Aludibondplatte aus großer Höhe herunter & riss noch zwei weitere, kleinere Platten mit. Die Platten waren Teil einer Wandinstallation, die ich im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Projektes für eine Institution realisiert hatte. Gott sei Dank war niemand in der Nähe. Die Platten waren völlig verbogen, an einigen Stellen war die Farbe abgeplatzt – hätte zu diesem Zeitpunkt eine Person unter der großen Platte gestanden – immerhin ca. 125 x 250 cm – sie hätte dieser Person wohl den Schädel gespalten.
Ich malte auf eigene Kosten komplett neue Platten & ließ die Platten fachgerecht & wieder auf eigene Kosten von einer Firma aufhängen.
Alles falsch gemacht. Ich hätte die verbeulten & verbogenen Platten wieder aufhängen & eine weitere Rechnung schreiben müssen:
„Hey! Der Preis hat sich soeben verdoppelt! Sie sind jetzt Besitzer eines eigenen Stückes der Kunstgeschichte!“ So geht das in Zukunft!
Alleh Hopp!
„Dabei sein ist nicht alles, soll das aber bleiben“
Unter der etwas holprigen Überschrift „Dabei sein ist nicht alles, soll das aber bleiben“ werde ich in der aktuellen Samstagsausgabe der Saarbrücker Zeitung wie folgt erwähnt & zitiert:
„Wenn der Saarbrücker Maler Armin Rohr von kommunalen Galerien oder Kunstvereinen im Bundesgebiet eingeladen wird, um dort auszustellen, bietet er meist an, die Laudatio und die musikalische Umrahmung der Vernissage selbst zu übernehmen. Er spiele zwar kein Instrument, aber er könne singen, erklärt Rohr dann den verdutzten Direktoren. Der halb ironische Vorschlag hat einen ernsten Grund: Für Eröffnungsredner und Musiker haben Kunstvereine und andere öffentliche Institutionen in der Regel ein Honorar vorgesehen, nicht aber für den ausstellenden Künstler.“
„Immerhin bin ich verantwortlich für Konzeption & Thema der Ausstellung, ich rahme Bilder ein, verpacke sie & transportiere sie an den Ausstellungsort, wo ich dann, je nach Umfang der Ausstellung auch schon mal ein paar Tage mit der Installation der Ausstellung beschäftigt bin“, hat Rohr in seinem Internet-Blog die Leistungen umrissen, die er gratis erbringen soll. Dass man ihn statt im Hotel schon mal im Gästezimmer des Kunstvereinsvorstands einquartiert, sei noch das Geringste. Doch selbst um die Kostenerstattung für den Transport seiner Arbeiten per Mietwagen muss er immer feilschen. Ganz zu schweigen von einer Ausstellungsvergütung, einer Vergütung der Nutzung der Werke durch die Aussteller. „Die gibt es gar nicht oder nur hintenrum“, sagt Rohr. Stattdessen heiße es: „Sie können ja hier die Werke verkaufen.“
Über Zufälle, Zweifel & Ungewissheiten
Ohne Titel, 2018
Öl auf Leinwand über Karton, 24 x 18 cm
Im Oktober 1994 begann ich mit einem Studium der Malerei an der HBK Saar in Saarbrücken – ich hatte die Vorstellung, erst mal zwei Semester lang zu malen & zeichnen. So oft & wann immer es geht. Um dann nach einem Jahr weitere Entscheidungen treffen.
Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, immer schon gezeichnet. Mal mehr, mal weniger. Als Kind, als Jugendlicher, in der Schule – meistens in Kunst fernen Fächern. Latein, Mathematik, Religion. Irgendwie bin ich dabei geblieben, bei der Zeichnerei. Habe einfach nie aufgehört. Während meiner Zeit im Zivildienst zeichnete ich wenig. Aber danach wieder um so mehr.
In der Malerei hatte ich mich bis zum Beginn meines Studiums an der HBK selten versucht; die Versuche erschienen mir dilletantisch, stümperhaft & nicht sehr befriedigend. Ich wilderte in unterschiedlichen Gefilden, ohne zu wissen, was ich da überhaupt tat & was ich überhaupt wollte.
Meine Eltern schenkten mir zum dreizehnten Geburtstag einen Kasten mit Ölfaben, eine Staffelei & ein paar Malpappen. In der Küche unserer engen Mietwohnung malte ich die ersten Bilder. Galoppierende Pferde, Stillleben & ein missglücktes Selbstporträt. Es roch nach Terpentin & Leinöl & irgendwann war es meiner Mutter zuviel, weil das Essen angeblich nach Terpentin schmeckte. Außerdem war trotz Zeitungsabdeckung immer der Boden mit Farbe zugesaut. So verschwanden die Utensilien irgendwann im Keller.
Bevor ich an der 1994 HBK begann, studierte ich Grafik-Design an der FH in Saarbrücken. Eine Kunsthochschule gab es noch nicht. Und ein Studium außerhalb des Saarlandes zog ich irgendwie nicht in Betracht. Außerdem war ich sowieso ahnungslos.
Wenn es nach meinen Eltern & dem Arbeitsamt gegangen wäre, hatte ich drei Optionen:
1. eine Banklehre
2. eine Lehre zum Druckvorlagenhersteller
3. eine Lehre zum Backwarengestalter
Grafikdesign war laut meiner Arbeitsberaterin auch brotlose Kunst & Kunst in einer anderen Stadt außerhalb des Saarlandes Zeitverschwendung, weil noch brotloser als brotlos. Kam also überhaupt nicht in Frage. Zugegebenermaßen hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Plan von irgendwas. Nur eines war klar: Die drei Vorschläge meiner Eltern & meiner Arbeitsberaterin fand ich inakzeptabel. Ich machte mein Fachabitur & begann ohne Plan ein Grafikstudium – übrigens damit verbunden die sagenumwobene Grundlehre bei Prof. Oskar Holweck. Aber das ist eine andere Geschichte.
Im Laufe des Studiums erkannte ich, dass ich weder als Grafiker & Sklave in einer Werbeagentur noch als selbstständiger Grafiker & Einzelkämpfer arbeiten wollte – trotz eines nicht von der Hand zu weisenden Talentes, was die Illustration & das Layouten betraf.
Ich unterbrach das Studium für ein Jahr, in dem ich nur zeichnete, aquarellierte & gelegentlich auch versuchte zu malen.
Es zog mich immer mehr zur freien Zeichnung & zur Malerei – wenn ich auch nicht genau wusste, wie ich mir das Leben eines Künstlers überhaupt vorzustellen hatte & was man da von morgens bis abends so tut. Außer halt malen & zeichnen.
Denn auf die zeitgenössische Kunst stieß ich nämlich vergleichsweise spät in meinem Leben. Museumsbesuche gehörten in unserer Familie nicht zum sonntäglichen Bildungsprogramm. In meiner Jugend hatte ich Kontakt mit dem Impressionismus, dem Expressionismus, Salvatore Dali & Picasso. Der Kunstunterricht in den Schulen, die ich besuchte, fiel meistens aus – außer während der ersten drei Jahre auf dem Gymnasium bei Erwin Steitz, der mittlerweile sogar mein Kollege ist. Wenn Kunstunterricht darüberhinaus je stattgefunden hat, kann ich mich kaum daran erinnern & hat mich in keinster Weise geprägt oder beeinflusst. Die Kunsttheorie beschränkte sich auf Romanik, Renaissance, Barock. Darüber hinaus war alles weitere ein schwarzes Loch. Pop Art war bunt. Vielleicht noch Beuys – ohne wirklich genaueres verstanden zu haben. Ich hörte von Butter- & Fettecken sowie von unkundigen Putzfrauen gereinigte Badewannen.
Ich glaube, es war so um 1980 – ich besuchte mit Freunden während eines kurzen Parisaufenthaltes das Centre Pompidou. Es war eine Begegnung der dritten Art, die mich verwirrte. Allein die Architektur erschien mir wie eine Art Raumschiff von einem anderen Planeten, gefüllt mit Dingen, die ich noch nie gesehen hatte & auch nicht so richtig einordnen konnte. Zeitgenössiche Kunst. Es war die Zeit vor meinem Design-Studium, während meines Zivildienstes.
Konzepte oder gar eine höhere Vision hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine, aber nach dem ich das Grafik-Studium abgeschlossen hatte, bewarb ich mich an verschiedenen Hochschulen & Akademien um einen Studienplatz für Freie Kunst. Nach einigen Jahren & vielen Absagen („Wir brauchen hier junge, formbare Menschen“ oder: “Machen Sie doch Ihr Ding allein, wozu brauchen Sie noch eine Akademie?“), in denen ich witzigerweise überwiegend als Illustrator & Designer für unterschiedliche Agenturen & eigene Kunden in Saarbrücken & Stuttgart arbeitete, klappte es dann in Saarbrücken an der HBK Saar (nachdem ich drei Jahre zuvor schon einmal abgelehnt worden war).
