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Gedanke
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Die letzten Monate waren nicht immer erfreulich. Da waren ein Festplattencrash & die dritte Coronainfektion noch vergleichsweise unbedeutend & harmlos. An kontinuierliches Arbeiten nicht zu denken.
Irgendwann im Februar saß ich im Atelier & stieß auf das Foto einer Wolke, die ich mehr oder weniger gedankenverloren zeichnete (Zeichnung ganz oben). Eine zweite, größere Zeichnung folgte. Die dritte Zeichnung erfolgte aus der zweiten, ohne die Fotovorlage.
Es ging mir nicht um die Wolke. Die Wolke war nur ein Anlass, ein Auslöser.
Bei der zweiten Zeichnung zog ich meine Striche, verdichtete sie, radierte sie wieder auf, es folgten neue Striche, Kreuzschraffuren, die Ich teilweise wieder ausradierte, um wieder neu anzusetzen. Irgendwann war die Zeichnung fertig.
Die dritte Zeichnung kritzelte ich ohne Fotovorlage nach der zweiten. Die Zeit verging, das Zeichnen war eher ein meditativer Akt, Strich für Strich, ausradieren, neu ansetzen, verdichten, wieder ausradieren … eigentlich brauchte ich das Foto nicht mehr. Es ging weniger um das Ergebnis als um das Tun, das Machen. Die Arbeit. Ein sehr befriedigender Vorgang. Sehr meditativ, sehr befredigend. Sehr befreiend. Und immer sehr konzentriert.
Die Zeit vergeht. Der Tag ist erfüllt. Eine sehr befriedigende Arbeit.
Die „Wolkenzeichnungen“ aus dem März entstanden ohne Vorlagen. Vorlagen sind nur hinderlich in diesem Fall. Ich ließ mich einfach fallen, setzte Line neben Linie, die ich manchmal wieder ausradierte, um danach wieder neu anzusetzen. Schraffieren, radieren, gelegentlich auch wischen, mit Bleistiften verschiedener Härtegrade von HB bis 8B. Die Blätter entstanden von allein.
Ob es nun Wolken sind oder Rauch, Nebel oder nur Graustudien – das sind sie natürlich auch – & so ganz nebenbei lerne ich wieder feinste Nuancen zu beobachten. Ein gutes Training.
Pleasekastel
Vom 25. Juli bis zum 12. August war ich in der Sommerakademie in Blieskastel als Dozent beschäftigt. Mit einer Ausnahme, Tag 1, fuhr ich täglich mit dem Bus – Lob, Preis & Dank dem dem 9-Euro-Ticket. Saarbrücken – Blieskastel – Saarbrücken. Im Bus las ich, guckte aus dem Fenster, kritzelte, manchmal fotgrafierte ich oder ich schlief. Drei intensive Wochen mit motivierten Menschen, in denen ich wieder viel gelernt habe. Einzig unmenschlich in dieser Zeit war die Hitze in Woche zwei. Draußen zu zeichnen in den engen Gassen in Blieskastels Altstadt war selbst im Schatten manchmal unerträglich.
Nachtrag
Ohne Titel, 2022
Öl auf Aquarellpapier, 48 x 36 cm
Diese Arbeit ist Ende Mai für jene Ausstellung entstanden. Dunkler Himmel mit rosa Wolken.
Tagebuch
Irgendwann Mitte März meldete sich das Arschloch Corona wieder. Von einem auf den anderen Moment. Mit Gliederschmerzen, außerdem fühlte ich mich fiebrig, kaputt & zerschlagen. Keine Ahnung, woher der Scheiß das Arschloch dieses Mal kam. Drei Tage ab ins Bett, danach noch zwei Tage rumeiern zwischen Bett & Bettkante. In der Zeit keinen Kontakt mit der Geliebten & Ehefrau, die sich jeden Morgen fleißig testete, aber nicht positiv werden wollte. Ich war eine Woche isoliert, in Quarantäne, mit Maske in der eigenen Wohnung. Wir gingen uns außerhalb meines Zimmers meiner Zelle aus dem Weg. Nach sieben Tagen konnte ich mich freitesten. Zwar immer noch ein wenig angeschlagen, rekonvaleszent, aber am Ende der zweiten Woche einigermaßen hergestellt. Ich habe das Arschloch Corona wieder besiegt. Das Supermanngefühl, das ich nach der überstandenen ersten Infektion hatte, wollte sich aber dieses Mal nicht mehr so recht einstellen. Vielleicht weil mir das Arschloch Corona mittlerweile egal ist, vielleicht, weil der Krieg versucht, sich in meinem Kopf breit zu machen, vielleicht aber auch, weil wir seit Wochen zu sehr mit dem Umzug in eine neue Wohnung beschäftigt waren – im gleichen Haus, kleiner, & mit weniger Zimmern, aber dafür mit einem Balkon zur Ostseite & einem Balkönchen zur Westseite. Also keine andere Stadt, keine andere Straße, kein anderes Haus. Eigentlich locker.
