Ich zeige u. a. auf den Wänden vor meinem Atelierraum Papierarbeiten aus dem Jahr 2004, gefunden in den Untiefen meiner Schubladenschränke, fast vergessen, nun hervorgekramt & erstmalig zusehen. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, ich konnte mich an diese Bilder kaum mehr erinneren, zumal ich in diesem Jahr fast ausschließlich mit unterschiedlichsten Mitteln auf Papier malte & zeichnete. Kaum eines dieser Bilder habe ich je dokumentiert, auch nicht ausgestellt. Ein Jahr des Übergangs; ich tastete mich wieder an die die Figur heran, die sich in den Jahren davor aus meinen Bildern zurückgezogen hatte. Es es vermischen sich bildnerische Elemente aus jenen Jahren mit teils unvollständig gemalten & gezeichneten Figuren, meist männliche Akte in Rückenansicht.
Außerdem Vermischtes aus der jüngeren & älteren Vergangenheit in meinem Atelier – wie man gemeinhin so sagt.
Öffnungszeiten im KuBa:
Samstag: von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Sonntag: von 11:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Ohne Titel, 2024
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Der erste März war & ist immer schon ein besonderer Tag. Wie geschaffen zur Meditation. Meine Versuche über Wolken sind eine Form der Meditation. Eine Form des Arbeitens ohne genaue Vorstellung, was das Egebnis betrifft. Über Linien, Schraffuren, Ausradieren & das immer wieder In-Frage-Stellen & Neu-Ansetzen schälen sich Wolkenformationen aus dem Weißraum des Papiers. Aus dem Nichts entstehen allmählich Räume, während ich mich mehr & mehr selbst vergesse in dieser Tätigkeit. So wie auch ich gleichsam wie eine Wolke aus dem Nichts entstanden bin & mich auch irgendwann im Nichts auflösen & verschwinden werde.
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Ganz vergessen – dann steht der Termin plötzlich vor der Tür. Ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich da wieder geritten hat. Aber hey, es könnte ein Spaß werden!
Eine Art Werkstattgespräch zwischen dem Maler Armin Rohr und dem Schriftsteller Bernd Nixdorf
Mit einem Blick zurück nach vorn stellt Armin Rohr sein barockes „Batoni“-Projekt vor. Davon ausgehend könnte über Detailversessenheit, Überfülle und Minimalismus geredet werden. Über die Frage: „Wieviel Detail ist notwendig, um vollständig zu sein?“ Die unterschiedlichen Zugangswege zu Werken der Bildenden Kunst und der Literatur. Und was Kate Bush damit zu tun hat.
Die Reihe „Halbe Fünf“ wurde im Rahmen der Mitgliederausstellung „Jamboree“ eingeführt. Der große Erfolg fordert eine Fortsetzung. In loser Folge werden Mitglieder des Saarländischen Künstlerhauses freitags von 16.30 bis 18.00 Uhr Projekte, Ideen, Konkretes und Abstraktes vorstellen. Meistens zu zweit – im Austausch über Gattungsgrenzen hinweg.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Die letzten Monate waren nicht immer erfreulich. Da waren ein Festplattencrash meines zwölf Jahre alten Rechners & die dritte Coronainfektion seit 2021 noch vergleichsweise unbedeutend & harmlos. An kontinuierliches Arbeiten war nicht zu denken.
Irgendwann im Februar saß ich im Atelier & stieß auf das Foto einer Wolke, die ich mehr oder weniger gedankenverloren zeichnete (Zeichnung ganz oben). Eine zweite, größere Zeichnung folgte. Die dritte Zeichnung erfolgte aus der zweiten, ohne die Fotovorlage.
Es ging mir nicht um die Wolke. Die Wolke war nur ein Anlass, ein Auslöser.
Ich zog meine Striche, verdichtete sie, radierte sie wieder aus, es folgten neue Striche, Kreuzschraffuren, die ich teilweise auch wieder ausradierte, um wieder neu anzusetzen. Irgendwann war die Zeichnung fertig.
Die Zeit verging, das Zeichnen war eher ein meditativer Akt; eigentlich brauchte ich kein Foto. Es ging nicht um das Ergebnis, sondern um den Prozess. Tun ist Sein. Ein sehr befriedigender Prozess. Meditativ & befreiend. Und sehr konzentriert.
Die Zeit verging auf eine sehr angenehme Weise.
Die folgenden Wolkenzeichnungen entstanden alle ohne Vorlagen. Vorlagen sind nur hinderlich in diesem Fall. Ich ließ mich einfach fallen, zeichnete mit Bleistiften verschiedener Härtegrade von HB bis 8B. Die Blätter entstanden wie von allein.
Ob es nun Wolken sind oder Rauch, Nebel oder nur Grau- oder Tonwertstudien – das sind sie natürlich auch – & so ganz nebenbei lerne ich wieder feinste Nuancen zu beobachten. Ein gutes Training.
Nach wie vor ist das Posten von Arbeiten ein Teil meiner alltäglichen Beschäftigungen geworden wie Essen, Trinken, Verdauen, das Malen & Zeichnen & der ganze andere erfreuliche oder unangenehme Rest meines Lebens. Manchmal schreibe ich auch Texte.
Ich mache weiter, will heute gar nicht groß drüber nachdenken.
Da gefällt mir Naturfarben viel besser, wenn der Begriff auch sehr unscharf ist.
(Sind Naturfarben Farben, die in der Natur vorkommen? Wenn ja, welche Natur ist da gemeint? Wenn ich mir die Farben bestimmter Vögel, Insekten, Blumen, ja Fischen, Korallen oder auch Edelsteinen & Kristallen betrachte, sehe ich ein unendlich buntes Spektrum aller nur erdenklichen Farben.)
Vielleicht komme ich irgendwann auf „Naturfarben“. Bis jetzt haben sie mich kaum interessiert, bestenfalls in Ausmischungen nutze ich Ocker & gewisse Brauntöne (Mit Ocker erwärme ich z. B. mein feuriges Chromoxidgrün). Auch Lasurrotbraun von Schmincke mag ich sehr! Umbra & Siena dagegen selten.