Das Studium an der HBK in der Malklasse von Bodo Baumgarten bedeutete vor allen Dingen eines: Ich hatte einen Arbeitsplatz, „mein“ Atelier, von morgens bis nachts malte ich Bild um Bild. Während der Semesterferien waren sowohl Atelier als auch die HBK verwaist. Keine Professoren, kaum Studenten. Ein riesiges Atelier für mich allein. Das war ziemlich cool. Ich hängte immer alle Bilder der Kommilitonen ab & hatte drei Monate meine Ruhe. Während meiner Jahre als Freelancer hatte ich Geld gespart; damit konnte ich, wenn ich einigermaßen bescheiden lebte, ungefähr drei Semester ohne Job überleben. Ein Grundstudium bei Prof. Sigurd Rompza blieb mir Gott sei Dank erspart. Über Baumgartens Arbeit war mir vor dem Studium übrigens wenig bekannt. War aber auch egal, ich wollte sowieso nur malen & Kurse belegte ich aussschließlich nach Interessenlage. Nach der Zwischenprüfung hielt ich mich nur noch im Atelier auf & malte. Allmählich mutierte ich zum Faktotum in der Malklasse.
Zu Beginn des siebten Semsters plante ich den Ausstieg aus dem Studium. Ich nahm noch am Rundgang zum Ende des Wintersemesters teil & flüchtete dann ohne Abschluss in mein eigenes Atelier.
Das war eine gute Entscheidung. An der HBK wurde es für meine Bedürfnisse immer enger, außerdem wollte ich in Ruhe arbeiten, was im Maleratelier der Hochschule schon immer mit Schwierigkeiten verbunden war. Es war eine schöne Ateliergemeinschaft & eine fruchtbare Zeit, aber oft laut & chaotisch.
Außerdem hatte ich schon während meiner Zeit an der HBK viel Glück. Einzelausstellungen in kleinen, eher unbedeutenden Galerien, Förderstipendien, Kunstpreise, Bilderverkäufe, Bilderankäufe, Kunst-am-Bau-Projekte. Es war Zeit für mein eigenes Atelier. Für diesen Schritt belohnten mich Bodo & die HBK offiziell & per Urkunde mit dem Titel „Meisterschüler“. Ich war der erste Meisterschüler bei Bodo Baumgarten & der einzige Meisterschüler in den Annalen der HBK ohne Diplom.
Nach wie vor hatte ich keine Strategie & agierte eher spontan & aus dem Bauch. Meistens rief irgendjemand an, schlug mich für irgendein Projekt vor oder irgend jemand sprach ohne mein Wissen eine Empfehlung aus. Gut, ich bewarb mich um Ausstellungen in Kunstvereinen, städtischen Galerien & anderen Institutionen außerhalb des Saarlandes. Was gut funktionierte & funktioniert.
Ob Kunst-am-Bau-Projekte, kleinere regionale Kunstpreise oder auch Bilderverkäufe – rutschte allerdings eher zufällig als geplant in das Malerbusiness. Nein, es ist keine Koketterie – bis zum heutigen Tag existiere als Künstler ich nur wegen der andauernden Verkettung von glücklichen Umständen. Als Grafiker arbeitete ich irgendwann nicht mehr. Hin & wieder führe ich Auftragsarbeiten aus. Meistens Porträts.
Anfangs beteiligte ich mich an Wettbewerben oder suchte Kontakt mit Galerien außerhalb der Region. Oder ich bewarb mich um ein Stipendium, um einen Kunstpreis. Hat auch mal funktioniert. Mittlerweile verschwende ich meine Zeit nur noch selten mit solchen Dingen. Verschicke kaum Bewerbungen, schon gar nicht an Galerien. Kunstpreise interessieren mich nicht mehr. Da öffne ich lieber ein Flasche Wein & betrachte eine schöne Landschaft. Oder fange ein neues Bild an. Oder gehe mit meiner Frau spazieren. Ich bin kein guter Netzwerker. Schon gar kein Geschäftsmann. Oder gar ein guter Verkäufer.
Immer wieder muss ich, wie die meisten meiner Kollegen, neue Strategien finden, um mein Überleben zu sichern. Ich war noch nie im Leben irgendwo angestellt.
Malerei, Zeichnung & unzählige andere Tätigkeiten, über die ich lieber den Mantel des Schweigens hänge. Oder vielleicht doch mal ein Buch schreibe? Es ist ein Mäandern durchs Leben, ein Zickzack, machmal ein Stolpern & Holpern, ein Hinfallen & wieder Aufstehen – alles andere als ein gradliniger Weg. Natürlich kostet diese Art zu Leben viel Kraft & Energie, ich bin ja auch noch Ehemann & Vater, verbringe außerdem viel Zeit mit Einkaufen, mit Kochen & mit anderem Haushaltsdingenskram. Die Organisation des alltäglichen Lebens.
Vor einem Jahr war ich vertretungsweise für zwei Monate Lehrer an einem Saarbrücker Gymnasium. Nicht, dass ich das unbedingt wollte – man kam auf Umwegen auf mich zu – & nicht, dass es eine schlechte Erfahrung gewesen wäre. Die Kinder waren alle sehr lieb & manche sind mir in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen. Aber ich bin froh, mich vor über zwanzig Jahren gegen diesen Job entschieden zu haben. Lehrer ist man, weil man dazu berufen ist. Künstler wird man, weil man malt oder zeichnet oder andere merkwürdige Dinge tut. Man tut diese Dinge & denkt lieber nicht darüber nach, warum man sie tut. Vielen anderen Menschen erscheinen diese Tätigkeiten sinnlos. Sie arbeiten, verdienen Geld & genießen dann ihr verdientes Geld, wenn sie Feierabend haben oder fahren damit in Urlaub. Oder gehen ihren Hobbys nach. Hobbys habe ich keine.
Ich renne, so oft es geht, ins Atelier. Manchmal denke ich dort nur über meine Arbeit nach. Schaue auf weißes Papier & überlege.
Ich führe kein Leben als Malerfürst, falle nicht aus der Rolle durch übermäßigen Kokainkonsum, aber ich trinke außerordentlich gerne Wein & Pastis, gelegentlich einen Whisky, je rauchiger, je torfiger desto lieber. Aber immer in Maßen. Ich glaube, kein Alkoholiker zu sein.
Ich fühle mich gesund, allein meine Hüften quälen mich manchmal, trotzdem ich noch sehr jung an Jahren bin.
Ich möchte meine Arbeit (& ich sage jetzt nicht Kunst!) machen. Malerei & Zeichnung. Nicht mehr & nicht weniger. Mich erfüllt das mehr als genug. Die „Kunst“ erscheint mir oft sehr weit weg, noch weiter weg ist das „Betriebssystem Kunst“ & der sog. Diskurs. Ist mir fast egal. Gerade mal so viel, dass ich weiß, wie andernorts der Stand der Dinge ist.
Erfolg ist eine zweischneidige Sache. Manch ein Kollege oder manch eine Kollegin hat sich in jungen Jahren viel vorgenommen. Auf sogenannten Erfolg fixiert. “Ich will berühmt werden!“ Am besten in Berlin. Was bedeuted Erfolg eigentlich? Bedeuted es, berühmt zu sein & viel Geld zu verdienen? Bedeutet es, viele fleißige Assistenten zu haben, die die Bilder malen? Eine Sekretärin anzustellen & sich nur noch um die schönen Dinge zu kümmern? Hat man vielleicht ein Atelier in Berlin & eines in New York?
Natürlich, für einen kurzen Moment hofften die meisten damals in unserem Atelier an der HBK – ich kann mich davon nicht ausnehmen – allein vom Verkauf ihrer Bilder & Artefakte zu leben. Wir hofften auf einen guten Galeristen, vielleicht auch mehrere, die uns das Geschäftliche aus der Hand nehmen würden. Man ginge täglich ins Atelier, malte seine Bilder & bräuchte sich um nichts mehr zu kümmern.
Läuft! Wie man so sagt zur Zeit.
Aber so läuft das nicht. Nicht in den wenigsten Fällen. Es ist auch normal, dass es nicht so läuft. Künstler, die von ihrer eigenen Arbeit leben, vom Verkauf ihrer Arbeiten, sind die Ausnahmen. Die sind äußerst selten. Zufall, wenn man einen trifft. Man trifft auch keine Autoren, Schauspieler oder Musiker, die von den Früchten ihrer Bestseller, ihrer Arthousefilme oder ihrer Lieder leben. Was nicht heißt, dass in manchen Jahren der Verkauf nicht sehr gut funktioniert, überraschend gut. Um dann aber in einem anderen Jahr überraschend scheiße zu laufen.
Seit vielen Jahren unterrichte ich an der HBK in Saarbrücken das Zeichnen. Diese Arbeit finde ich sehr inspirierend. Ich lerne sehr viel darüber, wie Menschen Dinge betrachten & wie sehr das Betrachten & das Erzählen, nämlich das Gucken, Zeichnen, voneinander abweichen. Dann versuchen wir gemeinsam, diese beiden Dinge deckungsgleich zu machen (obwohl die linkischen, unabsichtlichen Abweichungen oft die interessanteren Ergbnisse produzieren). Um dann vielleicht irgendwann eine eigene Sicht auf die Dinge zu entwickeln & ganz bewusst mit Abweichungen zu gestalten. Um vielleicht über die Zeichnerei die Dinge oder die Welt besser zu verstehen, zu begreifen. Jedenfalls hat mir das immer wieder geholfen. Dazu muss man das genaue Hingucken lernen, immer wieder. Vielleicht gucke ich dann auch in anderen Bereichen genauer hin. Ich glaube das einfach. Das ist mein Credo.