Schon Anfang des Jahres begannen wir mit Ausmisten, Verkaufen, Wegschmeißen & Verschenken von Mobiliar, Büchern, CDs – weiß der Geier. Immer sammelt sich alles an. Unnützes Zeug. Wie von alleine wuchert es in jedem Zimmer, in jedem Schrank, in jedem Regal. Niemand weiß am Ende, woher es kommt. Genau wie das Arschloch Corona.
Und dann mussten noch die alte Wohnung streichen, während gepackte Kisten & zusammengefaltete Möbel planlos & chaotisch in den Räumen transportbereit im Weg standen, mit Folie bedeckt, von einem Zimmer ins andere verschoben. Am Ende die ganzen Kleinigkeiten, der Kram, Geschichten in Form von Gegenständen, Nippes an Wänden, Regalen & Kommoden, für die es keine Kisten gibt. Dinge, die kein Mensch braucht, aber mit jder irgendwelche Erinnerungen verbindet. Erinnerungen, jahrelang nicht präsent & werden wieder ins Gedächtnis gespült. Manchmal sind es auch nur kleine Zettel, Einkaufs- & Notizzettel & Gegenstände, Spielzeug, deren Geschichte ich vergessen habe. Aber ich habe sie trotzdem sehr lieb.
Ich will das alles eigentlich nicht mehr. Streichen, umziehen, alles wieder auspacken, einsortieren. Der ganze Scheiß. Bis alles wieder ausgepackt ist, seinen Raum, seinen Ort gefunden hat & aufgebaut ist. Vielleicht den Schrank doch 10 cm nach links & das Regal ins andere Zimmer. Aber okay. Das ist wie eine Ausstellung aufbauen; jetzt sind wir halt ein paar Tage Installationskünstler. Alles muss neu strukturiert werden. Vor allem die Küche. Jahrelang hat alles funktioniert, war alles eingespielt, die meisten Dinge & Gegenstände hatten ihren festen Platz. Und nun muss die ganze Wohnung neu gedacht werden. Aber allmählich geht es wieder. Ein Kraftakt.
Jetzt geht die Sonne in der Küche auf; das ist wunderschön, morgens draußen zu sitzen mit einem Kaffee & über die neuen, anderen & die alten Geräusche im Innenhof nachzudenken. Und abends mit Pastis & mit Blick in die Kastanienbäume gegenüber. Rechts das Museum, dahinter das Schloss. Ähnlich wie früher, trotzdem anders, ein paar Meter nach rechts verschoben ein Stockwerk höher.
Noch hängt nichts an den Wänden. Das ist sehr seltsam. Aber auch beruhigend. Auch das ist wie ein Neuanfang. Neues Zeugs an neuen Wänden. Ich habe gewisse Hemmungen den ersten Nagel reinzuhauen. Wie vor einer weißen Leinwand, einem weißen Blatt Papier. Apropos. Ja, das geht jetzt auch wieder weiter, das muss ja weitergehen. Wozu macht man das schließlich alles. Es wird auch weitergehen. So vieles geht einfach weiter, trotz der deprimierenden Stimmung allerorten.
Zwischendurch habe ich gezeichnet. Dunkle Zeichnungen.
Was wäre das alles, das ganze Leben, all das Schöne, das Bittere, das Unsagbare, ohne die Zeichnerei?
William
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Sollte meine letzte Arbeit an dieser Serie werden. Ich wollte einfach abschließen mit dem Thema. Leider bin ich nicht fertig geworden. Muss ich also irgendwie noch einmal ran. Nächstes Jahr.
Vielleicht.