Vandyckbraun nutze ich allerdings schon immmer, der Ton steckt in den meisten meiner Bilder. In der Verbindung mit den unterschiedlichsten Blautönen (Ultramarin, Kobaltblau oder Indigo) & Weiß je nach Anteilen mische ich herrliche farbige Grautöne, kalt oder warm. Ein ganz wichtiges Pigment für mich.
Ohne Titel („Colonel the Hon William Gordon“, nach Pompeo Batoni), 2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Sollte meine letzte Arbeit an dieser Serie werden. Ich wollte einfach abschließen mit dem Thema. Leider bin ich nicht fertig geworden. Muss ich also irgendwie noch einmal ran. Nächstes Jahr.
Wenn man sich – mit dem Auto von Saarbrücken kommend – allmählich dem Allgäu nähert & dann nach einer langen, beschissenen Fahrt auf beschissenen, verstopften Autobahnen, endlosen Baustellen, Stau, Rasern & anderen Autoidioten endlich in Hopfen am See ankommt, ist das, als würde man nach einigen Stunden Schlaf in einer anderen Welt aufwachen.
Die Landschaft wird weich, sanfthügelig & nach diesem feuchten, verregneten Sommer präsentiert sich die Natur saftig & prall, ja geradezu opulent & verschwenderisch – eben: malerisch. Sie zeigt eine große Palette unzähliger, satter Grüntöne, Vögel zwitschern allerorten, Schmetterlinge & andere nervige Insekten schwirren durch die klare, reine Luft, Kühe stehen überall sauber & zufrieden in der Gegend rum & wenn man sich nicht gerade in der Nähe einer Landstraße oder Autobahn aufhält, liegt Ruhe & Frieden über dem Land. Keine störenden Industriegebiete, nur Felder, Wiesen, bewaldetete Bergrücken & natürlich die gute Landluft. Viel Holz. Paradies.
Idylle.
Und Heerscharen von Menschen auf E-Bikes.
Hopfen am See! Wir logieren in einer Wohnung mit Balkon, mit Blick über das friedlich so da liegende Gewässer.
Unweit von Hopfen liegt Füssen. Nach Füssen & Umgebung fahren wir mit dem Fahrrad (ohne elekrische Verstärkung) & kaufen Vorräte & machen kleinere Touren (es gibt ein ausgebautes, funktionierendes Radwegenetz). Alles richtet sich aus nach dem geschätzten Besucher, dem Touristen. Der mag es heimelig, adrett & gepflegt. Spießig halt. Wenn wir nach Füssen fahren, sehen wir gelegentlich Schloss Neuschwanstein, eingerahmt vom Wald, auf einer Anhöhe bei Hohenschwangau. Ich meine: Neuschwanstein! Das ist Disneyland Made in Germany, lange vor Mickey Maus.
Alles ist malerisch, herrlich, prachtvoll & gepflegt. Natur, Landschaft, Dörfer, Städte, die Kühe – alles scheint einfach wie eine große Kulisse, wirkt irgendwie unecht, zu schön, zu sauber, zu glatt gebügelt. Eine Modelleisenbahnwelt. Nix vom abgerotzten Charme Saarbrückens, keine Bettler, keine Obdachlosen, kein Elend, kaum Schmutz, kaum Dreck, noch nicht mal Punks – was bleibt den Menschen hier, in Bayern, anderes übrig, als seit Jahrzehnten die CSU zu wählen? Hier herrscht die Idylle, hier scheint die Welt noch in Ordnung, wie man so sagt. Ein Reservat des schönen Scheins.
Mir ist das zu clean, zu paradiesich. Zu wenig irdisch.
Wie immer auf Reisen hatte ich Blöcke & Farben dabei, um gelegentlich vielleicht die ein oder andere Zeichnung oder auch mal ein Aquarell vor Ort entstehen zu lassen. An Motiven schien es ja zunächst nicht zu mangeln in Hopfen & Umgebung.
Aber schon am Abend des Ankunftstages überfiel mich angesichts dieser Märchenhaftigkeit eine gewisse Landschaftsmalmüdigkeit. Kaum was da, um sich zu reiben. Ich war zu überwältigt, zumal das Wetter auch noch mitspielte. Überall Natur satt & bräsige Gemütlichkeit. Ich gab mich der Überwältigung hin, labte mich an unserem ersten Abendessen in einem viel zu großen Touristen-Restaurant an einer frischen Forelle & viel Wein & ergötzte mich an unserem ersten Sonnenuntergang am See.
Süß der milde Rausch, blaurosaviolett der Himmel das Licht das Wasser. Irgendwo quakte ein Frosch.
So entstanden unter diesen Eindrücken diese Zeichnungen im Skizzenbuch, kratzbürstig, widerspenstig & – so hoffe ich – gar nicht harmonisch, friedlich & idyllisch. Täglich eine, zwei oder auch mal drei. Zwischendurch versuchte ich an dem ein oder anderen Ort, auch mal die Landschaft in den Griff zu kriegen, war aber nix zu machen. Die Überdosis Schönheit & Frieden betäubte mich. Egal. Die Tage im Allgäu waren sehr erholsam.
Ohne Titel, 2016/2021
Acryl, Öl auf Leinwand, 30 x 40 cm
Privatbesitz
Heute während des Aufräumens diese Arbeit aus dem Jahr 2016 wiederentdeckt. Das Bild entstand nach einem Foto, welches ich aus dem fahrenden Zug aufgenommen hatte. Landschaft, bewegungsunscharf. Stand immer ein wenig abseits, solitär. Irgendwie unfertig. Irgendwas fehlte.
Mit den rosa Wölkchen kann ich jetzt gut leben, auch wenn die Arbeit nach wie vor ein wenig außerhalb steht. Auf die Idee brachte mich jenes Bild – auch aus dem Jahr 2016.
