Ohne Titel, 2018
Öl auf Leinwand über Karton, 24 x 18 cm

 

Im Oktober 1994 begann ich mit einem Studium der Malerei an der HBK Saar in Saarbrücken – ich hatte die Vorstellung, erst mal zwei Semester lang zu malen & zeichnen. So oft & wann immer es geht. Um dann nach einem Jahr weitere Entscheidungen treffen.

Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, immer schon gezeichnet. Mal mehr, mal weniger. Als Kind, als Jugendlicher, in der Schule – meistens in Kunst fernen Fächern. Latein, Mathematik, Religion. Irgendwie bin ich dabei geblieben, bei der Zeichnerei. Habe einfach nie aufgehört. Während meiner Zeit im Zivildienst zeichnete ich wenig. Aber danach wieder um so mehr.

In der Malerei hatte ich mich bis zum Beginn meines Studiums an der HBK selten versucht; die Versuche erschienen mir dilletantisch, stümperhaft & nicht sehr befriedigend. Ich wilderte in unterschiedlichen Gefilden, ohne zu wissen, was ich da überhaupt tat & was ich überhaupt wollte.

Meine Eltern schenkten mir zum dreizehnten Geburtstag einen Kasten mit Ölfaben, eine Staffelei & ein paar Malpappen. In der Küche unserer engen Mietwohnung malte ich die ersten Bilder. Galoppierende Pferde, Stillleben & ein missglücktes Selbstporträt. Es roch nach Terpentin & Leinöl & irgendwann war es meiner Mutter zuviel, weil das Essen angeblich nach Terpentin schmeckte. Außerdem war trotz Zeitungsabdeckung immer der Boden mit Farbe zugesaut. So verschwanden die Utensilien irgendwann im Keller.

Bevor ich an der 1994 HBK begann, studierte ich Grafik-Design an der FH in Saarbrücken. Eine Kunsthochschule gab es noch nicht. Und ein Studium außerhalb des Saarlandes zog ich irgendwie nicht in Betracht. Außerdem war ich sowieso ahnungslos.

Wenn es nach meinen Eltern & dem Arbeitsamt gegangen wäre, hatte ich drei Optionen:

1. eine Banklehre
2. eine Lehre zum Druckvorlagenhersteller
3. eine Lehre zum Backwarengestalter

Grafikdesign war laut meiner Arbeitsberaterin auch brotlose Kunst & Kunst in einer anderen Stadt außerhalb des Saarlandes Zeitverschwendung, weil noch brotloser als brotlos. Kam also überhaupt nicht in Frage. Zugegebenermaßen hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Plan von irgendwas. Nur eines war klar: Die drei Vorschläge meiner Eltern & meiner Arbeitsberaterin fand ich inakzeptabel. Ich machte mein Fachabitur & begann ohne Plan ein Grafikstudium – übrigens damit verbunden die sagenumwobene Grundlehre bei Prof. Oskar Holweck. Aber das ist eine andere Geschichte.

Im Laufe des Studiums erkannte ich, dass ich weder als Grafiker & Sklave in einer Werbeagentur noch als selbstständiger Grafiker & Einzelkämpfer arbeiten wollte – trotz eines nicht von der Hand zu weisenden Talentes, was die Illustration & das Layouten betraf.

Ich unterbrach das Studium für ein Jahr, in dem ich nur zeichnete, aquarellierte & gelegentlich auch versuchte zu malen.

Es zog mich immer mehr zur freien Zeichnung & zur Malerei – wenn ich auch nicht genau wusste, wie ich mir das Leben eines Künstlers überhaupt vorzustellen hatte & was man da von morgens bis abends so tut. Außer halt malen & zeichnen.