William
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2021
Öl auf Leinwand, 24 x 18 cm
Privatbesitz
Ab Mitte Juli hatte ich endlich meine Ruhe vor Batoni. Gestern in der Nacht ist er mir wieder im Traum erschienen. Es ist wie ein Fluch!
Nachtrag
Ohne Titel, 2021
Bleistift, Monotypie, Linoldruck, Aquarell & Öl auf Papier, 63 x 44 cm
Unikat
Ich hatte einfach Lust, noch ein paar Blätter zu dieser Serie zu machen. Bin immer noch angefixt; die Arbeit geht leicht von der Hand & macht außerdem Spaß. Improvisation pur.
Idylle
Wenn man sich – mit dem Auto von Saarbrücken kommend – allmählich dem Allgäu nähert & dann nach einer langen, beschissenen Fahrt auf beschissenen, verstopften Autobahnen, endlosen Baustellen, Stau, Rasern & anderen Autoidioten endlich in Hopfen am See ankommt, ist das, als würde man nach einigen Stunden Schlaf in einer anderen Welt aufwachen.
Die Landschaft wird weich, sanfthügelig & nach diesem feuchten, verregneten Sommer präsentiert sich die Natur saftig & prall, ja geradezu opulent & verschwenderisch – eben: malerisch. Sie zeigt eine große Palette unzähliger, satter Grüntöne, Vögel zwitschern allerorten, Schmetterlinge & andere nervige Insekten schwirren durch die klare, reine Luft, Kühe stehen überall sauber & zufrieden in der Gegend rum & wenn man sich nicht gerade in der Nähe einer Landstraße oder Autobahn aufhält, liegt Ruhe & Frieden über dem Land. Keine störenden Industriegebiete, nur Felder, Wiesen, bewaldetete Bergrücken & natürlich die gute Landluft. Viel Holz. Paradies.
Idylle.
Und Heerscharen von Menschen auf E-Bikes.
Hopfen am See! Wir logieren in einer Wohnung mit Balkon, mit Blick über das friedlich so da liegende Gewässer.
Unweit von Hopfen liegt Füssen. Nach Füssen & Umgebung fahren wir mit dem Fahrrad (ohne elekrische Verstärkung) & kaufen Vorräte & machen kleinere Touren (es gibt ein ausgebautes, funktionierendes Radwegenetz). Alles richtet sich aus nach dem geschätzten Besucher, dem Touristen. Der mag es heimelig, adrett & gepflegt. Spießig halt. Wenn wir nach Füssen fahren, sehen wir gelegentlich Schloss Neuschwanstein, eingerahmt vom Wald, auf einer Anhöhe bei Hohenschwangau. Ich meine: Neuschwanstein! Das ist Disneyland Made in Germany, lange vor Mickey Maus.
Alles ist malerisch, herrlich, prachtvoll & gepflegt. Natur, Landschaft, Dörfer, Städte, die Kühe – alles scheint einfach wie eine große Kulisse, wirkt irgendwie unecht, zu schön, zu sauber, zu glatt gebügelt. Eine Modelleisenbahnwelt. Nix vom abgerotzten Charme Saarbrückens, keine Bettler, keine Obdachlosen, kein Elend, kaum Schmutz, kaum Dreck, noch nicht mal Punks – was bleibt den Menschen hier, in Bayern, anderes übrig, als seit Jahrzehnten die CSU zu wählen? Hier herrscht die Idylle, hier scheint die Welt noch in Ordnung, wie man so sagt. Ein Reservat des schönen Scheins.
Mir ist das zu clean, zu paradiesich. Zu wenig irdisch.
Wie immer auf Reisen hatte ich Blöcke & Farben dabei, um gelegentlich vielleicht die ein oder andere Zeichnung oder auch mal ein Aquarell vor Ort entstehen zu lassen. An Motiven schien es ja zunächst nicht zu mangeln in Hopfen & Umgebung.
Aber schon am Abend des Ankunftstages überfiel mich angesichts dieser Märchenhaftigkeit eine gewisse Landschaftsmalmüdigkeit. Kaum was da, um sich zu reiben. Ich war zu überwältigt, zumal das Wetter auch noch mitspielte. Überall Natur satt & bräsige Gemütlichkeit. Ich gab mich der Überwältigung hin, labte mich an unserem ersten Abendessen in einem viel zu großen Touristen-Restaurant an einer frischen Forelle & viel Wein & ergötzte mich an unserem ersten Sonnenuntergang am See.