Oft frage ich, wenn ich die Zeichnung einer Studentin oder eines Studenten betrachte: „Ist das Zufall oder Absicht, was da entstanden ist?“ Ich glaube an den Zufall. Beim Zeichnen allerdings sollte man sich nicht nur auf den Zufall verlassen.
Der Lehrauftrag bereichert mich; ich lerne sehr viel während der Zeichenstunden. Über die Art, wie junge Menschen ticken & wie sich die Kunst & das Denken über die Kunst verändern. Vor allen Dinge erfahre ich viel über mich & meine Arbeit.
Das Herstellen von künstlerischen Artefakten ist übrigens tatsächlich oft brotlos. Da hatte die Arbeitsberaterin recht. Berühmt, reich an Geld & Erfolg sind immer die anderen. Obwohl es immer wieder Jahre gibt, in denen ich sehr viel verkaufe oder auch mal ein größeres Kunst-am-Bau-Projekt einen warmen Geldregen für die nächsten Monate bringt – im Jahr danach läuft dann wieder gar nichts. Das ist fast schon Gesetz.
Ich denke oft über Erfolg nach. Erfolg heißt nämlich nicht nur fette Verkäufe, einen fetten Galeristen & fette Kohle. Im Gegenteil. Je länger ich als Künstler unterwegs bin (oder manchmal sehr umständlich versuche, unterwegs zu sein), desto schwieriger wird es, Erfolg zu definieren. Eine Definition könnte lauten: Wie gut, dass ich noch unterwegs bin. Ich kann meine Arbeit machen. Bilder malen. So oft es geht bin ich im Atelier. Es ist doch überhaupt ein Glück, dass das seit Jahren funktioniert, ohne dass ich wirklich dafür eine Erklärung habe.
Künstler wie Richter, Baselitz oder Jeff Koons sind glückliche Gewinner in der großen Kunstmarktlotterie. Außerdem gnadenlose Selbstvermarkter & bestimmt auch gute Kaufleute. Und: sie habenihre Karriere nicht in Saarbrücken gestartet. Ich bin ja sogar im Saarland geblieben (was vielleicht doch nicht die verkehrteste Entscheidung war).
Es gibt übrigens mehr Galeristen, die nicht oder kaum von ihrer Tätigkeit als Galerist leben, als man vermutet. Eine Galerieausstellung ist schön & gut, aber nicht immer der finanzielle Burner. Kleine Galerien verkaufen an Kunstinteressierte, vielleicht mal an eine Bank oder an kleinere Unternehmen. Richtige Sammler, ich meine wirklich richtige Sammler, trifft man da selten.
„War eine schöne Ausstellung, ich verstehe nicht, warum niemand was gekauft hat.“ Aber es gibt auch Ausnahmen.
Nur ein Bruchteil der Galerien bewegt sich auf internationalem Parkett, ist regelmäßig auf Messen anzutreffen & kümmert sich um einen kleinen, erlauchten Kreis von Künstlern. Nicht wenige Galerien versuchen sich gelegentlich auf kleineren Messen & oft ist es ein Verlustgeschäft. Bei vielen Galeristen ist es ähnlich wie bei vielen Künstlern: Ihr Herz brennt für die Kunst, aber sie sind keine Kaufleute.
Ich gehe übrigens nicht nur ins Atelier wenn ich Lust habe. Ich gehe auch ins Atelier, wenn ich keine Lust habe. Wer hat denn schon Lust, permanent zu arbeiten, wenn er auch was anderes machen könnte?
Das empfinde ich als Privileg.
Meine Arbeit erfüllt mich mit Freude & Glück. Ich arbeite gern. Ich fühle eine tiefe Befriedigung, wenn ein Bild oder auch nur eine klitzekleine Zeichnung fertig ist & wenn die Arbeit außerdem einigermaßen gelungen ist.
Was nicht heißt, dass ich zufrieden bin. Ich bin selten zufrieden. Ich bin sogar meistens unzufrieden. Aber meistens bin ich glücklich beim Betrachten meiner Bilder. Für eine kurze Zeit. Es wundert mich immer wieder, wenn etwas Brauchbares entstanden ist. Das ein oder andere Bild aus den letzten Jahren war gar nicht so schlecht. Und außerdem viele kleinere Papierarbeiten. Und manche Wandmalerei. Glaube ich.
Ich kann mich an lapidaren, beiläufig entstanden Skizzen erfreuen. Der Geruch von Leinöl & Terpentin hängt in meinen Kleidern. Ich beobachte gerne Dinge, Menschen oder auch die Natur in Hinblick auf ihre Tauglichkeit für ein Bild oder eine Zeichnung. Manchmal fotografiere ich. Ich schreibe gerne mit Füllfederhalter auf Papier. Es müssen nicht immer große, epische Leinwandarbeiten sein. Es müssen auch nicht immer meine eigenen Bilder sein, an denen ich mich errege. Im Gegenteil! Ich gehe gerne in Ausstellungen & betrachte & bewundere die Arbeit vieler Kolleginnen & Kollegen.
Ich bin einfach bildergeil.
Meine eigenen Bilder betrachte ich seit jeher als in Form gebrachte Zweifel, zumindest als zweifelnde Fragen an das Leben, ohne je eine Antwort erhalten zu haben. Verrückterweise frage ich ich immer wieder aufs Neue, obwohl ich weiß, dass ich niemals eine Antwort erhalten werde. Von Bild zu Bild werden die Zweifel aufs Neue geschürt.
Der Zweifel ist nichts anderes als eine anthropologische Grundkonstante aller Künstler, vielleicht auch der einzige Antrieb überhaupt, zu schreiben, zu malen & somit zu versuchen, die Welt irgendwie ein kleines bisschen zu verstehen, ohne an ihr zu gänzlich zu verzweifeln.
Zweifeln ohne zu verzweifeln.
Das ist eine Gratwanderung. Aber ich glaube, ich wäre enttäuscht, würden irgendwann meine Fragen beantwortet & meine Zweifel zerstreut. Würden meine Bilder antworten, ich würde die Augen verschließen, ich würde versuchen, diese Antworten zu ignorieren.
In den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder lange Phasen des Zweifels & der Unsicherheit. Ich fremdelte sozusagen mit meinen eigenen Bildern. Das liegt wohl auch daran, dass ich immer mal wieder – für Außenstehende Beobachter von heute auf morgen – meine bildnerischen Interessen änderte. So folgen auf lange Phasen der figürlichen Malerei längere Phasen gegenstandsloser Malerei. Sei es aus Übermut oder aus Verdruss oder weil mir gerade nichts mehr einfiel. Ich weiß es selbst nicht immer so genau, aber das Zweifeln spielt sicherlich eine große Rolle bei diesen Wechseln.
Wer wäre ich denn ohne meine Zweifel?
Das geht vorbei. Das weiß ich. Das ist immer vorbei gegangen. In solchen Momenten bin ich froh, nicht im Vorstand eines börsennotierten Unternehmens zu sitzen. So jemand kann sich ja keine Schwachheiten erlauben. Oder noch schlimmer: Ich wäre Chirurg & ein Patient stürbe während einer routinemäßigen Blinddarmoperation. Weil ich einfach mal schlecht drauf war.
Während ich permanent scheitern darf – ja, scheitern muss! Ohne Scheitern geht es nicht weiter. So sehe ich das. Ich darf monatelang arbeiten & dann feststellen: Alles für die Katz! Noch mal von vorne. Das kann manchmal deprimierend sein.
Aber auch: Welch ein Luxus!
Arbeiten & scheitern! Das muss man sich einfach mal vorstellen! Ins Atelier gehen, zeichnen, wegschmeißen, malen, abwaschen. Oder einfach die Papierarbeiten des Tages in den Müll schmeißen. Nach Hause gehen. Am nächsten Tag wieder anfangen. Weitermachen.
Ein glückliches Künstlerleben mit dem Zweifel & der ganzen Ungewissheit. Und diesen verrückten Zufällen.
Ich wollte nichts anderes leben.
Analogie & Korrelation
Ausschnitt aus der Arbeit „Liebt Euch 1“, 1999, von Michel Majerus
© Estate Michel Majerus 2017
Ausschnitt aus der Arbeit „Spacemanship“, 2017, von Pae White
Beide Arbeiten sind derzeit zu sehen im neu eröffneten Saarlandmuseum. Witzig auch, dass beide Künstler in ihren Arbeiten u. a. den Geist der 68er zitieren (Pae White in ihrer Tapisserie im ersten Raum des neuen Pavillons): u. a. Drogen & Drogenkonsum (aber warum?). Auf der Tapisserie sind Magic Mushrooms nebst Cannabispflanzen zu sehen.