Denn auf die zeitgenössische Kunst stieß ich nämlich vergleichsweise spät in meinem Leben. Museumsbesuche gehörten in unserer Familie nicht zum sonntäglichen Bildungsprogramm. In meiner Jugend hatte ich Kontakt mit dem Impressionismus, dem Expressionismus, Salvatore Dali & Picasso. Der Kunstunterricht in den Schulen, die ich besuchte, fiel meistens aus – außer während der ersten drei Jahre auf dem Gymnasium bei Erwin Steitz, der mittlerweile sogar mein Kollege ist. Wenn Kunstunterricht darüberhinaus je stattgefunden hat, kann ich mich kaum daran erinnern & hat mich in keinster Weise geprägt oder beeinflusst. Die Kunsttheorie beschränkte sich auf Romanik, Renaissance, Barock. Darüber hinaus war alles weitere ein schwarzes Loch. Pop Art war bunt. Vielleicht noch Beuys – ohne wirklich genaueres verstanden zu haben. Ich hörte von Butter- & Fettecken sowie von unkundigen Putzfrauen gereinigte Badewannen.

Ich glaube, es war so um 1980 – ich besuchte mit Freunden während eines kurzen Parisaufenthaltes das Centre Pompidou. Es war eine Begegnung der dritten Art, die mich verwirrte. Allein die Architektur erschien mir wie eine Art Raumschiff von einem anderen Planeten, gefüllt mit Dingen, die ich noch nie gesehen hatte & auch nicht so richtig einordnen konnte. Zeitgenössiche Kunst. Es war die Zeit vor meinem Design-Studium, während meines Zivildienstes.

Konzepte oder gar eine höhere Vision hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine, aber nach dem ich das Grafik-Studium abgeschlossen hatte, bewarb ich mich an verschiedenen Hochschulen & Akademien um einen Studienplatz für Freie Kunst. Nach einigen Jahren & vielen Absagen („Wir brauchen hier junge, formbare Menschen“ oder: “Machen Sie doch Ihr Ding allein, wozu brauchen Sie noch eine Akademie?“), in denen ich witzigerweise überwiegend als Illustrator & Designer für unterschiedliche Agenturen & eigene Kunden in Saarbrücken & Stuttgart arbeitete, klappte es dann in Saarbrücken an der HBK Saar (nachdem ich drei Jahre zuvor schon einmal abgelehnt worden war).

Das Studium an der HBK in der Malklasse von Bodo Baumgarten bedeutete vor allen Dingen eines: Ich hatte einen Arbeitsplatz, „mein“ Atelier, von morgens bis nachts malte ich Bild um Bild. Während der Semesterferien waren sowohl Atelier als auch die HBK verwaist. Keine Professoren, kaum Studenten. Ein riesiges Atelier für mich allein. Das war ziemlich cool. Ich hängte immer alle Bilder der Kommilitonen ab & hatte drei Monate meine Ruhe. Während meiner Jahre als Freelancer hatte ich Geld gespart; damit konnte ich, wenn ich einigermaßen bescheiden lebte, ungefähr drei Semester ohne Job überleben. Ein Grundstudium bei Prof. Sigurd Rompza blieb mir Gott sei Dank erspart. Über Baumgartens Arbeit war mir vor dem Studium übrigens wenig bekannt. War aber auch egal, ich wollte sowieso nur malen & Kurse belegte ich aussschließlich nach Interessenlage. Nach der Zwischenprüfung hielt ich mich nur noch im Atelier auf & malte. Allmählich mutierte ich zum Faktotum in der Malklasse.

Zu Beginn des siebten Semsters plante ich den Ausstieg aus dem Studium. Ich nahm noch am Rundgang zum Ende des Wintersemesters teil & flüchtete dann ohne Abschluss in mein eigenes Atelier.

Das war eine gute Entscheidung. An der HBK wurde es für meine Bedürfnisse immer enger, außerdem wollte ich in Ruhe arbeiten, was im Maleratelier der Hochschule schon immer mit Schwierigkeiten verbunden war. Es war eine schöne Ateliergemeinschaft & eine fruchtbare Zeit, aber oft laut & chaotisch.