Ich muss jetzt mal wieder einen meiner Lieblingssätze von Heinz von Förster einflechten:
„Obszönität: Ich zeige jemandem ein Bild und frage ihn, ob es obszön sei. Er sagt: ,Ja.‘ Ich weiß jetzt etwas über ihn, aber nichts über das Bild.“
Genau so ist das.
„Bonbonfarbenbunt, poppigbunt, kitschig-bunt, wenig subtile & grelle Farbigkeit, knallbunte Farben, schrille Farben usw. usw … so in etwa waren & sind die Beschreibungen meiner Bilder, entweder in Ausstellungsbesprechungen; manche Menschen sagten es mir auch schon mal persönlich. Beinahe vergessen: „Obszön bunt“. Letzteres bezog sich zwar auf den Schal um meinen Hals, aber ich dachte sofort an meine Bilder.
Gut, manchmal fallen die Wertungen über die Farbigkeit in meinen Bildern, über meine Palette auch positiv aus:
„Armin Rohr, der in anderen Werken ein ausgesprochen sensibles Farbgespür zeigt, hat für diese Arbeiten tief in die Farbtöpfe gegriffen. Von Rot-Orange über Lila-Pink bis zu Giftgrün sind in diesen Gemälden selbst grelle Farben zu finden.“ Giftgrün & grelle Farben – in diesem Fall durchaus wohlwollend.
Seit Jahren uneingeschränkt auf Platz eins: in meinen Bildern verwende ich öfter mal rosa. „Rosa ist schon sehr kitschig!“
Warum ausgerechnet „Rosa“ kitschig sein sollte, nicht aber schwarz, weiß oder braun hat sich mir nie erschlossen. Hat möglicherweise mit unseren kulturellen Prägungen zu tun. Rosa hat einfach einen hohen Kitschfaktor. Wenn man nun in den vergangenen Jahren aber mal genauer hingesehen hat, stellt fest, dass es mittlerweile auch sog. Businesshemden mit Botton-down-Kragen in Rosa-Tönen zu kaufen gibt; rosa-kariert, rosa-gestreift, auffallend viele Bänker & Politiker, Nachrichtensprecher – sehr mutig – mit rosa (magenta, pink) Krawatten ihre ansonsten langweilige Uniform aufpimpen, kann man erkennen, dass etwas aufbricht. Sogar Vorstände einer Aktiengesellschaft & sogar Politiker finden rosafarbende Appikationen cool.
Und ja, Kitsch. Was ist Kitsch überhaupt? Eine sehr schwierige Frage. Auch Blumenmalerei: Geht nicht, Blumen sind kitschig. Stillleben – noch kitschiger. Künstlerkolleginnen & Kollegen haben Angst vorm Kitschverdacht. „Dieses Bild, diese Arbeit was meinst Du, irgendwie kitschig – die Farben, das Thema …?“
Es zeigt, wie schwierig es ist, über Bilder zu sprechen ohne dabei über sich selbst & seine inneren Befindlichkeiten & Vorlieben, beziehungsweise auch Misslieben, zu sprechen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es natürlich auch interessant zu lesen, wie beispielsweise Kritiker über die Arbeit von Künstlerinnen & Künstlern schreiben. Schreiben sie über sich selbst, ihren Geschmack & ihre Befindlichkeiten? Oder gelingt ihnen die kritische Beschreibung eines Werkes, die dem Leser etwas über Intentionen des Künstlers erzählen könnte? Wird da klug argumentiert & belegt oder einfach nur bewertet?
Keine Wertungen, keine gefühlten Beschreibungen.
Eine Aktzeichnung von Egon Schiele überm Sofa wird heute wohl kaum jemand mehr als eine Provokation sehen, während die gleiche Aktzeichnung über dem Tabernakel einer katholischen Kirche wohl immer noch Entrüstungsstürme auslösen würde.
Eine Farbe allein kann nicht kritisch, doof, schön – oder eben kitschig sein. Sie besitzt lediglich die Eigenschaften, die Du ihr gibst.
Ich weiß nicht, ob von uns produzierte Artefakte „neutral“ sind; ich bevorzuge es da eher, die Dinge zunächst einmal nicht mit konventionellen Werturteilen zu betrachten. Ich versuche es zumindest. Meistens. In irgendeiner Form sind die Dinge ja immer aufgeladen oder besetzt mit Eigenschaften. Natürlich auch Farben.
Es mag schon sehr lange her sein, vielleicht 15 Jahre. Ich leitete einen Wochenend-Workshop für eine größere Gruppe. Irgendwas mit Malerei & Farbe war das Thema. Ausgangspunkt waren Landschaftsfotos, schwarz-weiß.
Wiederholt wurde mir eine Frage gestellt: „Mit welcher Farbe würdest Du hier weitermalen?“ – „Welche Farbe würdest Du jetzt nehmen?“
Irgendwann beantwortete ich diese Frage nur noch stereotyp mit: „Rosa.“
Anfangs waren die Reaktionen verwundert: „Rosa? Ist das nicht zu kitschig …?“ „Darf man das? Ich habe ja jetzt schon rot & gelb im Bild?“
Die Gruppenteilnehmer tauschten sich natürlich dann auch untereinander aus: „Wie soll ich jetzt weitermachen, welche Farbe …? Armin frage ich nicht mehr, der sagt immer nur rosa.“
Natürlich benutzten einige dann auch irgendwann rosa. Rosa für den Himmel, für einen Baum oder auch für ein Feld … verrückterweise funktionierte es in den Bildern. Fast immer. Außerdem mischten wir im Laufe des Wochenendes viele Rosa- & Pinktöne, Magenta, kalte & warme. Und nix davon war kitschig. Eine Farbe steht ja immer im Kontext zum Umfeld. Spannende Sachen sind entstanden. Schöne Klänge. Neue Klänge. Und eine Farbe mehr auf der Palette mancher der Kursteilnehmerinnen.
War natürlich auch für mich total spannend zu sehen, was da passierte. Meine Antwort entstand ja erstmal aus einer gewissen Genervtheit heraus.