Psychedelisch.
Münster
Die Skulptur Projekte Münster 2017. Drei Tage an der nicht immer frischen Luft. Sommer, Sonne, Fahrrad fahren. Viel Zeit damit verbringen, sog. Skulpturen zu suchen. Nicht immer einfach zu finden. Manchmal ist man ein wenig ratlos. Nicht alles erschließt sich allein durch Betrachtung. Konzeptkunst. Man muss die Konzepte lesen. Die Konzepte sind oft das Papier nicht wert. Manchmal aber auch spannender als die Umsetzung.
Übers Wasser bin ich nicht gegangen. Aber ich habe lange da gesessen, am Ufer, & Leute dabei beobachtet, wie sie mit großen, leuchtenden Augen verwundert „über“ das trübe Wasser gingen, eher durch das seichte, knietiefe Wasser wateten, meistens lächelnd, lachend, irgendwie glücklich & sich dabei bewegten, als hätten sie die Fortbewegungsart des Gehens gerade erst für sich entdeckt: Etwas unsicher, zögerlich & vor allem aber die eigenen Schritte & die der anderen unentwegt dokumentierend mit dem Handy oder einer Kamera & ab damit, mit dem Foto oder dem Film, hoch ins Netz, in die Cloud.
Den Brunnen von Nicole Eisenmann fand ich lustig. Allerdings war die Wiese rundrum schon zertrampelt & außerdem war er immer umringt von Menschen wie uns. Kunsttouristen halt.
Gregor Schneiders Räume waren überraschend. Allerdings durfte man sie nur einzeln betreten, deswegen stand man eineinhalb Stunden in der Schlange. Und natürlich ist das auch keine Skulptur. Es ist ein Gag. Einmal sehen & verstehen reicht dann auch. Wie die meisten Gags wird die Arbeit durch die Wiederholung wahrscheinlich nicht besser & auch nicht überraschender. Unter anderem dies unterscheidet Gags dieser Art wahrscheinlich auch von Malern wie Vermeer, Velázquez oder auch Munch. Deren Bilder erschöpfen sich nicht in Gags, sie ermüden nicht & werden, je länger ich lebe, immer besser, großartiger, schöner.
Vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt näher darauf eingehen.
Es war trotzdem schön.
Baukunst
Je ohne Titel, 2015
Öl & Alcydharz auf Dibond, unterschiedliche Formate
Kannte ich bis jetzt nur vom Hörensagen. Betreten habe ich bisher noch keins. Mir war auch nie so richtig bewusst, was in diesen Häusern verhandelt wird.
Vor einiger Zeit lernte ich – es war während der ART Karlsruhe – den Kollegen Mathias Weis kennen. Ich erfuhr nicht nur, dass er ein großartiger Maler ist, sondern auch ein Buch geschrieben hat: „Zwischen Leinwand & Hungertuch“ heißt der Titel.
Weis schrieb dieses Buch sozusagen als Antwort, als Reaktion auf ein Buch der britschen Kunsthistorikerin und Soziologin Sarah Thornton: „Seven Days in the Art World“. Weil er sich in deren Buch – wie gefühlt fünfundneunzig Prozent anderer Künstler – nicht repräsentiert fühlte.
Thornton schreibt über eine Kunstwelt, nämlich die Spitze der Kunstweltpyramide, die ich nicht kenne & auch nicht kennen lernen möchte, die auch nicht meine Kunstwelt ist, nämlich die Kunstwelt der Reichen, Berühmten & Schönen. Künstler, Kuratoren, Sammler & andere wichtige Menschen. Wie auch immer.
Ich habe es nicht gelesen.
Auf Spon ist gerade ein Interview mit Sarah Thonton zu lesen. In ihrem neusten Buch geht sie anscheinend der Frage nach, was einen Künstler in unserer Zeit überhaupt ausmacht. Wer oder was ist ein Künstler. Ich habe nach diesem Interview den Eindruck, dass mich auch dieses Buch nicht sonderlich interessiert. Ich weiß nicht, was einen Künstler ausmacht. Ich will es auch nicht wissen.
Lustig finde ich eine Bildunterschrift in diesem Interview:
„Damien Hirst, vor seinem Gemälde „I Am Become Death, Shatterer of Worlds“: einer der wesentlichsten und bekanntesten Künstler heute“.
Was zum Teufel ist ein wesentlicher Künstler?
Bin ich ein wesentlicher Künstler? Bin ich im Wesentlichen Künstler? Im Wesentlichen bin ich mir fremd, das habe ich bereits herausgefunden.
„Es gibt zwei Möglichkeiten für einen Künstler auf die erste Seite einer Zeitung zu gelangen: Mach einen Haufen Geld oder stirb. Oder töte jemanden …“
Handlungsanweisung zum berühmt werden. In Frau Thorntons Universum gibt es wenig Möglichkeiten. Alternativlos. Auch hier klammert sie anscheinend wieder die vielen unterschiedlichen Lebensentwürfe & Überlebensstrategien der meisten Künstler & Kollegen aus, die ich kenne. Und viele dieser Kollegen machen bei weitem ernsthaftere & bessere Kunst als Herr Hirst. Unter manchmal schwierigen Umständen.
„Stirb oder töte jemanden.“ Die Gedankengänge vieler Soziologen bleiben mir bis heute fremd.
Mathias Weis‘ Kunst- & Gedankenwelt allerdings war mir sofort sehr nahe.
In seinem Buch dokumeniert er chronologisch ein paar Monate aus seinem Leben im Jahr 2013. Ein Tagebuch. Der Leser beobachtet einen Künstler beim Versuch, seinen Alltag & sein Leben als Künstler zwischen Atelier, Auftragsarbeiten, Anträgen für Arbeitslosengeld II, Jobs & Gesprächen mit Kollegen, Ausstellungsbesuchen, Gewinnermittlungen für das Jobcenter zu organisieren. Sehr offen, ehrlich & authentisch.
Jobcenter.
Mathias Weis ist nicht nur ein sehr guter, ernsthafter Maler, sondern auch ein „arrivierter“ (ein merkwürdiges Wort), bekannter Maler – zumindest in der Region in & um Kassel ist er kein Unbekannter. Sein Buch schreibt er aus der Perspektive eines Malers aus dem unterern Teil der Kunstweltpyramide.
Lest das, Künstler! Besser: alle, die Ihr es werden wollt!
Und das noch zu diesem Thema: Isa Bickman untersuchte Parallelwelten des Kunstbetriebs. Ein sehr guter Essay!
Ich schweife ab.
Jobcenter.
Vor einigen Wochen betrat ich zu ersten mal ein Jobscenter, vielmehr, den Rohbau eines Jobcenters in Sulzbach. Mit dem Auftrag, dieses Gebäude künstlerisch auszugestalten. Wie man so sagt.
Was macht man da so für Kunst, in diesem Jobcenter? Die Kundschaft in diesen Einrichtungen rekrutiert sich ganz sicherlich nicht aus Menschen der obersten Spitze der Pyramide unserer Gesellschaft – was Karriere, Vermögen, Ansehen & wahrscheinlich auch Ausbildung & Beruf betrifft.
Die Kunst sollte also weder provozieren, arrogant & unnahbahr wirken noch mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger daherkommen.
Auch keine unaufgeregten Farbtupfer an der Wand. Und nichts was die Architektur aufhübscht oder einfach nur illustriert.
Nach einigen Terminen & Konzepten, Entwürfen & Ideen kristallisierte sich folgender Ansatz heraus: Ich male auf Aludibond, Menschen in unterschiedlichen Tätigkeiten & Berufen, farblich reduziert. Allein Werkzeuge & Umfeld werden ausgespart, verschwinden vorm weißen Hintergrund oder bleiben weiß.
Je nach Motivlage entstehen so manchmal eindeutige, aber auch vielleicht rätselhafte Konstellationen. Sofern beispielsweise die weißen Silouetten von Werkzeugen vor einem Körper zu sehen sind, kann der Betrachter noch Rückschlüsse auf die Tätigkeit ziehen. Aber nicht immer auf den Beruf. Menschen, die auf Bildschirme starren & möglicherweise mit der Computermaus hantieren, sind auch keinem Berufbild mehr zuzuordnen. Wir arbeiten mittlerweile fast alle am Rechner. Ob Politiker oder Hartz4-Empfänger. Oder Künstler.
Die Größe der Platten ist unterschiedlich, zwischen 40 x 30 cm & 120 x 100 cm. Sie werden spielerisch an den Wänden der vier Stockwerke des Jobcenters verteilt. Keinesfalls regelmäßig, in unterschiedlichen Höhen, auf alle Fälle überraschend, unerwartet. Mal einzeln, mal in Gruppen. Die Bilder werden oben & unten jeweils mit zwei sichtbaren Schrauben an der Wand befestigt. Einfach & roh. Der Eindruck von Dekoration soll vermieden werden. Immer & überall. Vor allem nicht dekorativ. Natürlich nicht. Das ist das Totschlagurteil. Dekorativ ist schlimmer als nett.