Außerdem hatte ich schon während meiner Zeit an der HBK viel Glück. Einzelausstellungen in kleinen, eher unbedeutenden Galerien, Förderstipendien, Kunstpreise, Bilderverkäufe, Bilderankäufe, Kunst-am-Bau-Projekte. Es war Zeit für mein eigenes Atelier. Für diesen Schritt belohnten mich Bodo & die HBK offiziell & per Urkunde mit dem Titel „Meisterschüler“. Ich war der erste Meisterschüler bei Bodo Baumgarten & der einzige Meisterschüler in den Annalen der HBK ohne Diplom.

Nach wie vor hatte ich keine Strategie & agierte eher spontan & aus dem Bauch. Meistens rief irgendjemand an, schlug mich für irgendein Projekt vor oder irgend jemand sprach ohne mein Wissen eine Empfehlung aus. Gut, ich bewarb mich um Ausstellungen in Kunstvereinen, städtischen Galerien & anderen Institutionen außerhalb des Saarlandes. Was gut funktionierte & funktioniert.

Ob Kunst-am-Bau-Projekte, kleinere regionale Kunstpreise oder auch Bilderverkäufe – rutschte allerdings eher zufällig als geplant in das Malerbusiness. Nein, es ist keine Koketterie – bis zum heutigen Tag existiere als Künstler ich nur wegen der andauernden Verkettung von glücklichen Umständen. Als Grafiker arbeitete ich irgendwann nicht mehr. Hin & wieder führe ich Auftragsarbeiten aus. Meistens Porträts.

Anfangs beteiligte ich mich an Wettbewerben oder suchte Kontakt mit Galerien außerhalb der Region. Oder ich bewarb mich um ein Stipendium, um einen Kunstpreis. Hat auch mal funktioniert. Mittlerweile verschwende ich meine Zeit nur noch selten mit solchen Dingen. Verschicke kaum Bewerbungen, schon gar nicht an Galerien. Kunstpreise interessieren mich nicht mehr. Da öffne ich lieber ein Flasche Wein & betrachte eine schöne Landschaft. Oder fange ein neues Bild an. Oder gehe mit meiner Frau spazieren. Ich bin kein guter Netzwerker. Schon gar kein Geschäftsmann. Oder gar ein guter Verkäufer.

Immer wieder muss ich, wie die meisten meiner Kollegen, neue Strategien finden, um mein Überleben zu sichern. Ich war noch nie im Leben irgendwo angestellt.

Malerei, Zeichnung & unzählige andere Tätigkeiten, über die ich lieber den Mantel des Schweigens hänge. Oder vielleicht doch mal ein Buch schreibe? Es ist ein Mäandern durchs Leben, ein Zickzack, machmal ein Stolpern & Holpern, ein Hinfallen & wieder Aufstehen – alles andere als ein gradliniger Weg. Natürlich kostet diese Art zu Leben viel Kraft & Energie, ich bin ja auch noch Ehemann & Vater, verbringe außerdem viel Zeit mit Einkaufen, mit Kochen & mit anderem Haushaltsdingenskram. Die Organisation des alltäglichen Lebens.

Vor einem Jahr war ich vertretungsweise für zwei Monate Lehrer an einem Saarbrücker Gymnasium. Nicht, dass ich das unbedingt wollte – man kam auf Umwegen auf mich zu – & nicht, dass es eine schlechte Erfahrung gewesen wäre. Die Kinder waren alle sehr lieb & manche sind mir in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen. Aber ich bin froh, mich vor über zwanzig Jahren gegen diesen Job entschieden zu haben. Lehrer ist man, weil man dazu berufen ist. Künstler wird man, weil man malt oder zeichnet oder andere merkwürdige Dinge tut. Man tut diese Dinge & denkt lieber nicht darüber nach, warum man sie tut. Vielen anderen Menschen erscheinen diese Tätigkeiten sinnlos. Sie arbeiten, verdienen Geld & genießen dann ihr verdientes Geld, wenn sie Feierabend haben oder fahren damit in Urlaub. Oder gehen ihren Hobbys nach. Hobbys habe ich keine.

