Seit letzter Woche ist es offiziell: Am 27. März erhalte ich den Fritz Zolnhofer Preis der Stadt Sulzbach. Was mich natürlich sehr freut. Um so mehr, weil ich von dem Vorschlag nichts wusste & ich per Anruf über den Preis informiert wurde. Außerdem gibt es Kohle & das ist ja wohl das Wichtigste überhaupt bei so einer Kunstpreisgeschichte!
Über den Preis war mir bislang nicht viel bekannt. Ich habe gleich nach dem Anruf gegoogelt & ein paar Infos über Fritz Zolnhofer bei Wikipedia & auf der Seite des Instituts gefunden.
In Sulzbach verbrachte ich den größten Teil meiner Jugend. Meine Eltern bauten hier Mitte der Siebziger Jahre ein Haus. Damals schien Sulzbach durchaus attraktiv. Eine Mittelstadt & irgendwie einigermaßen lebendig.
Wenn ich heute durch die Hauptstraße in Sulzbach fahre, um meine Mutter zu besuchen, überfällt mich eine große Traurigkeit. Um nicht zu sagen, ich werde depressiv & eine großes Vakuum macht sich in meinem Malerkopf breit. Alle Farben verschwinden, es wird erst grau & dann ist da so eine Art Nebel. Stille.
Die meisten der Ladenlokale & ehemaligen Kneipen & Cafés in der Hauptstraße stehen leer. Vieles wirkt marode, krank & überholt. Arm. Nichts bewegt sich hier. Ein Organismus, der bei lebendigem Leib verwest. Das Tal des Todes. Ich will nicht hierher, nicht freiwillig, es ist deprimierend, es zieht mich runter, sogar wenn die Sonne scheint, aber meine liebe, in die Jahre gekommene Mutter wohnt noch in Sulzbach. Natürlich gibt es auch hier wie überall die ehemaligen & aktuellen, aber grausamen „Neubaugebiete“ am Rand, am „Speckgürtel“ & manchmal wird auch hier komischerweise immer noch was gebaut.
In ihrer Spießigkeit & Muffigkeit können diese städtebaulichen Verirrungen & architektonisch-ästhetischen Grausamkeiten allerdings nicht über die Probleme der Region hinwegtäuschen. Hässliche potemkinsche Viertel, farbenfrohe Jägerzaunidyllen, vor allem sonntags & schaurig still & deprimierend (wie überall in D).
Ich verbrachte hier einen Teil meiner Jugend. Möglicherweise war das alles damals schon zu ahnen – gespürt habe ich es nicht. Es gab eine funktionierende Infrastruktur, Geschäfte & Vereine. Allerdings bevorzugte ich schon in dieser Zeit die große Stadt oder auch Dudweiler, die Nachbarstadt gen Westen, die heute wohl nicht minder mit dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit kämpft. Außer einem provinziellen Kino geizte Sulzbach ansonsten mit Reizen für mich. Es war sterbenslangweilig.
In den meisten Häusern unseres ehemaligen Neubauviertels wohnen ältere & alte Menschen; kaum jüngere Familien mit Kindern. Viele Witwen. Die oberen Stockwerke verwaist, Rolläden ganzjährig geschlossen. Früher gab es hier mehr Kinder als Erwachsene.
Ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Tennisplatz unweit meines Elternhauses. Tennisplätze sehen überall gleich aus.
Mittlerweile muss die Stadt seit Jahren mit einem dramatischen Bevölkerungsrückgang fertig werden. Um so erstaunlicher, dass es den Fritz Zolnhofer Preis gibt, der seit 2001 nach wie vor alle zwei Jahre vergeben wird. In Zeiten wie diesen. Überall Krisen, nirgends ist mehr Geld, die Kassen in Kommunen & Gemeinden sind leer. In Sulzbach ist das nicht anders.
Im alten sog. Knabenrealgymnasium, welches vor einigen Jahren aufwändig umgebaut & restauriert wurde, findet man nun einen Konzertsaal & Ausstellungsräume, die Aula, welche abwechselnd vom ortsansässigen Kunstverein, der rührigen Musikschule & der Stadt bespielt werden. Eine Knospe inmitten ehemaligen Grüns. Aber ringsherum stirbt alles seit Jahren ab. Sulzbach steht hier nicht allein für eine Tendenz, die wohl auf lange Sicht unvermeidlich & nicht zu stoppen ist.
Und hier also verbrachte der Maler Fritz Zolnhofer seine Kindheit. Nicht einmal direkt in Sulzbach, sondern in den heutigen Stadtteilen Schnappach & Altenwald. Ein saarländischer Lokalmatador.
Im Saarland ist Fritz Zolnhofer durchaus kein Unbekannter. In meiner Erinnerung sind es in erster Linie die dunklen, düsteren Bilder aus dem Bergarbeitermilieu. Genrestudien. Sein Vater war Bergarbeiter. Und natürlich Landschaften. Geprägt & gezeichnet von der Kohle- & Stahlindustrie. Im Saarländischen Künstlerlexikon findet man einige dieser typischen Bilder Zolnhofers.
(Erstaunlicherweise auch diese Arbeit.)
Ich mochte die Malerei von Zolnhofer eigentlich nie, auch der Preis wird daran nichts ändern.
Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Stipendien & Preisen. Einerseits beteilige ich mich in aller Regel schon seit Jahren nicht an Ausschreibungen oder am allgemeinen Aufenthaltsstpendiums-Tourismus. Eigentlich gar nicht. Einschlägige Magazine & Gazetten, in denen man sich über derlei Dinge informieren könnte, lese ich nicht. Ich verbringe meine Zeit nicht gern mit dem Schreiben von Bewerbungen & dergleichen müßiger Tätigkeiten. In meiner Vergangenheit gab es einige Preise & Auszeichnungen, die aber meistens das Ergebnis von Zufällen oder zufälligen Begegnungen waren, wundersame Fügungen eben & nicht das Ergebnis planvollen, strategischen Vorgehens.
So auch in diesem Fall. Man fühlt sich geehrt, erhält ein Preisgeld – wie ich hörte, steuerfrei – & im März 2016 werde ich in den Räumen der „Aula“ anlässlich des Preises ausstellen.
Update:
Gerade erfahren, dass ENOVOS Hauptsponsor des Preises ist. Und auch die Volkbank sponsert.
Anonym
2. März 2015 @ 14:40
Ich gratuliere herzlich!
Armin
3. März 2015 @ 07:45
Danke!
Anonym
19. März 2015 @ 19:51
Ich gratuliere dir auch, Armin!
Auch, wenn der Preis dich ungewollt getroffen hat!
Viele Grüße aus Berlin von Susanne
So oder so ähnlich (Nachtrag) – Armin Rohr
8. August 2020 @ 15:26
[…] Wochen nach dem erfreulichen Anruf kam es während einer Ortsbesichtigung zu einem längeren Gespräch mit einer Mitarbeiterin der […]
So lange nichts Schlimmeres kommt – Armin Rohr
16. April 2022 @ 08:07
[…] Vor ungefähr einem Jahr erhielt ich einen Anruf. Man teilte mir mit, ich sei von einer Jury zum Fritz-Zolnhofer-Preisträger der Stadt Sulzbach ausgewählt worden. […]