So ist der Plan.
Eigentlich wollte ich direkt auf die Wand malen, aber wir fanden keine Lösung, die Malerei zu schützen. Nicht, dass ich die Wandmalerei schützen wollte, im Gegenteil, nein, aber man hatte Bedenken. Die Malerei, die ich eigentlich gar nicht schützen wollte, zum Beispiel vor übereifrigen Renovierern oder gar Randalierern & Vandalisten. Den Vorschlag, mit einem gewissen Abstand Plexiglas davor zu schrauben, lehnte ich ab. Das riecht nach wertvoller Kunst. Überhaupt nach Kunst. Dadurch wird ein lapidares Wandbild wertiger als beabsichtigt. So mein Einwand. Wie die Mona Lisa im Louvre. Unter Panzerglas. Unnahbar. Genau diesen Eindruck wollte ich vermeiden. Außerdem habe ich ja dann doch wieder ein Rechteck. Also wieder ein Bild. Horizontale & vertikale Kante.
Die Malerei auf den dünnen Aludibondplatten geht zwar auch mit der Wand eine Verbindung ein, aber je nach Situation & Licht verschmelzen sie mit dem Hintergrund, man fühlt sich an Wandmalerei erinnert.
Damit kann ich leben.
Fritz Zolnhofer
Seit letzter Woche ist es offiziell: Am 27. März erhalte ich den Fritz Zolnhofer Preis der Stadt Sulzbach. Was mich natürlich sehr freut. Um so mehr, weil ich von dem Vorschlag nichts wusste & ich per Anruf über den Preis informiert wurde. Außerdem gibt es Kohle & das ist ja wohl das Wichtigste überhaupt bei so einer Kunstpreisgeschichte!
Über den Preis war mir bislang nicht viel bekannt. Ich habe gleich nach dem Anruf gegoogelt & ein paar Infos über Fritz Zolnhofer bei Wikipedia & auf der Seite des Instituts gefunden.
In Sulzbach verbrachte ich den größten Teil meiner Jugend. Meine Eltern bauten hier Mitte der Siebziger Jahre ein Haus. Damals schien Sulzbach durchaus attraktiv. Eine Mittelstadt & irgendwie einigermaßen lebendig.
Wenn ich heute durch die Hauptstraße in Sulzbach fahre, um meine Mutter zu besuchen, überfällt mich eine große Traurigkeit. Um nicht zu sagen, ich werde depressiv & eine großes Vakuum macht sich in meinem Malerkopf breit. Alle Farben verschwinden, es wird erst grau & dann ist da so eine Art Nebel. Stille.
Die meisten der Ladenlokale & ehemaligen Kneipen & Cafés in der Hauptstraße stehen leer. Vieles wirkt marode, krank & überholt. Arm. Nichts bewegt sich hier. Ein Organismus, der bei lebendigem Leib verwest. Das Tal des Todes. Ich will nicht hierher, nicht freiwillig, es ist deprimierend, es zieht mich runter, sogar wenn die Sonne scheint, aber meine liebe, in die Jahre gekommene Mutter wohnt noch in Sulzbach. Natürlich gibt es auch hier wie überall die ehemaligen & aktuellen, aber grausamen „Neubaugebiete“ am Rand, am „Speckgürtel“ & manchmal wird auch hier komischerweise immer noch was gebaut.
In ihrer Spießigkeit & Muffigkeit können diese städtebaulichen Verirrungen & architektonisch-ästhetischen Grausamkeiten allerdings nicht über die Probleme der Region hinwegtäuschen. Hässliche potemkinsche Viertel, farbenfrohe Jägerzaunidyllen, vor allem sonntags & schaurig still & deprimierend (wie überall in D).
Ich verbrachte hier einen Teil meiner Jugend. Möglicherweise war das alles damals schon zu ahnen – gespürt habe ich es nicht. Es gab eine funktionierende Infrastruktur, Geschäfte & Vereine. Allerdings bevorzugte ich schon in dieser Zeit die große Stadt oder auch Dudweiler, die Nachbarstadt gen Westen, die heute wohl nicht minder mit dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit kämpft. Außer einem provinziellen Kino geizte Sulzbach ansonsten mit Reizen für mich. Es war sterbenslangweilig.
In den meisten Häusern unseres ehemaligen Neubauviertels wohnen ältere & alte Menschen; kaum jüngere Familien mit Kindern. Viele Witwen. Die oberen Stockwerke verwaist, Rolläden ganzjährig geschlossen. Früher gab es hier mehr Kinder als Erwachsene.
Ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Tennisplatz unweit meines Elternhauses. Tennisplätze sehen überall gleich aus.
Mittlerweile muss die Stadt seit Jahren mit einem dramatischen Bevölkerungsrückgang fertig werden. Um so erstaunlicher, dass es den Fritz Zolnhofer Preis gibt, der seit 2001 nach wie vor alle zwei Jahre vergeben wird. In Zeiten wie diesen. Überall Krisen, nirgends ist mehr Geld, die Kassen in Kommunen & Gemeinden sind leer. In Sulzbach ist das nicht anders.
Im alten sog. Knabenrealgymnasium, welches vor einigen Jahren aufwändig umgebaut & restauriert wurde, findet man nun einen Konzertsaal & Ausstellungsräume, die Aula, welche abwechselnd vom ortsansässigen Kunstverein, der rührigen Musikschule & der Stadt bespielt werden. Eine Knospe inmitten ehemaligen Grüns. Aber ringsherum stirbt alles seit Jahren ab. Sulzbach steht hier nicht allein für eine Tendenz, die wohl auf lange Sicht unvermeidlich & nicht zu stoppen ist.
Und hier also verbrachte der Maler Fritz Zolnhofer seine Kindheit. Nicht einmal direkt in Sulzbach, sondern in den heutigen Stadtteilen Schnappach & Altenwald. Ein saarländischer Lokalmatador.
Im Saarland ist Fritz Zolnhofer durchaus kein Unbekannter. In meiner Erinnerung sind es in erster Linie die dunklen, düsteren Bilder aus dem Bergarbeitermilieu. Genrestudien. Sein Vater war Bergarbeiter. Und natürlich Landschaften. Geprägt & gezeichnet von der Kohle- & Stahlindustrie. Im Saarländischen Künstlerlexikon findet man einige dieser typischen Bilder Zolnhofers.
(Erstaunlicherweise auch diese Arbeit.)
Ich mochte die Malerei von Zolnhofer eigentlich nie, auch der Preis wird daran nichts ändern.
Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Stipendien & Preisen. Einerseits beteilige ich mich in aller Regel schon seit Jahren nicht an Ausschreibungen oder am allgemeinen Aufenthaltsstpendiums-Tourismus. Eigentlich gar nicht. Einschlägige Magazine & Gazetten, in denen man sich über derlei Dinge informieren könnte, lese ich nicht. Ich verbringe meine Zeit nicht gern mit dem Schreiben von Bewerbungen & dergleichen müßiger Tätigkeiten. In meiner Vergangenheit gab es einige Preise & Auszeichnungen, die aber meistens das Ergebnis von Zufällen oder zufälligen Begegnungen waren, wundersame Fügungen eben & nicht das Ergebnis planvollen, strategischen Vorgehens.
So auch in diesem Fall. Man fühlt sich geehrt, erhält ein Preisgeld – wie ich hörte, steuerfrei – & im März 2016 werde ich in den Räumen der „Aula“ anlässlich des Preises ausstellen.
Update:
Gerade erfahren, dass ENOVOS Hauptsponsor des Preises ist. Und auch die Volkbank sponsert.
Such die Kunst!
Jean Marie Mauclet (Nancy, Frankreich), 1978
Grauer Granit (Fichtelgebirge)
(Internationales Bildhauersymposion St. Johann)
Karl Prantl (Wien, Österreich), 1978
Sieben Stelen
(Internationales Bildhauersymposion St. Johann)
In der Tat eine großartige Idee, die seinerzeit ins Leben gerufen & umgesetzt wurde. Kunst besetzt den öffentlichen Raum. Aber mittlerweile haben einige Werke von damals kongeniale, installative Erweiterungen erfahren. In aller Stille. Der öffentliche Raum, die Stadt oder auch Wirte angrenzender Lokalitäten besetzen & verändern die Kunst & ihre ursprüngliche Intention. Mülleimer, Kneipenbestuhlung, Poller, Absperrpfosten & anderes Mobiliar stehen einträchtig neben den Werken von damals, die auf diese Weise leise aus der Wahrnehmung & dem Bewusstsein verschwinden.
Ein gelungenes Beispiel für den Umgang, die Akzeptanz & überhaupt, ja, die völlige Assimilation von Kunst in öffentlichen Räumen in unserer Gesellschaft, wie ich finde.
Saarbrücker Hefte
Unter der Rubrik „Galerie“ erscheint in der neuen Doppelnummer110/111 der „Saarbrücker Hefte“ (DIE saarländische Zeitschrift für Kultur & Gesellschaft) ein kleines Interview mit mir nebst Abbildungen einiger meiner Arbeiten.