Ich finde ja nicht, dass rosa auch nur ein buntes Grau ist.
Gut wird es doch immer, wenn man es schafft, Klischees zu entfliehen. Naja, letztlich habe ich mir immer schon die Frage gestellt, warum die Palette, die Farbigkeit des einen Malers besser, kunstvoller oder schlechter sein sollte als die Palette des anderen Malers.
Bunt ist kitsch, rosa ist kitsch, Sonnenuntergang ist kitsch, Kuckucksuhr ist kitsch. Kitsch ist kitsch. Ich glaube das alles nicht. Kommt immer auf den Zusammenhang an.
Während meines ersten Studiums an der damaligen FH in Saarbrücken hat mich mein Professor (Robert Sessler) mit seinen Landschaftsaquarellen verblüfft. Ich war ja noch ganz unbedarft damals. Kräftige Farben, orange, gelb, magenta. Ich kannte das so noch nicht. Anfangs dachte ich: „Was macht der da? Ist das nicht zu grell, bunt, kitschig?“ Aber dann hat’s mich irgendwann gepackt.
Meistens arbeite ich in meinem Atelier. Das Atelier ist mein eigentliches Zuhause. Meine Heimat, my home, my castle. So gesehen bin ich meistens im Home. Außerdem telefoniere ich in meinem Atelier mit meiner Galeristin; manchmal empfange und verschicke ich wichtige Mails. Außerdem denke ich viel nach. Was man so alles tut in einem Office. So gesehen bin ich auch immer im Office.
Also im Home-Office.
Malerinnen, Maler, Zeichnerinnen und Zeichner brauchen solche Kategorien aber nicht. Sie sind vierundzwanzig Stunden am Tag im Home-Office-Modus. Egal wo.
Ich denke übrigens ununterbrochen über Bilder nach. Den ganzen Tag. Und nachts träume ich von Bildern.
Das letzte, was mir vom Tag in Erinnerung bleibt, ist ein Bild. Morgens öffne ich die Augen und sehe: ein Bild. Vielleicht das zuletzt gemalte, aber auch Bilder von Kolleginnen oder Kollegen, überhaupt: Bilder! Ich war immer bildergeil.
Oft finde ich mich nach einem Spaziergang im Atelier wieder. Also im Home. Ich weiß nicht, wie ich da hin gekommen bin. Es geschieht automatisch, gedankenverloren. Dann sitze ich auf meinem Stuhl vor der Staffelei und betrachte mir die Ergebnisse der vergangenen Tage. Und denke darüber nach.
Manchmal beginne ich ja mit der Absicht, mit dem Plan, ein erträumtes Bild zu malen. Morgens, kurz nach dem Aufwachen, hatte ich es noch vor Augen. Aber dann ist es irgendwie weg und es wird doch wieder alles anders.
Eigentlich quäle ich mich, während der Pinsel über die Leinwand zieht, wenn ich die weiche, noch feuchte Ölfarbe furche. Es ist ein quälender, ermüdender Prozess. Außerdem ist es stinklangweilig. Gelegentlich sagt jemand: „Ich würde Dir gerne nur einen Tag zugucken, während Du malst.“
Verrückt. Sollen lieber spazieren gehen mit der Geliebten oder mit den Kindern spielen in der Zeit, die Leute.
Ich verbringe mehr Zeit damit, genau diesen Moment vorzubereiten: der Moment, an dem ich den Pinsel über die Fläche der Leinwand führe. Und anschließend denke ich darüber nach. Nachdenken kann lange dauern.
Vielleicht male ich deswegen. Ein Bild nach dem anderen. Damit ich über Bilder nachdenken kann. Nachdenken kann man auch in Pyjamahosen.
Wenn ich mich beim Betrachten eines Bildes freue, ist es meistens fertig. Wenn ein Bild fertig ist, bin ich glücklich. Das Bild überrascht mich und sagt: „Hör auf! Ist gut! Mach Schluss! Geh spazieren mit der Geliebten oder spiele mit den Kindern!“
Dann bin ich erleichtert und denke: „Wie gut, dass Du Dich so gequält hast!“
Vielleicht ist das eine Form der Geisteskrankheit. Ich weiß es nicht. Es ist seltsam, aber es belastet mich nicht. Im Gegenteil.
Zu Pyjamas habe ich eine spezielle Beziehung. Im Sommer trage ich meine Pyjamahosen den ganzen Tag. Gehe damit vor die Tür, einkaufen, spazieren oder auch ins Atelier.
Vor vielen Jahren fand ich in einem Kaufhaus an Kleiderständern lustig karierte, sehr farbenfrohe leichte Sommerhosen. Mit Gummizug und Schnur. Ich dachte: „Wie fein, die Sommermode für Männer dieses Jahr – so fröhlich, so leicht und bunt!“ Ich kaufte gleich drei Stück und trug sie an warmen Tagen. Sie sind sehr bequem, mit weißem Hemd und einem schwarzen Sakko machen sie auf einer Hochzeit oder zu irgendeinem anderen festlichen Anlass mit entsprechend feinem Schuhwerk im Sommer wirklich was daher.
Ich war der Meinung, es mit alltagstauglichen Beinkleidern zu tun zu haben und war sehr beleidigt, wenn mich jemand auf meine „Schlafanzughosen“ ansprach. Verwahrte mich dagegen und protestierte aufs heftigste. Man kann mit den meisten Leuten nicht über Mode diskutieren.
Eine Verkäuferin im gleichen Kaufhaus klärte mich Jahre später auf, als ich wieder mal auf der Suche nach leichten Sommerhosen war. Sie reagierte ein wenig entsetzt, als ich ihr erzählte, dass ich diese Hosen im Sommer tagtäglich trage. „Sie tragen diese Hosen am Tag? In aller Öffentlichkeit?“
In den folgenden Wochen fühlte ich mich zugegebenermaßen etwas unwohl in meinen Sommerhosen auf Grillparties und anderen Feierlichkeiten. Aber das legte sich wieder. Schließlich kombinierte ich sie ja stets mit feinem Hemd und Sakko. Welcher Mann schläft schon in seinen Anzughosen?
