fotografie
draussen
Blick aus dem Atelierfenster, 16:17:43 Uhr
Die meisten Ufo-Sichtungen mache ich im Winter; das letzte Mal erschienen die Raumschiffe vor zwei Jahren. Meistens tauchen sie vor meinem Atelierfenster auf. Leise & unspektakulär. Wir beobachten uns gegenseitig. Wenn ich das Fenster öffne, um ihnen zu zurufen, verschwinden sie – von einem auf den anderen Moment. Scheue Wesen. Mir scheint, als wäre nur ich in der Lage, sie wahrzunehmen.
Heute sah nur ein Raumschiff, aber es war wunderschön. Es erstrahlte in warmem & kaltem Licht. Ich fühlte mich leicht & frei. Kein Geräusch war zu hören, die Zeit stand still.
Immer wieder die Frage: Bin ich auserwählt?
Oliberius
Heinz Oliberius mal wieder. Routine; ich beschrieb es schon.
Anbei ein Artikel von Silvia Buss zu diesem Thema in der Saarbrücker Zeitung vom 23. Mai 2016. Bitte hier klicken.
Pleasekastel
Vom 25. Juli bis zum 12. August war ich in der Sommerakademie in Blieskastel als Dozent beschäftigt. Mit einer Ausnahme, Tag 1, fuhr ich täglich mit dem Bus – Lob, Preis & Dank dem dem 9-Euro-Ticket. Saarbrücken – Blieskastel – Saarbrücken. Im Bus las ich, guckte aus dem Fenster, kritzelte, manchmal fotgrafierte ich oder ich schlief. Drei intensive Wochen mit motivierten Menschen, in denen ich wieder viel gelernt habe. Einzig unmenschlich in dieser Zeit war die Hitze in Woche zwei. Draußen zu zeichnen in den engen Gassen in Blieskastels Altstadt war selbst im Schatten manchmal unerträglich.
Idylle
Wenn man sich – mit dem Auto von Saarbrücken kommend – allmählich dem Allgäu nähert & dann nach einer langen, beschissenen Fahrt auf beschissenen, verstopften Autobahnen, endlosen Baustellen, Stau, Rasern & anderen Autoidioten endlich in Hopfen am See ankommt, ist das, als würde man nach einigen Stunden Schlaf in einer anderen Welt aufwachen.
Die Landschaft wird weich, sanfthügelig & nach diesem feuchten, verregneten Sommer präsentiert sich die Natur saftig & prall, ja geradezu opulent & verschwenderisch – eben: malerisch. Sie zeigt eine große Palette unzähliger, satter Grüntöne, Vögel zwitschern allerorten, Schmetterlinge & andere nervige Insekten schwirren durch die klare, reine Luft, Kühe stehen überall sauber & zufrieden in der Gegend rum & wenn man sich nicht gerade in der Nähe einer Landstraße oder Autobahn aufhält, liegt Ruhe & Frieden über dem Land. Keine störenden Industriegebiete, nur Felder, Wiesen, bewaldetete Bergrücken & natürlich die gute Landluft. Viel Holz. Paradies.
Idylle.
Und Heerscharen von Menschen auf E-Bikes.
Hopfen am See! Wir logieren in einer Wohnung mit Balkon, mit Blick über das friedlich so da liegende Gewässer.
Unweit von Hopfen liegt Füssen. Nach Füssen & Umgebung fahren wir mit dem Fahrrad (ohne elekrische Verstärkung) & kaufen Vorräte & machen kleinere Touren (es gibt ein ausgebautes, funktionierendes Radwegenetz). Alles richtet sich aus nach dem geschätzten Besucher, dem Touristen. Der mag es heimelig, adrett & gepflegt. Spießig halt. Wenn wir nach Füssen fahren, sehen wir gelegentlich Schloss Neuschwanstein, eingerahmt vom Wald, auf einer Anhöhe bei Hohenschwangau. Ich meine: Neuschwanstein! Das ist Disneyland Made in Germany, lange vor Mickey Maus.
Alles ist malerisch, herrlich, prachtvoll & gepflegt. Natur, Landschaft, Dörfer, Städte, die Kühe – alles scheint einfach wie eine große Kulisse, wirkt irgendwie unecht, zu schön, zu sauber, zu glatt gebügelt. Eine Modelleisenbahnwelt. Nix vom abgerotzten Charme Saarbrückens, keine Bettler, keine Obdachlosen, kein Elend, kaum Schmutz, kaum Dreck, noch nicht mal Punks – was bleibt den Menschen hier, in Bayern, anderes übrig, als seit Jahrzehnten die CSU zu wählen? Hier herrscht die Idylle, hier scheint die Welt noch in Ordnung, wie man so sagt. Ein Reservat des schönen Scheins.
Mir ist das zu clean, zu paradiesich. Zu wenig irdisch.