Ich renne, so oft es geht, ins Atelier. Manchmal denke ich dort nur über meine Arbeit nach. Schaue auf weißes Papier & überlege.

Ich führe kein Leben als Malerfürst, falle nicht aus der Rolle durch übermäßigen Kokainkonsum, aber ich trinke außerordentlich gerne Wein & Pastis, gelegentlich einen Whisky, je rauchiger, je torfiger desto lieber. Aber immer in Maßen. Ich glaube, kein Alkoholiker zu sein.

Ich fühle mich gesund, allein meine Hüften quälen mich manchmal, trotzdem ich noch sehr jung an Jahren bin.

Ich möchte meine Arbeit (& ich sage jetzt nicht Kunst!) machen. Malerei & Zeichnung. Nicht mehr & nicht weniger. Mich erfüllt das mehr als genug. Die „Kunst“ erscheint mir oft sehr weit weg, noch weiter weg ist das „Betriebssystem Kunst“ & der sog. Diskurs. Ist mir fast egal. Gerade mal so viel, dass ich weiß, wie andernorts der Stand der Dinge ist.

Erfolg ist eine zweischneidige Sache. Manch ein Kollege oder manch eine Kollegin hat sich in jungen Jahren viel vorgenommen. Auf sogenannten Erfolg fixiert. “Ich will berühmt werden!“ Am besten in Berlin. Was bedeuted Erfolg eigentlich? Bedeuted es, berühmt zu sein & viel Geld zu verdienen? Bedeutet es, viele fleißige Assistenten zu haben, die die Bilder malen? Eine Sekretärin anzustellen & sich nur noch um die schönen Dinge zu kümmern? Hat man vielleicht ein Atelier in Berlin & eines in New York?

Natürlich, für einen kurzen Moment hofften die meisten damals in unserem Atelier an der HBK – ich kann mich davon nicht ausnehmen – allein vom Verkauf ihrer Bilder & Artefakte zu leben. Wir hofften auf einen guten Galeristen, vielleicht auch mehrere, die uns das Geschäftliche aus der Hand nehmen würden. Man ginge täglich ins Atelier, malte seine Bilder & bräuchte sich um nichts mehr zu kümmern.

Läuft! Wie man so sagt zur Zeit.

Aber so läuft das nicht. Nicht in den wenigsten Fällen. Es ist auch normal, dass es nicht so läuft. Künstler, die von ihrer eigenen Arbeit leben, vom Verkauf ihrer Arbeiten, sind die Ausnahmen. Die sind äußerst selten. Zufall, wenn man einen trifft. Man trifft auch keine Autoren, Schauspieler oder Musiker, die von den Früchten ihrer Bestseller, ihrer Arthousefilme oder ihrer Lieder leben. Was nicht heißt, dass in manchen Jahren der Verkauf nicht sehr gut funktioniert, überraschend gut. Um dann aber in einem anderen Jahr überraschend scheiße zu laufen.

Seit vielen Jahren unterrichte ich an der HBK in Saarbrücken das Zeichnen. Diese Arbeit finde ich sehr inspirierend. Ich lerne sehr viel darüber, wie Menschen Dinge betrachten & wie sehr das Betrachten & das Erzählen, nämlich das Gucken, Zeichnen, voneinander abweichen. Dann versuchen wir gemeinsam, diese beiden Dinge deckungsgleich zu machen (obwohl die linkischen, unabsichtlichen Abweichungen oft die interessanteren Ergbnisse produzieren). Um dann vielleicht irgendwann eine eigene Sicht auf die Dinge zu entwickeln & ganz bewusst mit Abweichungen zu gestalten. Um vielleicht über die Zeichnerei die Dinge oder die Welt besser zu verstehen, zu begreifen. Jedenfalls hat mir das immer wieder geholfen. Dazu muss man das genaue Hingucken lernen, immer wieder. Vielleicht gucke ich dann auch in anderen Bereichen genauer hin. Ich glaube das einfach. Das ist mein Credo.