Süß der milde Rausch, blaurosaviolett der Himmel das Licht das Wasser. Irgendwo quakte ein Frosch.
So entstanden unter diesen Eindrücken diese Zeichnungen im Skizzenbuch, kratzbürstig, widerspenstig & – so hoffe ich – gar nicht harmonisch, friedlich & idyllisch. Täglich eine, zwei oder auch mal drei. Zwischendurch versuchte ich an dem ein oder anderen Ort, auch mal die Landschaft in den Griff zu kriegen, war aber nix zu machen. Die Überdosis Schönheit & Frieden betäubte mich. Egal. Die Tage im Allgäu waren sehr erholsam.
Neuschwanstein haben wir nicht besucht.
In dtsch. Landen
Ohne Titel, 2016/2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 30 x 40 cm
Privatbesitz
Heute während des Aufräumens diese Arbeit aus dem Jahr 2016 wiederentdeckt. Das Bild entstand nach einem Foto, welches ich aus dem fahrenden Zug aufgenommen hatte. Landschaft, bewegungsunscharf. Stand immer ein wenig abseits, solitär. Irgendwie unfertig. Irgendwas fehlte.
Mit den rosa Wölkchen kann ich jetzt gut leben, auch wenn die Arbeit nach wie vor ein wenig außerhalb steht. Auf die Idee brachte mich jenes Bild – auch aus dem Jahr 2016.
Ich lass das mal so stehen.
2005 (Späte Reue)
Ohne Titel („Harikari“), 2005
Öl auf Leinwand, 160 x 120 cm
In unregelmäßigen Abständen zeige ich Arbeiten aus meiner Vergangenheit, ältere Geschichten.
Heute Morgen in alten Ordnern gewühlt. Ein Bild aus dem Jahr 2005. Leider irgendwann übermalt (aber immerhin vorher noch ein Foto gemacht).
1996
Ohne Titel („Schrat“), 1996
Öl auf Leinwand, 115 x 90 cm
Privatbesitz
1996 studierte ich im vierten Semester an der HBKsaar. Eine leichte, unbeschwerte & vor allem aber fruchtbare Zeit. Ohne das Arschloch Corona. Auch das Wetter war besser in diesen Jahren.
Ich weiß nicht mehr, ob es sich bei obigem Schrat um einen Wald-, Bach- oder Wiesenschrat gehandelt hat. Themen & Bilder waren oft das Ergebnis vieler Übermalungen & flossen manchmal ohne erkennbaren äußeren Anlass aus dem Pinsel. Es ergab sich einfach so. Gelegentlich sehne ich mich nach der Leichtigkeit, Unbedarftheit & sicherlich auch Naivität von damals.
Ich arbeite daran.
Abend & Licht
Ja, so war das heute Abend. Geiles Licht. Geiles Licht macht vieles erträglicher. Links im Anschnitt, der Skandalbau von einst. Ich darf nicht darüber nachdenken, über den sog. Erweiterungsbau. Es ist nicht mehr zu ändern, ich muss damit leben.
Die guten alten Zeiten
Ohne Titel, 2021
Öl auf Papier, 42 x 29,7 cm
Erinnnerungen an Utopien & Sehnsuchtsorte. „Wie in den guten alten Zeiten“ – gute alte Zeiten kommen nicht mehr zurück & waren nicht immer gut.
Ich blätterte in alten Skizzenbüchern, eine gewisse Wehmut umfing mich beim Betrachten alter Skizzen & Zeichnungen, mehr noch als beim Betrachten von alten Fotos.
JS
Ohne Titel („Portrait of John Staples, 1773“, nach Pompeo Batoni), 2021
Farbige Tusche auf Papier, 40 x 30 cm
Zum ersten Mal seit über zwei Wochen wieder im Atelier. Noch nicht ganz auf der Höhe, aber immerhin. Das Arschloch Corona ist noch nicht ganz aus dem Körper & dem Kopf.