Was mich natürlich sehr gefreut hat. Wirklich sehr.
Anbei das Interview (Für die Saarbrücker Hefte: Bernd Nixdorf).
SH: Warum sind Sie Künstler geworden?
AR: Ich habe immer gemalt und gezeichnet. Und nie damit aufgehört. Allerdings war mir lange Zeit nicht klar, was ich damit anfangen kann.
Also begann ich ein Studium. Grafik-Design. Ohne zu wissen, auf was ich mich da wirklich einlasse. Das war die falsche Entscheidung.
Nach einigen Semestern merkte ich, dass mein Herz für die Freie Malerei schlug. Einen Abschluss machte ich trotzdem, mit viel Widerwillen, um dann einige Jahre später an der HBK in Saarbrücken Malerei zu studieren.
Das war die richtige Entscheidung.
SH: Gibt es ein Kunstwerk, das für Sie von besonderer Bedeutung ist?
AR: Spontan denke ich an den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar. Eine Abbildung dieses Werkes habe ich zum ersten Mal gesehen, als ich bei Oskar Holweck in der Grundlehre war.
Allein dieses Foto fand ich damals schon unglaublich beeindruckend, geradezu aufwühlend und ergreifend.
Aber es sind eher einzelne Künstler, die für mich von Bedeutung sind, als einzelne Werke. So zum Beispiel Vermeer, Dürer, Velásquez, Goya, Munch. Unter den lebenden Zeitgenossen fällt mir da Hockney ein.
Mit Kandinsky konnte ich noch nie was anfangen.
SH: Denken Sie viel über Ihre eigene Kunst nach? Verändert das Ihre Arbeit?
AR: Eigentlich denke ich ständig über meine Arbeit nach. Sobald ich die Augen aufschlage & sehe. Irgendetwas regt mich an, eine Farbe, ein Schatten, eine Linie. Licht. Aber auch, wenn ich die Augen schließe und träume. Vor Ausstellungen male ich nachts träumend an angefangenen oder geplanten Bildern weiter.
Seit Jahren trage ich eine Kamera & einen Skizzenblock mit mir. Dinge, Menschen oder Situationen, die ich fotografiere oder skizziere, vieles was ich wahrnehme hat mit meiner Arbeit zunächst nichts zu tun, fließt aber irgendwann in meine Bilder ein. Oder auch nicht.
Es kann eine Einstellung aus einem banalen Action-Film sein. Oder auch nur ein Satz aus einem Buch.
Im Ergebnis zeigt die Malerei meine Haltung zur Welt; möglicherweise ist sie eine Methode, die Welt zu verstehen. Oder auch ein Werkzeug, die Welt zu beobachten, ohne sie zunächst einmal in gut und böse oder schwarz und weiß zu werten. Ich versuche zumindest, mich einer Wertung zu enthalten.
Was treibt mich an, in Bildern zu denken & diese zu malen?
Ich habe keine andere Sprache, in der ich mich ausdrücken kann. Ich weiß nicht, über was ich schreiben könnte und ein Musikinstrument spiele ich auch nicht. Ich denke über die Welt in Bildern nach. Ich beobachte die Welt, ich bin ein ein Teil dieser Welt. In meiner Malerei transformiere ich diese Beobachtungen und Erfahrungen.
Bilder sind für mich keine wiedergebenden, sondern gestaltende, Gestalt gebende Instanzen.
Möglicherweise dokumentiere ich in meinen Bildern einen fortwährenden
„Selbstvergewisserungsprozess”.
Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwierig. Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Möglicherweise springe ich deswegen auch immer mal wieder zwischen Abstraktion und Figuration. Nicht alles lässt sich immer auf eine bestimmte Weise sagen.
SH: Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?
AR: Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.
Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.
Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)
Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.
Das waren dann sehr schöne Momente.
In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.
Ai Weiwei ist ja zur Zeit der „Vorzeigepolitkünstler“. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?
Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken in Form von Bildern.
SH: Was ist für Sie gute Kunst?
AR: Gute Kunst haut mich um. Raubt mir die Sprache. Verschlägt mir den Atem.
Anfang des Jahres war ich im Frankfurter Städel in der großen Dürer-Ausstellung. Ein paar Tage lang war ich wie paralysiert. Was soll man nach solchen Bildern noch malen? Diese unfassbare handwerkliche Qualität, diese wahnsinnige Kreativität, dieser Erfindungsreichtum. Und das vor 500 Jahren!
Letztes Jahr in Köln: David Hockney! Stundenlang bin ich um die Bilder geschlichen und habe versucht, sie förmlich über die Augen in in mein Hirn zu saugen! Ein Genuss! Und auch hier, diese schier unendliche Menge an Ideen und Einfällen, diese Kraft! Immer noch, in diesem Alter! Und diese Leichtigkeit!
SH: Vergessen Sie manchmal die Kunst?
AR: Die Kunst vergessen? Die Malerei? Das Zeichnen? Der Geruch von Ölfarbe? Geht das überhaupt?
Ich war mein Leben lang bildergeil. Ich denke in Bildern, ich träume von Bildern. Ich kann mich berauschen an Bildern. Nicht nur an meinen eigenen, im Gegenteil, meistens sind es die Bilder von anderen, die meine Welt bereichern.
Und auch nicht immer Malerei. Fotografie, Film oder eine Skulptur, eine Plastik. Gerne auch ein guter Comic.
So etwas kann man nicht vergessen.
SH: Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Künstler wären?
AR: Ich kann mir nichts anderes vorstellen.
Nachtrag: Die Ausstellung von Herrn Ai Weiwei im Berliner Martin-Gropius-Bau habe ich mittlerweise gesehen. Mein Gefühl hat sich bestätigt.
Die Texte & Erläuterungen (Begründungen?) zu den einzelnen Werken in der Ausstellung fand ich oft deutlich besser als die künstlerische Umsetzung. Manches Konzept fand ich wiederum so gut & schlüssig, dass man auf die Arbeit verzichten konnte. Da war allein meine Vorstellung schon wesentlich besser.
Einen erhellenden Blick auf die Ausstellung fand ich übrigens bei Castor & Pollux.
„Die Gier kennt kein Ende.“
„Es scheint an der Zeit, aufzuhören von „dem Kunstmarkt“ zu sprechen. Man spricht ja auch selten vom Lebensmittelmarkt. Es gibt Biobauern, und es gibt Nestlé. Es gibt Volker Diehl, und es gibt Larry Gagosian. Es gibt den Kunsthandel, und es gibt die Kunstindustrie, in deren Konzernen sich Kapital und Macht inzwischen ähnlich konzentrieren wie in der Musik- und der Filmindustrie. Und so wie Konzerne Märkte monopolisieren und junge Marken aufkaufen, greifen die sogenannten Megagalerien Künstler ab, die von kleineren Konkurrenten über Jahre aufgebaut wurden – mit dem Unterschied, dass diese ihnen freiwillig zulaufen; dass es für die Aufbauarbeit keine Verträge gibt und schon gar keine Ablösungssumme.“
Ein – wie ich finde – unglaublich deprimierender Artikel von Kolja Reichert in der Zeit.
Eigentlich unvorstellbar. Unfassbar. Beschämend.
Im Gegenzug möchte Georg Seesslen in der taz die Kunst (mal wieder) ganz abschaffen. Nun gut. Er meint es rhetorisch:
Kunstding
Ich kokettiere gerne.
Oft sage ich: „Ich bin kein Künstler. Ich bin Maler.“ Das trifft den Nagel eher auf den Kopf.
Eigentlich ist es mir auch egal, was ich bin. Ich definiere mich über das, was ich tue.
Malen. Zeichnen.
Mein Leben lang malte & zeichnete ich. Das mag ein Fehler gewesen sein. Ich wollte nie Künstler werden. Im Gegensatz zu den meisten meiner Zeitgenossen, die als Kinder bestimmt genau so viel oder so wenig malerten wie ich, hörte ich eben damit nie auf. Bis zum heutigen Tag. So einfach ist das.
Als ich mit dem Studium der Malerei begann, hatte ich keine Vorstellung vom „Beruf“ des Künstlers. Möglicherweise habe ich auch noch heute keine Vorstellung. An der Hochschule hatten viele Kommilitonen Vorstellungen. Nicht alle betreiben heute noch die Kunst.
Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass ich eher meine Zeit mit umständlichen Vorbereitungen vertrödele. Mit umständlichen Vorbereitungen auf ein Künstlerleben. Ich stehe permanent in Startlöchern. Wie auch immer dieses Leben dann auch aussehen mag.
Malgründe vorbereiten, Bleistifte spitzen, Farben anrühren – alles nur Vorbereitungen. Und wenn ein Bild fertig ist, bereitest Du eine Ausstellung vor. Aber Bilder werden ja nie fertig. Das habe ich auch gelernt. Das ewige Bild.
Ich bin anspruchslos. Gebt mir Raum, Zeit, Papier & Bleistift & lasst mich ansonsten in Ruhe!