Oft frage ich, wenn ich die Zeichnung einer Studentin oder eines Studenten betrachte: „Ist das Zufall oder Absicht, was da entstanden ist?“ Ich glaube an den Zufall. Beim Zeichnen allerdings sollte man sich nicht nur auf den Zufall verlassen.

Der Lehrauftrag bereichert mich; ich lerne sehr viel während der Zeichenstunden. Über die Art, wie junge Menschen ticken & wie sich die Kunst & das Denken über die Kunst verändern. Vor allen Dinge erfahre ich viel über mich & meine Arbeit.

Das Herstellen von künstlerischen Artefakten ist übrigens tatsächlich oft brotlos. Da hatte die Arbeitsberaterin recht. Berühmt, reich an Geld & Erfolg sind immer die anderen. Obwohl es immer wieder Jahre gibt, in denen ich sehr viel verkaufe oder auch mal ein größeres Kunst-am-Bau-Projekt einen warmen Geldregen für die nächsten Monate bringt – im Jahr danach läuft dann wieder gar nichts. Das ist fast schon Gesetz.

Ich denke oft über Erfolg nach. Erfolg heißt nämlich nicht nur fette Verkäufe, einen fetten Galeristen & fette Kohle. Im Gegenteil. Je länger ich als Künstler unterwegs bin (oder manchmal sehr umständlich versuche, unterwegs zu sein), desto schwieriger wird es, Erfolg zu definieren. Eine Definition könnte lauten: Wie gut, dass ich noch unterwegs bin. Ich kann meine Arbeit machen. Bilder malen. So oft es geht bin ich im Atelier. Es ist doch überhaupt ein Glück, dass das seit Jahren funktioniert, ohne dass ich wirklich dafür eine Erklärung habe.

Künstler wie Richter, Baselitz oder Jeff Koons sind glückliche Gewinner in der großen Kunstmarktlotterie. Außerdem gnadenlose Selbstvermarkter & bestimmt auch gute Kaufleute. Und: sie habenihre Karriere nicht in Saarbrücken gestartet. Ich bin ja sogar im Saarland geblieben (was vielleicht doch nicht die verkehrteste Entscheidung war).

Es gibt übrigens mehr Galeristen, die nicht oder kaum von ihrer Tätigkeit als Galerist leben, als man vermutet. Eine Galerieausstellung ist schön & gut, aber nicht immer der finanzielle Burner. Kleine Galerien verkaufen an Kunstinteressierte, vielleicht mal an eine Bank oder an kleinere Unternehmen. Richtige Sammler, ich meine wirklich richtige Sammler, trifft man da selten.

„War eine schöne Ausstellung, ich verstehe nicht, warum niemand was gekauft hat.“ Aber es gibt auch Ausnahmen.

Nur ein Bruchteil der Galerien bewegt sich auf internationalem Parkett, ist regelmäßig auf Messen anzutreffen & kümmert sich um einen kleinen, erlauchten Kreis von Künstlern. Nicht wenige Galerien versuchen sich gelegentlich auf kleineren Messen & oft ist es ein Verlustgeschäft. Bei vielen Galeristen ist es ähnlich wie bei vielen Künstlern: Ihr Herz brennt für die Kunst, aber sie sind keine Kaufleute.

Ich gehe übrigens nicht nur ins Atelier wenn ich Lust habe. Ich gehe auch ins Atelier, wenn ich keine Lust habe. Wer hat denn schon Lust, permanent zu arbeiten, wenn er auch was anderes machen könnte?

Das empfinde ich als Privileg.

Meine Arbeit erfüllt mich mit Freude & Glück. Ich arbeite gern. Ich fühle eine tiefe Befriedigung, wenn ein Bild oder auch nur eine klitzekleine Zeichnung fertig ist & wenn die Arbeit außerdem einigermaßen gelungen ist.

Was nicht heißt, dass ich zufrieden bin. Ich bin selten zufrieden. Ich bin sogar meistens unzufrieden. Aber meistens bin ich glücklich beim Betrachten meiner Bilder. Für eine kurze Zeit. Es wundert mich immer wieder, wenn etwas Brauchbares entstanden ist. Das ein oder andere Bild aus den letzten Jahren war gar nicht so schlecht. Und außerdem viele kleinere Papierarbeiten. Und manche Wandmalerei. Glaube ich.