Versuch über das Konkrete
Ohne Titel, 2021
Filzstifte, Kugelschreiber auf Zeichenpapier, 29,7 x 21 cm
Während eines Telefonats: Wahrscheinlich wollte ich auch mal was Konkretes machen. Linien ziehen. Horizontal, Vertikal. Auf alle Fälle ist es bestimmt einfacher, in einen Flow zu kommen. Man fasst einen Plan & zieht in durch. Vergisst die Zeit. Und nach dem Telefonat ist die Arbeit getan.
Und das Arschloch Corona.
Auf der Straße
Ohne Titel, 2021
Bleistift, Filzstift in Skizzenbuch (rechte Seite), ca. 25 x 19 cm
Nachtrag:
Aufstehen, duschen, anziehen. Auch, wenn es sich noch unwirklich anfühlt. Wie nach einer Grippe. Oder kommt da noch was? Ich hoffe nicht. Schlapp. Trockener Husten. Das reicht. Wenigstens seit zwei oder drei Tagen kein Fieber mehr.
Aus dem Fenster gucken & zeichnen. Kann man öfter machen. Heute aber eher Verpflichtung als Kür. Dinge zurecht rücken.
Belanglosigkeiten. Aber hey! Ich lebe noch!
Turnstunde
Ohne Titel, 2021
Bleistift in Skizzenbuch (rechte Seite), ca. 25 x 19 cm
Je ohne Titel, 2021
Bleistift, Filzstift in Skizzenbuch (rechte Seite), ca. 25 x 19 cm
Nachtrag:
Zum ersten Mal aufgestanden seit sechs Tagen & dem positiven Ergebnis & ein wenig gezeichnet.
Schlapp.
Die Geliebte & Ehefrau (unten) turnt vor & dem Bildschirm (oben). Fühlt sich sehr unwirklich an & weit weg.
Überhaupt: Wer zeichnet da eigentlich?
Neue Mütze
Ohne Titel („Guten Morgen mit neuer Mütze“), 2021
Bleistift & Ingwertee auf Papier, 29,7 x 21 cm
Heute ist schon der 18. Januar & mein Kopf ist immer noch nicht im neuen Jahr angekommen. Körperlos mäandere ich immer noch in einem Raum zwischen den Jahren. Dieser Raum ist gleichzeitig innerhalb & außerhalb meines Kopfes. Ich wandere zwischen Wohnung & Atelier hin & her & komme doch nirgendwo an.
Alles was ich den ganzen Tag treibe & tue, treibt & tut ein anderer. Als wäre ich lediglich Beobachter meines Tuns & Treibens.
Mich fröstelt ein wenig; aber noch habe ich kein Interesse, diesen Zustand zu ändern.
John
Ohne Titel („John Chetwynd-Talbot, 1st Earl Talbot“, nach Pompeo Batoni), 2021
Tusche, Bleistift in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Statt 13.01.21 mit 13.11.21 signiert. Und das ist nicht das einzige Blatt in den letzten Tagen. Ich bin meiner Zeit voraus, was nichts anderes bedeuted, als dass ich nicht im hier & jetzt bin.
Euch allen
Ohne Titel, 2020
Bleistift in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Endlich wieder zeichnen. Die letzte Zeichnung in diesem Jahr. Der eigene Kopf bietet sich an. Eine schnelle Skizze nach einem Selfie. Gestern habe ich mich nach vier Wochen wieder geschert & rasiert. Für drei Minuten blieb ein Mittelding zwischen Fu Manchu & Walross stehen. Länger nicht, die Geliebte & Ehefrau drohte mit der Scheidung.
Ich hoffe für uns, dass das Arschloch Corona im Lauf der Zeit sowohl aus unseren Aerosolen als auch aus unseren Köpfen verschwindet!
Euch allen einen guten Start ins neue Jahr!
Bleibt gesund!
Fam.-Porträt
Je ohne Titel, 2020
Acryl, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm
Im Hintergrund jene Wandmalerei: „Locked off“
Eine Familie – Vater, Mutter, zwei Söhne, eine Tochter, eine Schwiegertochter, ein Schwiegersohn, vier Enkel & ein Hund. Für jedes Kind ein Familienporträt mit allen elf Mitgliedern der Familie sowie dem Hund. Ein verrückter Auftrag, der mich für ca. vier Monate des Jahres komplett absorbierte.