Ich liebe ich Actionfilme. Ich lese gerne Krimis. Ich habe einen Hang zu Profanem & Banalem. Viele meiner Freunde, Bekannten oder Verwandte sind weder Künstler, noch an Kunst interessiert. Geschweige denn würden sie Kunst kaufen. Ein ehemaliger Freund war Autoverkäufer. Ich habe niemals ein Auto bei ihm gekauft.
Ich mag Ballett. Und die Musik von Shostakovich – den verehre ich sehr. Vor allem seine Streichquartette. Unglaubliche Musik!
Überhaupt kam ich sehr spät mit der zeitgenössischen Kunst in Berührung. Ich klebte ja sehr lange an Surrealismus, Impressionismus & – wie man so schön sagt – den alten Meistern. Und nun stecke ich mittendrin.
Schon seltsam.
Freiheit
Ohne Titel, 2011
Bleistift, Skizzenbuch, ca. 21 x 26 cm
Zwischen intendierter Wirkung & tatsächlicher Wirkung liegt natürlich immer ein großer Unterschied. Was die Betrachtung von Kunst betrifft.
Kunst (Musik) wirkt zunächst emotional.
So gesehen liegt es immer beim Betrachter. Er spürt & lässt sich berühren (oder auch nicht). Möglicherweise kann das schon genügen, um die Kunst genießen verstehen zu können (oder auch nicht).
Die Interpretation eines Werkes setzt natürlich voraus, das ich z. B. über den Künstler, Entstehung & Kontext mehr als nur eine ungewisse Ahnung habe – also etwas Ahnung, Bildung & Wissen.
So kann ich mir ein Kunstwerk, das mich anfangs vielleicht nicht unbedingt emotional berührt, über den Verstand erschließen.
Die intellektuelle Auseinandersetzung ist vielleicht der Türöffner zum emotionalen Verständnis für das Werk.
Die vom Künstler intendierte Wirkung & die tatsächliche Wirkung auf den Betrachter müssen dabei nicht deckungsgleich sein.
Im Gegenteil.
Darin liegt die Freiheit des Betrachters Künstlers.
Kränehähn
Ein Gerücht geht um:
Die saarländische Landesregierung möchte eine Rosenhecke um den vierten Pavillon & den alten Schönecker-Bau pflanzen, damit das gesamte Areal der Vergessenheit anheim fallen möge. Das Kuratorium samt den Mitarbeitern der Stiftung wird dann in einen 100jährigen Schlaf fallen. Mindestens.
Die Chancen dazu stehen gar nicht mal so schlecht. In Saarbrücken scheint kaum jemand das Museum zu vermissen (Überhaupt: Wie viele Einwohner des Saarlandes sahen die Moderne Galerie wirklich jemals von Innen?). Der Mensch gewöhnt sich in aller Regel schnell an sog. Interimslösungen. Irgendwann verschwindet das Museum im blinden Fleck der Flaneure. Man erfreut sich an grünen Areal, dem blühenden Rosengarten & selbst zukünftige Regierungen werden vergessen, was es mit diesem verwunschenen Ort auf sich hat.
Keine Kosten, keine Probleme, keine Skandale – keine Erinnerung.
Kunst im allgemeinen sowie die moderne Kunst im besonderen ist sowieso unnötig wie ein Furunkel an der Arschbacke. Versteht eh kein Mensch, um was es eigentlich geht.
Genau wie klassische & moderne Musik, Theater & dieser ganze Subventionen verschlingende Ballast ohne sittlichen Nährwert. Und Literatur.
Außerdem haben wir doch schon Savoir vivre, Schwenkbraten & das Internet!
Und vielleicht mache ich dann endlich auch mal was Anständiges.
Hochzeit
Die Hochzeit meines lieben Freundes Martin verschlug uns nach Heilbronn. Ich war noch nie in Heilbronn.
Heilbronn macht den Eindruck einer riesigen Baustelle & tönt furchtbar laut. Zumindest in der Stadtmitte. Gegenüber der Kunsthalle Vogelmann. Klein & fein.
Eine Kunsthalle ist im allgemeinen kein Museum & im besonderen auch kein vierter Pavillon.
Meine Sache
Ohne Titel, 2011
Bleistift, Aquarell auf Papier, 29,7, x 42 cm
In Venedig war ich dieses Jahr nicht.
Nach allem, was ich über die Biennale gelesen habe in den letzten Wochen, erscheint mir dieser Artikel aus der SZ über den italienischen Beitrag ziemlich bemerkenswert:
„Denn der Ausschluss schafft Bedeutung …“
Rams in der Kunst
Ohne Titel, 2011
Öl auf Papier, 29,7 x 21 cm
Die berühmten Worte von Dieter Rams, übertragen auf die Kunst:
Zehn Regeln für gute Kunst:
Gute Kunst ist innovativ.
Gute Kunst macht sich brauchbar.
Gute Kunst ist ästhetische Kunst.
Gute Kunst macht sich verständlich.
Gute Kunst ist ehrlich.
Gute Kunst ist unaufdringlich.
Gute Kunst ist langlebig.
Gute Kunst ist konsequent bis ins letzte Detail.
Gute Kunst ist umweltfreundlich.
Gute Kunst ist so wenig Kunst wie möglich.
dito
Ohne Titel, 2010
Öl auf Papier, ca. 42 x 29,7 cm
„Wenn aber heute jemand beschließt, Maler bzw. Malerin zu werden, tut er das nicht, weil er gewissermaßen im Trend eines Stils liegen will (den es sowieso nicht mehr gibt), er tut dies, weil er mit jedem Pinselstrich seinen Resonanzraum in Schwingungen versetzt. Malen ist deshalb die schwierigste Disziplin, weil der Malvorgang Schritt für Schritt vollzogen werden muss, weil keine Etappen übersprungen werden könne, weil die Richtkräfte und die Schwerkraft des eigenen Selbst malend zu erforschen sind.“
… sagt Herr Ammann in „Das Glück zu sehen“ (Kunst beginnt dort, wo Geschmack aufhört)
Irrtum
In einem Interview in der Printausgabe der Wochenzeitung „die Zeit“ mit Claus Spahn sagte die Violonistin Hilary Hahn folgendes:
„[…] Man muss nicht exzessiv leben, um in der Musik an Grenzen gehen zu können. Und der große Irrtum dabei ist, zu glauben, wenn man etwas im Leben durchlitten hat, schlägt es sich automatisch in der Kunst nieder. Du kannst dich auf die Bühne stellen und weinen – und trotzdem hört man nichts davon. Die Emotion, die du kommunizieren willst, muss etwas Kontolliertes und Beherrschbares sein. Etwas, das du im Augenblick des Spiels annimmst. Selbstdistanz ist wichtig. Ich trete innerlich zur Seite, um klar zu sehen: Das ist die Emotion, um die es mir an dieser Stelle geht. Es ist wie beim Schreiben: Du musst Dein Material reflektieren, wenn du es literarisch in den Griff bekommen willst. […]“
Das ist sehr richtig und sehr schön. Es erzählt auch sehr viel über Malerei. Oder wie ich darüber denke.
Außerdem bin ich ein großer Fan von Hilary Hahn.
Sentiers Rouges
„Das Projekt Sentiers Rouges wurde 2003 vom lokalen Initiativ- und Managementzentrum ins Leben gerufen. Das Ziel bestand in der Förderung des sozio-kulturellen Austauschs in den zwölf Gemeinden der südlichen Region Luxemburgs. Das Projekt kann als eine Art Versuchslabor angesehen werden, das sich für eine Region einsetzt & dabei die Kunst nutzt, um unser kulturelles Erbe kritisch zu betrachten. Seither organisiert Sentiers Rouges jedes Jahr einen Arbeitsaufenthalt, während dem unter anderem Künstler aus der Großregion zusammenkommen, um sich dem gleichen Thema zu widmen.
Das Saarländische Künstlerhaus als Partnerorganisation von Sentiers Rouges hat für das Jahr 2009 den Saarbrücker Künstler Ludwig Schmidtpeter vorgeschlagen.
Ausgangspunkt für seine Arbeit mit dem Titel „Drive by shooting” hier in Esch war Ludwig Schmidtpeters Arbeit „Krypta”, die er selbst als „Dokumentation einer spekulativen medien-archäologischen Untersuchung” bezeichnet.
In „Krypta” geht Ludwig Schmidtpeter der Frage nach, welcher Art wohl heute Grabbeigaben beschaffen seien – sofern es sie in unserer heutigen, vollständig säkularisierten Welt noch gäbe – wie sähen diese Gegenstände aus?
Nach einem Telefonat mit Ludwig gab ich in das Google-Suchfeld meines Browsers spontan die drei Worte „Grab Sarg iPod” ein.
„Aus den Vereinigten Staaten kommt ein neuer Trend. Besonders in Hollywood ist es sehr beliebt, Verstorbene mit ihren technischen Lieblingsstücken wie Mobiltelefonen zu begraben. Das berichtet das Bestattungsunternehmen „Hollywood Forever“. Auch Game Boys und iPods seien sehr beliebt, insbesondere bei jungen Leuten […].”
Letzten Samstag wurden die einzelnen Projekte vorgestellt.