Ich pflege diese Tradition, an warmen Tagen lustig karierte, sehr farbenfrohe leichte Sommerhosen zu tragen, bis heute.
Auch das ist vielleicht seltsam, aber es belastet mich nicht. Im Gegenteil.
Allerdings sind es die einzigen Beinkleider, die ich selten im Home-Office trage. Also nicht während der Malerei oder der Zeichnerei im Atelier. Nur ganz abgetragene Modelle schaffen es, noch einen Sommer als Arbeitskleidung herzuhalten. Ich kann mich nur sehr schwer von ihnen trennen, auch, wenn sie schon sehr zerschlissen und komplett mit Farbe versaut sind. Sie sind mir ans Herz gewachsen; es stecken ja auch viele Bilder und Geschichten in diesen Hosen.
Während ich diesen Text schrieb, habe ich übrigens ausnahmsweise mal nicht an das Arschloch Corona gedacht.
Ohne Titel, 2002
Acryl, Öl auf Leinwand, 40 x 40 cm
Privatbesitz
Für ein Kunst-am-Bau-Projekt in Düsseldorf des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e.V. malte ich im Jahr 2002 mehrere Bilder auf Leinwand – u. a. Leitbaken, Richtungstafeln und andere Verkehrsschilder – speziell für das verwinkelte Treppenhaus.
Von dieser Geschichte habe ich keine Fotos mehr. Die Dokumentation habe ich wohl irgendwann während eines Umzuges verloren. Ich fotografierte damals noch analog mit meiner Spiegelreflexkamera, meistens auf Diafime. Entwickelte Filme habe ich nicht immer gerahmt, das verschob ich oft auf spätere Zeitpunkte. Aus dem Grund wanderten die Diastreifen meistens in irgendwelche Schubladen oder Kisten. Und dann habe ich sie irgendwann aus dem Auge verloren. Dokumentation im vordigitalen Zeitalter war zeitraubend & Zeit verbrachte & verbringe ich lieber im Atelier. Das kleine Schwarz-Weiß-Foto entstand während der Eröffnung & Einweihung des Projektes & ist aus einer Broschüre des VdW aus jenem Jahr.
Ein einziges der „Verkehrsschilderbilder“, die ich für das Projekt malte, fand keinen Platz in Düsseldorf. Es hängt seit langen Jahren in der Wohnung einer lieben Freundin, wo ich es vor einiger Zeit fotografiert habe.
Wie viel Zeichnung ist das noch, wie viel Malerei ist das schon? Ist das überhaupt noch Zeichnung? Eine Arbeit auf Papier ist nicht zwingend eine Zeichnung. Eine Arbeit auf Leinwand nicht zwingend Malerei. In diesem Fall überwiegt die Malerei, der Anteil an Zeichnung ist klitzeklein.
Lurs en Provence, 1988
Aquarell auf Aquarellpapier, 40 x 30 cm
Privatbesitz
Lurs en Provence! Ich werde die Klänge dieses Dorfes und der Landschaft dort nie mehr vergessen – den Klang des Lichts im Herbst, den Klang der Farben silbergrüner Olivenbäume und der Lavendelfelder, den Klang der Farben alter Gemäuer, den Klang der Zikadengesänge und das Gesirre und Gesumme der Insekten, den Klang knirschender Schritte auf ausgetrockneter Erde und nicht zuletzt den Klang der Gerüche in der Luft. Thymian, Rosmarin, Feigen.
In den Jahren 1986 bis 1988 nahm ich dreimal an einer spätsommerlichen Exkursion in die Provence teil, organisiert von den Professoren Heinz Popp und Robert Sessler im Rahmen meines Grafik-Studiums an der damaligen Fachhochschule für Design.
Zehn, zwölf Tage in der Landschaft sitzen und zeichnen. Meistens Aquarell. Und lange Abende, an denen wir über unsere Zeichnungen diskutierten und unter dem Einfluss von reichlich Côtes du Rhône sogar den Vollmond aquarellierten.
Diese Exkursionen haben den Grundstein für meine künstlerische Arbeit gelegt. Ohne diese Exkursionen hätte ich nicht Malerei studiert, sondern säße wahrscheinlich immer noch vor einem Rechner in einer Werbeagentur und würde Geschäftskarten oder Bierdeckel gestalten.
Und außerdem und nicht zuletzt war da noch Heinz Popp. Bei ihm studierte ich nach der Grundlehre. Grafik-Design.
Heinz Popp ist ein aufmerksamer und sensibler Beobachter. Sowohl beim figürlichen Zeichnen, beim Aktzeichnen und vor allen Dingen in der Landschaft. Außerdem malt er wunderbare Aquarelle und schneidet und schnitzt vortrefflich in Holzplatten. Seine Farbholzschnitte wirken transluzent und leicht – wie seine Aquarelle.
Ich glaube, es war diese Zeit bei Heinz Popp, die mich am meisten und nachhaltigsten beeinflusst und geprägt hat in der Art, eine Landschaft zu sehen und wahrzunehmen. Er ist ein unbedingter Verfechter des Zeichnens als Mutter aller Ideen, als Grundlage jeglicher Gestaltung. Zeichnen ist für ihn ein Prozess, das Sehen zu lernen. Überlebensnotwendig.
Er weckte damals mein Interesse an der Landschaft; die Bilder und Farben haben sich in mein Hirn eingebrannt! Ich wurde geradezu süchtig nach Landschaft, infiziert wie von einem Virus. Angesteckt von Heinz Popp. Wenn ich heute spazieren gehe, egal ob in der Stadt oder im Bliestal – ich betrachte alles mit den Augen des Zeichners. Licht, Schatten, Farben, Perspektive, florale Strukturen – der zeichnerische Blick, der alles auf seine Verwertbarkeit in Fläche und Linie untersucht, vorbehaltlos und interessiert an der noch so unscheinbarsten Kleinigkeit: Wegen der Zeichnungen und Aquarelle aus Lurs verabschiedete ich mich vom Beruf des Grafikers und stürzte ich in die Malerei. Auch wenn ich damals oft glaubte, das Gegenteil dessen zu machen, was Heinz Popp lehrte. Nach diesem Studium verging keine Reise mehr ohne Skizzenbuch, Zeichenblock und Aquarellfarben.