Anfangs dachte ich noch, ich könnte parelell an eigenen Projekten, Bildern, Ideen oder Zeichnungen arbeiten, musste aber schnell feststellen, dass diese drei Bilder hundert Prozent Zuwendung, Hingabe, Aufmerksamkeit, Freude, Liebe, Kaft & Energie benötigten. Gelegentlich ein paar Skizzen ins Skizzenbuch, eine kleinere Arbeit auf Leinwand, eine Zeichnung – das war es dann aber auch schon. Gut, es gab Tage, da mussten Farbschichten trocknen oder ich wusste nicht weiter, dann konnte ich mich auch mal wieder eigenen Ideen & Gedanken widmen. Zwischendurch, vor allem, wenn ein größer Abschnitt oder ein ganzes Bild fertig wurden, nahm ich mir auch mal ein oder zwei Wochen eine Auszeit. Außerdem musste ich auch andere Projekte vorantreiben. Aber die Portäts waren immer in meinem Kopf, immer präsent.
Zwischendurch wollte ich auch schon mal aufgeben, alles hinschmeißen. Konnte einfach keine Gesichter mehr sehen. Dann musste ich mich wieder irgendwie in eine positive Mal-Stimmung bringen. Das gelang dann gegen Abend mit einem einfachen Côtes du Rhône oder auch mit einem rauchigen Whisky. Tagsüber klappt das nicht, da funktionieren andere Strategien. Manchmal reichte ein Spaziergang, um den Blick auf ein Bild zu ändern.
An manchen Tagen flossen die Augen, Nasen & Münder einfach so aus dem Pinsel. An anderen Tagen ging überhaupt nichts. Das hieß, am folgenden Tag die Ergebisse des Vortages abwischen, wieder von vorne anfangen. Vor jedem Kopf die gleichen unangenehmen Fragen: Mit welcher Farbe fange ich an? Mit welchem Detail beginne ich? Wird das überhaupt was?
Dreiundreißig Gesichter & drei Hunde. Gleichmäßig verteilt auf drei Bilder.
Eigentlich wäre ich gerne zu Weihnachten fertig geworden. Eine Zeit lang sah es auch wirklich so aus, als könnte das klappen. Locker. Hat aber nicht geklappt. Man kann ja in der Malerei keine Schritte überspringen. Das Scheitern muss ebenso wie das Gelingen gemalt werden. Ich weiß ja noch nicht wirklich, was passieren wird, wenn ich den Pinsel mit Farbe auf die Leinwand drücke. Ich habe zwar eine gewisse Vorstellung, aber die bedeutet in Anbetracht der Unwägbarkeiten nichts.
Der klaffende Spalt zwischen Vorstellung & Wirklichkeit kann ja nicht immer wieder mit ein bisschen Kadmiumgelb dunkel zugeschmiert werden. Obwohl Kadmiumgelb dunkel zugegebenermaßen eine extrem geile Farbe ist & ich nicht übel Lust hätte, demnächst eine Leinwand mit den Maßen 200 x 280 cm ausschließlich mit diesem Pigment zuzuschmieren. Monochrom, wie man so sagt, radikale Malerei.
Außerdem ballert Dich das Leben immer wieder unverhofft & unerwartet aus der Bahn. Braucht man nicht extra zu erwähnen. Ist aber so.
Es war eine lehrreiche Zeit & ich bin glücklich. Glücklich, dass ich diesen Auftrag bekommen habe, glücklich, dass ich die Bilder malen durfte & glücklich, dass ich nun, zum Ende dieses Jahres, das ganz & gar im Zeichen des Arschlochs Corona stand, doch noch fertig geworden bin.
Ich hoffe, es ist eine Verheißung: dass das kommende Jahr ein gutes Jahr wird. Vielleicht irgendwann ohne das Arschloch Corona.
Herbsthimmel
Irgendwo im Bliesgau. Ein Himmel voller Mücken. Mittlerweile bin ich froh um jedes Insekt. Ausnahmslos.
1990 (Akt)
Ohne Titel, 1990
Bleistift, Buntstifte auf Papier, 42 x 29,7 cm
Eine Aktzeichnung aus dem Jahr 1990. Ich wohnte zu der Zeit in Ludwigsburg. Einmal pro Woche besuchte ich das Aktzeichenangebot des Kunstvereins. Drei Stunden ruhiges, konzentriertes Arbeiten. Es gab einen Kursleiter, aber der zeichnete selbst & reagierte nur auf Ansprache. Zwischendurch eine Pause, Austausch, Gespräche & ein Bier aus dem Getränkeautomaten.