Ludwig Schmidtpeter: „Drive by shooting”
Jonathan Loppins Arbeit „L’échappée”
Yoann van Parys stellt das Buch „Récit d’un voyage au Luxembourg” vor.
Boris Thiébauts „Ecole de la forêt”
Von den „Vogelkäfigen” der Luxemburger Künstlerin Tessy Bauer habe ich leider keine Fotos …
(Infos zu Sentiers Rouges 2008)
Erstes Gastspiel
Gerd Brunzema
Erste Hilfe. Goldfolie, März 2009
Bleistift auf weißem Papier, 21 x 29,7 cm
Die oben gezeigte Arbeit & folgender Text sind von Gerd. Gerds Wege & meine Wege haben sich irgendwann im großen weiten Netz gekreuzt. Mittlerweile haben wir uns auch schon mal getroffen – in Hamburg. Gerd hat auch ein Blog, in dem er unter anderem auch Gedanken über die Zeichnung, die Malerei & die Kunst verliert. Ich dachte, es wäre schön, wenn er seine Gedanken auch einmal in meinem Blog verstreut:
Armin hat mich eingeladen, einen Text für sein Weblog zu schreiben. Das mache ich sehr sehr gerne. Ich beschreibe mal den Stand der Dinge, was Zeichnung, Malerei und Kunst zur Zeit für mich bedeuten. Widerspruch, Ergänzung, Fragen oder Zustimmung bitte in die Kommentare.
Zeichnung
Zeichnen ist visuelles Denken. Mit Zeichnung verbindet mich ein eine große Loyalität und Liebe. Wer Zeichnung beleidigt, den finde ich nicht nett. Gar nicht. Das ist für die meisten Menschen, denen ich begegne, schwer bis gar nicht verständlich. Diese Freundin ist so unscheinbar und unsexy. Man schaut darauf herab wie auf ein Mauerblümchen.
Die Loyalität, das Gefühl, der Zeichnung verpflichtet zu sein, entspringt einer einfachen Tatsache. Sie ermöglicht mir Welt. Das mag eine Behinderung sein, aber ich brauche das Zeichnen um mich mit dem, was mich umgibt verstehend auseinandersetzen zu können. Ohne Zeichnung würde ich sofort mit dem nächsten Raumschiff wieder wegfahren wollen.
Und die Liebe, die Liebe zur Zeichnung wurzelt in der Faszination, mit so minimalen Mitteln (eine einfarbige Fläche und ein andersfarbiges Dings zum Linien draufmachen) Ordnungen, Strukturen, Welten zu schaffen, zu erklären, zu erfinden. Was gibt es unglaublicheres? Da kommt nur noch menschlicher Gesang mit.
Malerei
Malerei ist visuelles Fühlen. Farben sind zusammen mit Klang und Geruch die direktesten Mittel, ein Gefühl zu erzeugen, zu verändern oder zu beenden. Malerei ist Auseinandersetzung von Farbe und Form auf der Fläche, hab ich im Studium gelernt. Jeder Pinselstrich ist eine Farbe und eine Form auf der Fläche. Das ist nicht vermeidbar beim Malen. Wohl aber die Auseinandersetzung damit. Malen ohne Zeichnen ist ein vielfach erprobter, erfolgreicher Weg Scheißbilder zu produzieren. Malen ohne Auseinandersetzung also. Malen ist lebendiger und saftiger als Zeichnung und ist sofort weich und kraftlos taumelnd, wenn nicht in Zeichnung geübtes Gespür für Struktur für Kraft und Halt sorgt. Und das hat zunächst mal nix mit gegenständlich oder nicht zu tun. Das gilt universal.
Malerei hat es aus meiner Perspektive schwerer als Zeichnung. Einfach deshalb, weil es in unvermeidlicher Konkurrenz zu Photo und auch Film/Video steht. Gar nicht mal in kunstmarkttechnischer Hinsicht, sondern im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten von Photo und Film/Video. Und die Malerei hält sich erstaunlich gut. Eigentlich gar nicht erstaunlich. Es gibt ganz banale Gründe, wie „braucht kein Strom“, „ist lichtecht“ und „wenn man es beherrscht, kann man Sachen machen, die mit keinem anderen Medium gehen“.
Wenn. Genau. Deshalb machen ja auch so viele in Video…
Andererseits, und das ist ebenfalls ein eher kunstferner Grund, ist ein Gemälde ein beeindruckenderes Stück Handelsware als eine DVD oder ein Abzug. Kunst findet hier auf dem Planeten Erde statt. Und ob ein Grund für oder gegen etwas ehrenwert oder trivial ist, spielt für die Frage ob er wirksam ist, keine Rolle. Wenn Kunst nicht als Event daherkommt (und damit eigentlich nicht mehr bildende sondern darstellende Kunst ist, und sich ganz anderen Beurteilungskrterien stellen müsste. Ja. Müsste. Tut sie nämlich nicht) sondern als Ding , dann ist Malerei immer noch das technisch und konzeptionell spannendste was es gibt.
Ich habe lange Zeit sehr wenig und sehr kleinformatig gemalt. Das hatte kunstferne und weniger kunstferne Gründe. Das ändert sich aber gerade wieder. Mal sehn.
Kunst
Kunst ist eigentlich immer dann Scheiße, wenn sie als Täuschung funktioniert. Wenn sie als Religionsersatz, Politikersatz, Lebenssinnstifterin, Ablenkungsmanöver, Gedankenlosigkeitsdeko daherkommt, wenn sie also als etwas benutzt wird, was sie ehrlicherweise/langfristig nicht leisten kann. Und nicht sollte.
Sie ist eigentlich immer dann grandios, wenn sie andere Blickwinkel ermöglicht, das großartige im Banalen, das banale im Großartigen sichtbar macht, wenn sie zeigt, das man nicht allein ist mit der Ratlosigkeit ist (nicht das Kunst daraufhin ein guter Ratgeber wäre. Vorsicht. Voooorsicht). Wenn Kunst Menschen in die Situation versetzt neu nachdenken zu müssen, neu nachfühlen zu müssen, dann ist Kunst gute Kunst. Denke ich. Gute Kunst ist schwer zu machen, weil man sie nicht absichtlich machen kann. Die passiert manchmal im andauernden Bemühen, seine Arbeit gut zu machen. Da kommt dann manchmal (sehr manchmal!) Kunst raus.
Und dann müssen das noch die richtigen Leute bemerken. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich hoffe, in diesem Gastspiel nicht zu seltsam erschienen zu sein.
Es war mir eine Ehre.
Mach mir den Rauschenberg!
Ohne Titel („Mir nicht bekannte Person“), 2009
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ich weiß nicht genau, um was es geht: Eraser.
Ob ich ein perfekter Künstler werden möchte, glaube ich eher nicht.
Was bedeutet es eigentlich, perfekter Künstler zu sein? Sind die Stifte immer gespitzt, der Pinsel immer sauber, die Palette immer gereinigt?
Darf ein perfekter Künstler scheitern?
Vor unserem Haus steht ein Nachbau der Grotte aus Lourdes. Bis heute konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wer sie gebaut hat, aber sie ist außerordentlich abstoßend & hässlich. Eine Mischung aus Gelsenkircher Barock & Tropfsteinhöhlenromantik.
Brachial & aggressiv in ihrer Ästhetik – das Gegenteil von einem Ort der Besinnung & Kontemplation. Hier schlägt gut gemeinte Volksfrömmigkeit um in Blasphemie.
Gescheitert.
Gelegentlich verirrt sich auch mal der ein oder andere Konzept-Projekt-Künstler-Kollege nach Ensheim.
Beim Anblick der Grotte geraten alle in Verzückung: „Daraus könnte man doch mal ein Projekt machen!“
Unter anderem in diesem Punkt unterscheide ich mich von einem Konzept-Künstler.
Überall
Peter Piller sagt: „Kunst entsteht wahrscheinlich überall und an ganz vielen Orten, an denen man es nicht vermutet. Im Ausnahmefall wird es entdeckt und so benannt. Und ob es dann Kunst ist, entscheidet ein gesellschaftlicher Konsens über die Anerkennung von Institutionen.“
Where is the Sublime?
Ohne Titel („Well known couple at Iris‘ party“), 2008
Bleistift, Aquarell auf Aquarellpapier, 30 x 40 cm
The Sublime Is There … ein sehr seltsames & eigenartiges Interview mit dem Künstler Jon Törklánsson. Wirklich. Sehr eigen.
Idee …
Ohne Titel („leading to war“), 2008
Acryl auf Leinwand, 180 x 220 cm
Vorletzter Zustand.
Heute gesehen bei THW:
„Je feindseliger die Kritik, desto mehr sollte der Künstler ermutigt sein“ (Marcel Duchamp)
Lob der Freude
Ohne Titel, 2007
Mischtechnik auf Papier, 42 x 29,7 cm
Mal aus dem Zusammenhang gerissen:
„… Die documenta ist, egal wie man das bewertet, immer noch hegemonial.”
(Hört sich irgendwie gut an …)
Übrigens: „Terrorchef” – ein bemerkenswerten Posten …