Wie immer auf Reisen hatte ich Blöcke & Farben dabei, um gelegentlich vielleicht die ein oder andere Zeichnung oder auch mal ein Aquarell vor Ort entstehen zu lassen. An Motiven schien es ja zunächst nicht zu mangeln in Hopfen & Umgebung.
Aber schon am Abend des Ankunftstages überfiel mich angesichts dieser Märchenhaftigkeit eine gewisse Landschaftsmalmüdigkeit. Kaum was da, um sich zu reiben. Ich war zu überwältigt, zumal das Wetter auch noch mitspielte. Überall Natur satt & bräsige Gemütlichkeit. Ich gab mich der Überwältigung hin, labte mich an unserem ersten Abendessen in einem viel zu großen Touristen-Restaurant an einer frischen Forelle & viel Wein & ergötzte mich an unserem ersten Sonnenuntergang am See.
Süß der milde Rausch, blaurosaviolett der Himmel das Licht das Wasser. Irgendwo quakte ein Frosch.
So entstanden unter diesen Eindrücken diese Zeichnungen im Skizzenbuch, kratzbürstig, widerspenstig & – so hoffe ich – gar nicht harmonisch, friedlich & idyllisch. Täglich eine, zwei oder auch mal drei. Zwischendurch versuchte ich an dem ein oder anderen Ort, auch mal die Landschaft in den Griff zu kriegen, war aber nix zu machen. Die Überdosis Schönheit & Frieden betäubte mich. Egal. Die Tage im Allgäu waren sehr erholsam.
Neuschwanstein haben wir nicht besucht.
Licht
Heute im Saarländischen Künstlerhaus die aktuelle Ausstellung besucht, die hervorragend in Szene gesetzt war.
Obszön
Ich muss jetzt mal wieder einen meiner Lieblingssätze von Heinz von Förster einflechten:
„Obszönität: Ich zeige jemandem ein Bild und frage ihn, ob es obszön sei. Er sagt: ,Ja.‘ Ich weiß jetzt etwas über ihn, aber nichts über das Bild.“
Genau so ist das.
„Bonbonfarbenbunt, poppigbunt, kitschig-bunt, wenig subtile & grelle Farbigkeit, knallbunte Farben, schrille Farben usw. usw … so in etwa waren & sind die Beschreibungen meiner Bilder, entweder in Ausstellungsbesprechungen; manche Menschen sagten es mir auch schon mal persönlich. Beinahe vergessen: „Obszön bunt“. Letzteres bezog sich zwar auf den Schal um meinen Hals, aber ich dachte sofort an meine Bilder.
Gut, manchmal fallen die Wertungen über die Farbigkeit in meinen Bildern, über meine Palette auch positiv aus:
Meine Arbeiten sind z. B. auch mal „farbstrotzend“. (Strotzen: „über eine Eigenschaft, Fähigkeit so uneingeschränkt verfügen, dass sie auffallend zutage tritt.)
„Armin Rohr, der in anderen Werken ein ausgesprochen sensibles Farbgespür zeigt, hat für diese Arbeiten tief in die Farbtöpfe gegriffen. Von Rot-Orange über Lila-Pink bis zu Giftgrün sind in diesen Gemälden selbst grelle Farben zu finden.“ Giftgrün & grelle Farben – in diesem Fall durchaus wohlwollend.
Seit Jahren uneingeschränkt auf Platz eins: in meinen Bildern verwende ich öfter mal rosa. „Rosa ist schon sehr kitschig!“
Warum ausgerechnet „Rosa“ kitschig sein sollte, nicht aber schwarz, weiß oder braun hat sich mir nie erschlossen. Hat möglicherweise mit unseren kulturellen Prägungen zu tun. Rosa hat einfach einen hohen Kitschfaktor. Wenn man nun in den vergangenen Jahren aber mal genauer hingesehen hat, stellt fest, dass es mittlerweile auch sog. Businesshemden mit Botton-down-Kragen in Rosa-Tönen zu kaufen gibt; rosa-kariert, rosa-gestreift, auffallend viele Bänker & Politiker, Nachrichtensprecher – sehr mutig – mit rosa (magenta, pink) Krawatten ihre ansonsten langweilige Uniform aufpimpen, kann man erkennen, dass etwas aufbricht. Sogar Vorstände einer Aktiengesellschaft & sogar Politiker finden rosafarbende Appikationen cool.
Rosa ist ein großes Spektrum & es macht ja einen Unterschied, ob ich mein „Rosa“ mit Kadmiumrot dunkel, Krapplack oder Magenta anmische. Außerdem gibt es ja einen Unterschied zwischen Rosa & Pink. Es gibt sogar eine Doktorarbeit zu dem Thema, die mir aber leider nicht bekannt ist.