Dieses Aktzeichnen vermisse ich sehr.
Während meiner Kurse zeichne ich eigentlich nicht; ganz selten entsteht mal eine schnelle, flüchtige, eher beiläufige Zeichnung.
Aus dem Gedächtnis: William
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2020
Bleistift in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Nachmittags ein wenig in der großen Stadt rumgeschlendert. Später dann auf zwei Gläser Weißwein in der Kneipe. Es ist warm; man sitzt draußen. Ein neues Skizzenbuch begonnen mit einer Zeichnung: Colonel the Hon. Aus dem Gedächtis. Funktionierte erstaunlich gut.
Lockerung
Je ohne Titel, 2020
Bleistift in Skizzenbuch, ca. 21 x 26 cm (geöffnet)
Seit heute dürfen wir wieder irgendwo in einer Kneipe oder einem Restaurant sitzen. Natürlich mit Einschränkungen; Hygiene- & Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Die Bedienung trägt Maske; wir füllen einen Zettel mit persönlichen Daten & spielen Normalität. Natürlich ist nichts wie vorher, denn das Arschloch Corona, das man nicht sieht, nicht schmeckt, nicht riecht & nicht fühlt, lauert überall. Vor allem im Kopf.
Nach dem zweiten Côtes du Rhône werde ich lockerer.
Zeichnen hilft, auch wenn man scheitert.
Symbolbild
Früher konnten wir auf dem sog. Treidelpfad, der parallel zur Saar verläuft, einfach mal so mit dem Fahrrad von Saarbrücken nach z. B. Sarreguemines (Saargemünd) fahren. Ich kenne das überhaupt nicht anders. Es war schon immer so.
Wegen des Arschlochs Corona ist jetzt erst einmal bis auf weiteres hinter der Schleuse in Güdingen Schluss. Die Grenze ist wieder sichtbar die Grenze. Nix bienvenue, nix willkommen.
Merde!
Aus Solidarität mit meine französischen Freundinnen & Freunden trinke ich täglich ein Glas Pastis.
„Á votre santé, mes frères et soeurs en France! A bientôt!“
Für E.
Ohne Titel, 2020
Bleistift, Filzstift auf Briefpapier, 29,7 x 21 cm
Zur Zeit schreibe & zeichne ich wieder Briefe & Postkarten. Grüße an Menschen, die ich nun länger nicht mehr gesehen habe & denen auf einem anderem Wege als über das Internet Lebenszeichen übermitteln möchte. Ich sitze zu Hause oder im Atelier & kritzle & schreibe. Ich vergesse die Zeit. Befinde mich während vielerlei Tätigkeiten – vorwiegend des Kritzelns, Schreibens & Malens – in einem „leck-mich-doch-am-Arsch-Modus“.
Klammer auf: Ich klammere – hihihi – dann sogar das existenziell finanzielle Problem, was mit zunehmender Dauer des Ausnahmezustandes unweigerlich kommen wird, wenn nichts Entscheidendes passiert, einfach aus. Es ist außerhalb meines Horizontes. Außerhalb meiner Wahrnehmung. Scheißegal. Lasse mich treiben von meinen Befindlichkeiten & Interessen. Sämtliche Tätigkeiten, mit denen ich in aller Regel den Grundbedarf an Geld verdiene, nämlich Lehraufträge, Zeichenkurse usw. sind gestrichen, ausgesetzt oder verschoben. Bilder wird bestimmt niemand kaufen wollen; Ausstellungen sind geschlossen oder werden verschoben. Klammer zu.
Bitte nicht falsch verstehen: Nichts ist positiv am Arschloch Corona.
Aber die Einschränkungen und Ungewissheiten während des Lockdowns, so beklemmend und surreal alles ist – sie verändern meine Wahrnehmungen.
Ich zeichne und male mittlerweile wieder fast täglich im Atelier. Meine Haltung kann ich ganz gut mit Gleichmut & Lakonie beschreiben. Während der Arbeit: Selbstvergessenheit im besten Sinne. Plötzlich keine Termine mehr, kaum Verpflichtungen.