Lurs-en-Provence – ein Dörfchen, gelegen auf einem Fels in der Haute Provence, in der Nähe von Manosque und Sisteron. Von oben in nordwestlicher Richtung schweift der überwältigte Blick über die Landschaft bis zum Mont Ventoux, wenn man in östliche Richtung schaut, schlängelt sich das silberne Band der Durance in der Ebene unendlich weit bis zum Horizont. Am Spätnachmittag, wenn sich die Landschaft und der Horizont in der dunstigen Ferne verlieren, versammelten sich viele von uns oben an der Mauer im Dorf, um genau dieses Panorama festzuhalten.
Eine Landschaft, wie sie wohl nicht typischer sein könnte. Lavendelfelder, Oliven- und Fruchthaine wechseln sich ab mit alten Gemäuern, Höfen und bewaldeten Regionen. Im zauberhaft weichen Licht des Septembers tauchte frühmorgens allmählich die Landschaft auf, man musste sich beeilen mit der Malerei. Licht und Schatten veränderten sich schnell. Gegen Mittag brannte die Sonne mitunter unbarmherzig, dafür konnte man sich mehr Zeit lassen für die Bilder und Zeichnungen. Die Landschaft erschien weniger plastisch, weniger tief, dafür schärfer gezeichnet. Wir saßen entweder unter schattigen Pinien und Mandelbäumen oder in den teilweise zerfallenen, kühlen Gemäuern des Dorfes. Alle Motive lagen in unmittelbarer Nähe; im Umkreis von wenigen hundert Metern war alles fußläufig zu erreichen. Ein unerschöpfliches Reservoir.
Von Heinz Popp lernte ich, dass ein Motiv nicht spektakulär und überwältigend sein muss.
Ich erinnere mich, wie er Tage damit verbrachte, die Struktur eines uralten, knorrigen Olivenbaumstammes mit Aquarell zu untersuchen. Er arbeitete immer sehr konzentriert, ließ sich und den Farben Zeit, legte Lasur über Lasur. So wuchs der uralte, knorrige Stamm von neuem aus dem Papier – Lasur für Lasur. Zart und dennoch kraftvoll.
Andererseits beherrschte er aber auch das große Panorama; die Weite und Tiefe der Landschaft ist eigentlich seine Spezialität. Unterschiedliche Strukturen in der Landschaft zu erkennen und umzusetzen. Zeichen zu finden und zu erfinden. Zeichen für einen Baum, ein Haus, ein Feld. Für eine Landschaft. Zeichen für die unterschiedlichen Blatt- und Nadelstrukturen von Bäumen und Sträuchern, Zeichen für die Frucht auf Feldern.
Luftig, leicht und spielerisch hingetupft. Ziel war es, komplexe, komplizierte Ereignisse zu vereinfachen, auf ihren Kern und ihr Wesen zu reduzieren, ohne jedoch das Typische aus dem Auge zu verlieren.
Von Anfang an trieb er uns jeglichen rührseligen Postkartenkitsch und überstrapazierte Klischees aus. Wir mussten unsere eigene Provence finden.
Auch meine Liebe zur Farbe wurde in Lurs geweckt. Sowohl von Heinz Popp als auch von Robert Sesslers Palette beeinflusst, waren meine Himmel mitunter auch magentafarben oder türkis, Bäume und Landschaft explodierten in expressiven Farbfeuerwerken.
All das wirkt bis heute nach. Morgens nach dem Schlafen aufwachen, die Augen aufschlagen, aus dem Fenster gucken und sofort ein Bild vor Augen haben. Und das den ganzen Tag über. Bis zum Einschlafen. Und nachts von Bildern träumen.
„J’accuse!“ Daran bis Du nicht ganz unschuldig, lieber Heinz! Meinen Dank dafür.
(Dieser Text erscheint im Rahmen eines Katalogbeitages zur Ausstellung
„Heinz Popp | Zeichnungen“ im Stadtmuseum St. Wendel, Januar 2020)
Ohne Titel („Gegenlicht“), 2005
Aquarell auf Aquarellpapier, 48 x 36 cm
Heute fiel mir dieses Erklärblatt aus dem Jahr 2005 in die Hände, entstanden während eines Pleinair-Zeichenkurses im Sommer. Ich kann mich noch sehr gut an das gleißende Licht erinnern. Wir zeichneten in einem Garten am Waldrand; ich saß im Schatten & aquarellierte gegen das Licht. Im flimmernden Licht der Mittagssonne gab es nur Hell-Dunkel-Konraste, es waren keine Farben zu erkennen. Lag nahe, nur Schwarz zu verwenden.
Wie so häufig fehlte in den Bildern der Kursteilnehmer*innen anfangs der Mut, diese Kontraste zu erkennen & zu zeigen. Die ersten Zeichnungen waren flau, ohne Sonne, ohne Hitze, ohne Licht, ohne Tiefe. Viele Farben ohne Kraft. Der Himmel war ohne ein einziges Wölkchen, während lustigerweise auf einigen Bättern Wolkenhimmel zu sehen war. Macht der Gewohnheit, Wölkchenhimmelkonvention? „Soll ich den Himmel wirklich monoton blau machen? Ist das nicht zu langweilig?“
Es ist nicht einfach, gegen die Bilder im Kopf anzuzeichnen & das vermeintliche Wissen zu vergessen, Gewohnheiten zu hinterfragen & das Wesentliche zu erkennen.
Soweit ich mich erinnere, spielten Bilder in meinem Leben immer schon eine wichtige Rolle. Und ich meine jetzt nicht nur und ausschließlich meine gemalten Bilder, meine Zeichnungen – sondern auch und vor allem Bilder von anderen – Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Comics oder auch Filme.