Und ja, Kitsch. Was ist Kitsch überhaupt? Eine sehr schwierige Frage. Auch Blumenmalerei: Geht nicht, Blumen sind kitschig. Stillleben – noch kitschiger. Künstlerkolleginnen & Kollegen haben Angst vorm Kitschverdacht. „Dieses Bild, diese Arbeit was meinst Du, irgendwie kitschig – die Farben, das Thema …?“
Es zeigt, wie schwierig es ist, über Bilder zu sprechen ohne dabei über sich selbst & seine inneren Befindlichkeiten & Vorlieben, beziehungsweise auch Misslieben, zu sprechen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es natürlich auch interessant zu lesen, wie beispielsweise Kritiker über die Arbeit von Künstlerinnen & Künstlern schreiben. Schreiben sie über sich selbst, ihren Geschmack & ihre Befindlichkeiten? Oder gelingt ihnen die kritische Beschreibung eines Werkes, die dem Leser etwas über Intentionen des Künstlers erzählen könnte? Wird da klug argumentiert & belegt oder einfach nur bewertet?
Keine Wertungen, keine gefühlten Beschreibungen.
Eine Aktzeichnung von Egon Schiele überm Sofa wird heute wohl kaum jemand mehr als eine Provokation sehen, während die gleiche Aktzeichnung über dem Tabernakel einer katholischen Kirche wohl immer noch Entrüstungsstürme auslösen würde.
Eine Farbe allein kann nicht kritisch, doof, schön – oder eben kitschig sein. Sie besitzt lediglich die Eigenschaften, die Du ihr gibst.
Apropos rosa: Rupprecht Geiger!
Ich weiß nicht, ob von uns produzierte Artefakte „neutral“ sind; ich bevorzuge es da eher, die Dinge zunächst einmal nicht mit konventionellen Werturteilen zu betrachten. Ich versuche es zumindest. Meistens. In irgendeiner Form sind die Dinge ja immer aufgeladen oder besetzt mit Eigenschaften. Natürlich auch Farben.
Ich werde Rosa (oder Pink) nach wie vor benutzen.
Nachtrag:
Es mag schon sehr lange her sein, vielleicht 15 Jahre. Ich leitete einen Wochenend-Workshop für eine größere Gruppe. Irgendwas mit Malerei & Farbe war das Thema. Ausgangspunkt waren Landschaftsfotos, schwarz-weiß.
Wiederholt wurde mir eine Frage gestellt: „Mit welcher Farbe würdest Du hier weitermalen?“ – „Welche Farbe würdest Du jetzt nehmen?“
Irgendwann beantwortete ich diese Frage nur noch stereotyp mit: „Rosa.“
Anfangs waren die Reaktionen verwundert: „Rosa? Ist das nicht zu kitschig …?“ „Darf man das? Ich habe ja jetzt schon rot & gelb im Bild?“
Die Gruppenteilnehmer tauschten sich natürlich dann auch untereinander aus: „Wie soll ich jetzt weitermachen, welche Farbe …? Armin frage ich nicht mehr, der sagt immer nur rosa.“
Natürlich benutzten einige dann auch irgendwann rosa. Rosa für den Himmel, für einen Baum oder auch für ein Feld … verrückterweise funktionierte es in den Bildern. Fast immer. Außerdem mischten wir im Laufe des Wochenendes viele Rosa- & Pinktöne, Magenta, kalte & warme. Und nix davon war kitschig. Eine Farbe steht ja immer im Kontext zum Umfeld. Spannende Sachen sind entstanden. Schöne Klänge. Neue Klänge. Und eine Farbe mehr auf der Palette mancher der Kursteilnehmerinnen.
War natürlich auch für mich total spannend zu sehen, was da passierte. Meine Antwort entstand ja erstmal aus einer gewissen Genervtheit heraus.
Ich finde ja nicht, dass rosa auch nur ein buntes Grau ist.
Gut wird es doch immer, wenn man es schafft, Klischees zu entfliehen. Naja, letztlich habe ich mir immer schon die Frage gestellt, warum die Palette, die Farbigkeit des einen Malers besser, kunstvoller oder schlechter sein sollte als die Palette des anderen Malers.
Bunt ist kitsch, rosa ist kitsch, Sonnenuntergang ist kitsch, Kuckucksuhr ist kitsch. Kitsch ist kitsch. Ich glaube das alles nicht. Kommt immer auf den Zusammenhang an.
Während meines ersten Studiums an der damaligen FH in Saarbrücken hat mich mein Professor (Robert Sessler) mit seinen Landschaftsaquarellen verblüfft. Ich war ja noch ganz unbedarft damals. Kräftige Farben, orange, gelb, magenta. Ich kannte das so noch nicht. Anfangs dachte ich: „Was macht der da? Ist das nicht zu grell, bunt, kitschig?“ Aber dann hat’s mich irgendwann gepackt.
Hat mich wohl bis bis heute beeinflusst.