Außerdem gehe ich fast täglich mit der Geliebten und Ehefrau spazieren. Oder wir fahren mit dem Fahrrad durch die Stadt. Beim dem Versuch, Begegnungen zu vermeiden, entdecken wir Straßen und Wege, die wir noch nicht kannten. Der sogenannte Alltag, gewohnte Strukturen, ordnet sich neu. Ich nehme Dinge anders wahr und nehme andere Dinge wahr. Der reduzierte Verkehr, die fast leeren Straßen – alles erscheint langsamer und stiller.
Das Leben als ruhiger Fluss.
Ich versuche, das alles positiv zu sehen. Sonst würde ich verrückt werden.
Kaffeezeichnung
Henri Rohr/Armin Rohr
Ohne Titel, 2020
Mischtechnik auf Papier, 29,7 x 21 cm
Auf dem Frühstückstisch lag dieses Blatt, welches mein Sohn vor einigen Tagen begonnen hatte. Ich habe es während zwei Tassen Kaffees ergänzt …
Saar
Die Saar. Ausnahmsweise mal nicht in Grosbliederstroff, sondern in Saarbrücken, fotografiert von der Alten Brücke aus. Niemand darf zur Zeit mit dem Fahrrad an der Saar entlang nach Frankreich fahren. Arschloch Corona sei Dank. Hinter der Schleuse in Güdingen ist wieder die Grenze. Unvorstellbar! Wozu eigentlich? Das Virus wechselt doch die Grenze wie es will.
Coke
Ohne Titel („Thomas William Coke“, nach Pompeo Batoni), 2020
Bleistift, Öl auf Papier, 42 x 29,7 cm
Privatbesitz
Ohne Titel („Thomas William Coke“, nach Pompeo Batoni), 2020
Bleistift, Öl auf Papier, 42 x 29,7 cm
Beim Blättern in alten Kunstbänden jenes Bild von Pompeo Batoni entdeckt, was mir ziemlich typisch für seine Porträts erscheint. Fiel mir ins Auge, die räumiche Situation, die Skulptur im Hintergrund, die Hell-Dunkel-Kontraste. Das Irgendwie-Banale in dem Bild. Hätte nicht übel Lust, mich mal in sowas hineinzufuchsen.
DFG
Ohne Titel, 2020
Bleistift in Skizzenbuch, ca. 17,5 x 24 cm
Spaziergang im Deutsch-Französischen Garten. Bilderbuchwetter, kaum Menschen. Um so besser. Das macht es leicht, Abstand zu halten. In Saarbrücken treffe ich überall Menschen, die ich kenne, so auch hier. Wir behalten den Abstand bei, mindestens sechs bis zehn Meter. Rufende Unterhaltungen. Corona das Arschloch ist natürlich überall das Thema. Bohrt sich in die Köpfe, beeinflusst unser Denken & Handeln.
Aber es geht uns gut. Wir haben zu essen & zu trinken, ein Dach über dem Kopf. Viele scheinen Klopapier zu horten. Klopapier ist uns scheißegal. Bei uns dürfen Wein, Whisky & Pastis nicht versiegen.
Alles andere findet sich. Hoffen wir.
Trotzdem: Unsere Realität war noch niemals surrealer wie in den letzten Tagen.
Wir sagen nicht mehr Tschüss oder auf Wiedersehen, sondern: Bleibt gesund!
Auf dem Land
Ohne Titel, 2020
Bleistift, Filzstift in Skizzenbuch, ca. 17,5 x 24 cm
Heute Mittag im Garten auf dem Land. Bei der Verwandtschaft. Wahrscheinlich zum letzten Mal. Alle mit Abstand. Überall ist das Arschloch Corona. Vor allem im Kopf. Rückt mir jemand auf die Pelle, halte ich unwillkürlich die Luft an. Zumal in Geschäften. Scheißendreck!
Früh
Ohne Titel, 2020
Bleistift in Skizzenbuch, ca. 17,5 x 24 cm
Während des Frühstück gezeichnet. Im Atelier werde ich auf unbestimmte Zeit wahrscheinlich nicht mehr arbeiten. Obwohl mir der Ort sehr sicher scheint; ich bin da nämlich den ganzen Tag allein. Aber das Arschloch Corona drückt auf die Stimmung. Ich zeichne zu Hause.