Ich bin einfach bildergeil.
Überhaupt: ich könnte mein Leben mit dem Betrachten von Bildern verbringen.
Neben der Erfindung und Herstellung von Käse ist das Erzeugen von Bildern wahrscheinlich das Größte, was Menschen je hervorgebracht haben (Ich schrieb es bereits).
Ohne Titel („Im Licht“), 2019
Öl auf Leinwand, 80 x 60 cm
Privatbesitz
Gestern träumte ich folgenden Traum:
Mir schien, als bereitete ich mit großem Vergnügen eine Ausstellung vor. Eine komplizierte Geschichte, sehr aufwändig. Viele Räume, große & kleine & viele, sehr unterschiedliche Arbeiten. Zur Vernissage erschien niemand. Ich war allein mit meinen Bildern. Auch in den Tagen & Wochen danach erschien niemand. Ich spazierte täglich durch die Räume & war sehr zufrieden. Nach einiger Zeit baute ich alles wieder sehr sorgfältig ab.
Ohne Titel („Lost“), 2004
Acryl auf Leinwand (ohne Keilrahmen), 216 x 392 cm
Privatbesitz
Ohne Titel („Klon“), 2004
Acryl auf Leinwand (ohne Keilrahmen), 216 x 343 cm
Privatbesitz
Die beiden Bilder entstanden 2004. Eine Zeit des Übergangs. Eine Zeit der Suche nach neuen Bildern. Weg von den nicht gegenständlichen Arbeiten der vergangenen Jahre hin zu einer figürlichen Malerei.
Ohne Titel, 2018
Öl auf Leinwand über Karton, 24 x 18 cm
Im Oktober 1994 begann ich mit einem Studium der Malerei an der HBK Saar in Saarbrücken – ich hatte die Vorstellung, erst mal zwei Semester lang zu malen & zeichnen. So oft & wann immer es geht. Um dann nach einem Jahr weitere Entscheidungen treffen.
Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, immer schon gezeichnet. Mal mehr, mal weniger. Als Kind, als Jugendlicher, in der Schule – meistens in Kunst fernen Fächern. Latein, Mathematik, Religion. Irgendwie bin ich dabei geblieben, bei der Zeichnerei. Habe einfach nie aufgehört. Während meiner Zeit im Zivildienst zeichnete ich wenig. Aber danach wieder um so mehr.
In der Malerei hatte ich mich bis zum Beginn meines Studiums an der HBK selten versucht; die Versuche erschienen mir dilletantisch, stümperhaft & nicht sehr befriedigend. Ich wilderte in unterschiedlichen Gefilden, ohne zu wissen, was ich da überhaupt tat & was ich überhaupt wollte.
Meine Eltern schenkten mir zum dreizehnten Geburtstag einen Kasten mit Ölfaben, eine Staffelei & ein paar Malpappen. In der Küche unserer engen Mietwohnung malte ich die ersten Bilder. Galoppierende Pferde, Stillleben & ein missglücktes Selbstporträt. Es roch nach Terpentin & Leinöl & irgendwann war es meiner Mutter zuviel, weil das Essen angeblich nach Terpentin schmeckte. Außerdem war trotz Zeitungsabdeckung immer der Boden mit Farbe zugesaut. So verschwanden die Utensilien irgendwann im Keller.
Bevor ich an der 1994 HBK begann, studierte ich Grafik-Design an der FH in Saarbrücken. Eine Kunsthochschule gab es noch nicht. Und ein Studium außerhalb des Saarlandes zog ich irgendwie nicht in Betracht. Außerdem war ich sowieso ahnungslos.
Wenn es nach meinen Eltern & dem Arbeitsamt gegangen wäre, hatte ich drei Optionen:
1. eine Banklehre
2. eine Lehre zum Druckvorlagenhersteller
3. eine Lehre zum Backwarengestalter
Grafikdesign war laut meiner Arbeitsberaterin auch brotlose Kunst & Kunst in einer anderen Stadt außerhalb des Saarlandes Zeitverschwendung, weil noch brotloser als brotlos. Kam also überhaupt nicht in Frage. Zugegebenermaßen hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Plan von irgendwas. Nur eines war klar: Die drei Vorschläge meiner Eltern & meiner Arbeitsberaterin fand ich inakzeptabel. Ich machte mein Fachabitur & begann ohne Plan ein Grafikstudium – übrigens damit verbunden die sagenumwobene Grundlehre bei Prof. Oskar Holweck. Aber das ist eine andere Geschichte.
Im Laufe des Studiums erkannte ich, dass ich weder als Grafiker & Sklave in einer Werbeagentur noch als selbstständiger Grafiker & Einzelkämpfer arbeiten wollte – trotz eines nicht von der Hand zu weisenden Talentes, was die Illustration & das Layouten betraf.
Ich unterbrach das Studium für ein Jahr, in dem ich nur zeichnete, aquarellierte & gelegentlich auch versuchte zu malen.
Es zog mich immer mehr zur freien Zeichnung & zur Malerei – wenn ich auch nicht genau wusste, wie ich mir das Leben eines Künstlers überhaupt vorzustellen hatte & was man da von morgens bis abends so tut. Außer halt malen & zeichnen.
Denn auf die zeitgenössische Kunst stieß ich nämlich vergleichsweise spät in meinem Leben. Museumsbesuche gehörten in unserer Familie nicht zum sonntäglichen Bildungsprogramm. In meiner Jugend hatte ich Kontakt mit dem Impressionismus, dem Expressionismus, Salvatore Dali & Picasso. Der Kunstunterricht in den Schulen, die ich besuchte, fiel meistens aus – außer während der ersten drei Jahre auf dem Gymnasium bei Erwin Steitz, der mittlerweile sogar mein Kollege ist. Wenn Kunstunterricht darüberhinaus je stattgefunden hat, kann ich mich kaum daran erinnern & hat mich in keinster Weise geprägt oder beeinflusst. Die Kunsttheorie beschränkte sich auf Romanik, Renaissance, Barock. Darüber hinaus war alles weitere ein schwarzes Loch. Pop Art war bunt. Vielleicht noch Beuys – ohne wirklich genaueres verstanden zu haben. Ich hörte von Butter- & Fettecken sowie von unkundigen Putzfrauen gereinigte Badewannen.