Ich kann mich an lapidaren, beiläufig entstanden Skizzen erfreuen. Der Geruch von Leinöl & Terpentin hängt in meinen Kleidern. Ich beobachte gerne Dinge, Menschen oder auch die Natur in Hinblick auf ihre Tauglichkeit für ein Bild oder eine Zeichnung. Manchmal fotografiere ich. Ich schreibe gerne mit Füllfederhalter auf Papier. Es müssen nicht immer große, epische Leinwandarbeiten sein. Es müssen auch nicht immer meine eigenen Bilder sein, an denen ich mich errege. Im Gegenteil! Ich gehe gerne in Ausstellungen & betrachte & bewundere die Arbeit vieler Kolleginnen & Kollegen.

Ich bin einfach bildergeil.

Meine eigenen Bilder betrachte ich seit jeher als in Form gebrachte Zweifel, zumindest als zweifelnde Fragen an das Leben, ohne je eine Antwort erhalten zu haben. Verrückterweise frage ich ich immer wieder aufs Neue, obwohl ich weiß, dass ich niemals eine Antwort erhalten werde. Von Bild zu Bild werden die Zweifel aufs Neue geschürt.

Der Zweifel ist nichts anderes als eine anthropologische Grundkonstante aller Künstler, vielleicht auch der einzige Antrieb überhaupt, zu schreiben, zu malen & somit zu versuchen, die Welt irgendwie ein kleines bisschen zu verstehen, ohne an ihr zu gänzlich zu verzweifeln.

Zweifeln ohne zu verzweifeln.

Das ist eine Gratwanderung. Aber ich glaube, ich wäre enttäuscht, würden irgendwann meine Fragen beantwortet & meine Zweifel zerstreut. Würden meine Bilder antworten, ich würde die Augen verschließen, ich würde versuchen, diese Antworten zu ignorieren.

In den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder lange Phasen des Zweifels & der Unsicherheit. Ich fremdelte sozusagen mit meinen eigenen Bildern. Das liegt wohl auch daran, dass ich immer mal wieder – für Außenstehende Beobachter von heute auf morgen – meine bildnerischen Interessen änderte. So folgen auf lange Phasen der figürlichen Malerei längere Phasen gegenstandsloser Malerei. Sei es aus Übermut oder aus Verdruss oder weil mir gerade nichts mehr einfiel. Ich weiß es selbst nicht immer so genau, aber das Zweifeln spielt sicherlich eine große Rolle bei diesen Wechseln.

Wer wäre ich denn ohne meine Zweifel?

Das geht vorbei. Das weiß ich. Das ist immer vorbei gegangen. In solchen Momenten bin ich froh, nicht im Vorstand eines börsennotierten Unternehmens zu sitzen. So jemand kann sich ja keine Schwachheiten erlauben. Oder noch schlimmer: Ich wäre Chirurg & ein Patient stürbe während einer routinemäßigen Blinddarmoperation. Weil ich einfach mal schlecht drauf war.

Während ich permanent scheitern darf – ja, scheitern muss! Ohne Scheitern geht es nicht weiter. So sehe ich das. Ich darf monatelang arbeiten & dann feststellen: Alles für die Katz! Noch mal von vorne. Das kann manchmal deprimierend sein.

Aber auch: Welch ein Luxus!

Arbeiten & scheitern! Das muss man sich einfach mal vorstellen! Ins Atelier gehen, zeichnen, wegschmeißen, malen, abwaschen. Oder einfach die Papierarbeiten des Tages in den Müll schmeißen. Nach Hause gehen. Am nächsten Tag wieder anfangen. Weitermachen.

Ein glückliches Künstlerleben mit dem Zweifel & der ganzen Ungewissheit. Und diesen verrückten Zufällen.

Ich wollte nichts anderes leben.