Unter der Rubrik „Galerie“ erscheint in der neuen Doppelnummer110/111 der „Saarbrücker Hefte“ (DIE saarländische Zeitschrift für Kultur & Gesellschaft) ein kleines Interview mit mir nebst Abbildungen einiger meiner Arbeiten.

Was mich natürlich sehr gefreut hat. Wirklich sehr.

Anbei das Interview (Für die Saarbrücker Hefte: Bernd Nixdorf).

SH: Warum sind Sie Künstler geworden?

AR: Ich habe immer gemalt und gezeichnet. Und nie damit aufgehört. Allerdings war mir lange Zeit nicht klar, was ich damit anfangen kann.

Also begann ich ein Studium. Grafik-Design. Ohne zu wissen, auf was ich mich da wirklich einlasse. Das war die falsche Entscheidung.

Nach einigen Semestern merkte ich, dass mein Herz für die Freie Malerei schlug. Einen Abschluss machte ich trotzdem, mit viel Widerwillen, um dann einige Jahre später an der HBK in Saarbrücken Malerei zu studieren.

Das war die richtige Entscheidung.

SH: Gibt es ein Kunstwerk, das für Sie von besonderer Bedeutung ist?

AR: Spontan denke ich an den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar. Eine Abbildung dieses Werkes habe ich zum ersten Mal gesehen, als ich bei Oskar Holweck in der Grundlehre war.

Allein dieses Foto fand ich damals schon unglaublich beeindruckend, geradezu aufwühlend und ergreifend.

Aber es sind eher einzelne Künstler, die für mich von Bedeutung sind, als einzelne Werke. So zum Beispiel Vermeer, Dürer, Velásquez, Goya, Munch. Unter den lebenden Zeitgenossen fällt mir da Hockney ein.

Mit Kandinsky konnte ich noch nie was anfangen.

SH: Denken Sie viel über Ihre eigene Kunst nach? Verändert das Ihre Arbeit?

AR: Eigentlich denke ich ständig über meine Arbeit nach. Sobald ich die Augen aufschlage & sehe. Irgendetwas regt mich an, eine Farbe, ein Schatten, eine Linie. Licht. Aber auch, wenn ich die Augen schließe und träume. Vor Ausstellungen male ich nachts träumend an angefangenen oder geplanten Bildern weiter.

Seit Jahren trage ich eine Kamera & einen Skizzenblock mit mir. Dinge, Menschen oder Situationen, die ich fotografiere oder skizziere, vieles was ich wahrnehme hat mit meiner Arbeit zunächst nichts zu tun, fließt aber irgendwann in meine Bilder ein. Oder auch nicht.
Es kann eine Einstellung aus einem banalen Action-Film sein. Oder auch nur ein Satz aus einem Buch.

Im Ergebnis zeigt die Malerei meine Haltung zur Welt; möglicherweise ist sie eine Methode, die Welt zu verstehen. Oder auch ein Werkzeug, die Welt zu beobachten, ohne sie zunächst einmal in gut und böse oder schwarz und weiß zu werten. Ich versuche zumindest, mich einer Wertung zu enthalten.

Was treibt mich an, in Bildern zu denken & diese zu malen?

Ich habe keine andere Sprache, in der ich mich ausdrücken kann. Ich weiß nicht, über was ich schreiben könnte und ein Musikinstrument spiele ich auch nicht. Ich denke über die Welt in Bildern nach. Ich beobachte die Welt, ich bin ein ein Teil dieser Welt. In meiner Malerei transformiere ich diese Beobachtungen und Erfahrungen.

Bilder sind für mich keine wiedergebenden, sondern gestaltende, Gestalt gebende Instanzen.

Möglicherweise dokumentiere ich in meinen Bildern einen fortwährenden
„Selbstvergewisserungsprozess”.

Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwierig. Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Möglicherweise springe ich deswegen auch immer mal wieder zwischen Abstraktion und Figuration. Nicht alles lässt sich immer auf eine bestimmte Weise sagen.

SH: Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?

AR: Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.

Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.

Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)

Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.

Das waren dann sehr schöne Momente.

In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.

Ai Weiwei ist ja zur Zeit der „Vorzeigepolitkünstler“. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?

Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken in Form von Bildern.

SH: Was ist für Sie gute Kunst?

AR: Gute Kunst haut mich um. Raubt mir die Sprache. Verschlägt mir den Atem.

Anfang des Jahres war ich im Frankfurter Städel in der großen Dürer-Ausstellung. Ein paar Tage lang war ich wie paralysiert. Was soll man nach solchen Bildern noch malen? Diese unfassbare handwerkliche Qualität, diese wahnsinnige Kreativität, dieser Erfindungsreichtum. Und das vor 500 Jahren!

Letztes Jahr in Köln: David Hockney! Stundenlang bin ich um die Bilder geschlichen und habe versucht, sie förmlich über die Augen in in mein Hirn zu saugen! Ein Genuss! Und auch hier, diese schier unendliche Menge an Ideen und Einfällen, diese Kraft! Immer noch, in diesem Alter! Und diese Leichtigkeit!

SH: Vergessen Sie manchmal die Kunst?

AR: Die Kunst vergessen? Die Malerei? Das Zeichnen? Der Geruch von Ölfarbe? Geht das überhaupt?

Ich war mein Leben lang bildergeil. Ich denke in Bildern, ich träume von Bildern. Ich kann mich berauschen an Bildern. Nicht nur an meinen eigenen, im Gegenteil, meistens sind es die Bilder von anderen, die meine Welt bereichern.

Und auch nicht immer Malerei. Fotografie, Film oder eine Skulptur, eine Plastik. Gerne auch ein guter Comic.

So etwas kann man nicht vergessen.

SH: Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Künstler wären?

AR: Ich kann mir nichts anderes vorstellen.

Nachtrag: Die Ausstellung von Herrn Ai Weiwei im Berliner Martin-Gropius-Bau habe ich mittlerweise gesehen. Mein Gefühl hat sich bestätigt.

Die Texte & Erläuterungen (Begründungen?) zu den einzelnen Werken in der Ausstellung fand ich oft deutlich besser als die künstlerische Umsetzung. Manches Konzept fand ich wiederum so gut & schlüssig, dass man auf die Arbeit verzichten konnte. Da war allein meine Vorstellung schon wesentlich besser.

Einen erhellenden Blick auf die Ausstellung fand ich übrigens bei Castor & Pollux.