Ich glaube, es war so um 1980 – ich besuchte mit Freunden während eines kurzen Parisaufenthaltes das Centre Pompidou. Es war eine Begegnung der dritten Art, die mich verwirrte. Allein die Architektur erschien mir wie eine Art Raumschiff von einem anderen Planeten, gefüllt mit Dingen, die ich noch nie gesehen hatte & auch nicht so richtig einordnen konnte. Zeitgenössiche Kunst. Es war die Zeit vor meinem Design-Studium, während meines Zivildienstes.
Konzepte oder gar eine höhere Vision hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine, aber nach dem ich das Grafik-Studium abgeschlossen hatte, bewarb ich mich an verschiedenen Hochschulen & Akademien um einen Studienplatz für Freie Kunst. Nach einigen Jahren & vielen Absagen („Wir brauchen hier junge, formbare Menschen“ oder: “Machen Sie doch Ihr Ding allein, wozu brauchen Sie noch eine Akademie?“), in denen ich witzigerweise überwiegend als Illustrator & Designer für unterschiedliche Agenturen & eigene Kunden in Saarbrücken & Stuttgart arbeitete, klappte es dann in Saarbrücken an der HBK Saar (nachdem ich drei Jahre zuvor schon einmal abgelehnt worden war).
Das Studium an der HBK in der Malklasse von Bodo Baumgarten bedeutete vor allen Dingen eines: Ich hatte einen Arbeitsplatz, „mein“ Atelier, von morgens bis nachts malte ich Bild um Bild. Während der Semesterferien waren sowohl Atelier als auch die HBK verwaist. Keine Professoren, kaum Studenten. Ein riesiges Atelier für mich allein. Das war ziemlich cool. Ich hängte immer alle Bilder der Kommilitonen ab & hatte drei Monate meine Ruhe. Während meiner Jahre als Freelancer hatte ich Geld gespart; damit konnte ich, wenn ich einigermaßen bescheiden lebte, ungefähr drei Semester ohne Job überleben. Ein Grundstudium bei Prof. Sigurd Rompza blieb mir Gott sei Dank erspart. Über Baumgartens Arbeit war mir vor dem Studium übrigens wenig bekannt. War aber auch egal, ich wollte sowieso nur malen & Kurse belegte ich aussschließlich nach Interessenlage. Nach der Zwischenprüfung hielt ich mich nur noch im Atelier auf & malte. Allmählich mutierte ich zum Faktotum in der Malklasse.
Zu Beginn des siebten Semsters plante ich den Ausstieg aus dem Studium. Ich nahm noch am Rundgang zum Ende des Wintersemesters teil & flüchtete dann ohne Abschluss in mein eigenes Atelier.
Das war eine gute Entscheidung. An der HBK wurde es für meine Bedürfnisse immer enger, außerdem wollte ich in Ruhe arbeiten, was im Maleratelier der Hochschule schon immer mit Schwierigkeiten verbunden war. Es war eine schöne Ateliergemeinschaft & eine fruchtbare Zeit, aber oft laut & chaotisch.
Außerdem hatte ich schon während meiner Zeit an der HBK viel Glück. Einzelausstellungen in kleinen, eher unbedeutenden Galerien, Förderstipendien, Kunstpreise, Bilderverkäufe, Bilderankäufe, Kunst-am-Bau-Projekte. Es war Zeit für mein eigenes Atelier. Für diesen Schritt belohnten mich Bodo & die HBK offiziell & per Urkunde mit dem Titel „Meisterschüler“. Ich war der erste Meisterschüler bei Bodo Baumgarten & der einzige Meisterschüler in den Annalen der HBK ohne Diplom.
Nach wie vor hatte ich keine Strategie & agierte eher spontan & aus dem Bauch. Meistens rief irgendjemand an, schlug mich für irgendein Projekt vor oder irgend jemand sprach ohne mein Wissen eine Empfehlung aus. Gut, ich bewarb mich um Ausstellungen in Kunstvereinen, städtischen Galerien & anderen Institutionen außerhalb des Saarlandes. Was gut funktionierte & funktioniert.
Ob Kunst-am-Bau-Projekte, kleinere regionale Kunstpreise oder auch Bilderverkäufe – rutschte allerdings eher zufällig als geplant in das Malerbusiness. Nein, es ist keine Koketterie – bis zum heutigen Tag existiere als Künstler ich nur wegen der andauernden Verkettung von glücklichen Umständen. Als Grafiker arbeitete ich irgendwann nicht mehr. Hin & wieder führe ich Auftragsarbeiten aus. Meistens Porträts.
Anfangs beteiligte ich mich an Wettbewerben oder suchte Kontakt mit Galerien außerhalb der Region. Oder ich bewarb mich um ein Stipendium, um einen Kunstpreis. Hat auch mal funktioniert. Mittlerweile verschwende ich meine Zeit nur noch selten mit solchen Dingen. Verschicke kaum Bewerbungen, schon gar nicht an Galerien. Kunstpreise interessieren mich nicht mehr. Da öffne ich lieber ein Flasche Wein & betrachte eine schöne Landschaft. Oder fange ein neues Bild an. Oder gehe mit meiner Frau spazieren. Ich bin kein guter Netzwerker. Schon gar kein Geschäftsmann. Oder gar ein guter Verkäufer.
Immer wieder muss ich, wie die meisten meiner Kollegen, neue Strategien finden, um mein Überleben zu sichern. Ich war noch nie im Leben irgendwo angestellt.
Malerei, Zeichnung & unzählige andere Tätigkeiten, über die ich lieber den Mantel des Schweigens hänge. Oder vielleicht doch mal ein Buch schreibe? Es ist ein Mäandern durchs Leben, ein Zickzack, machmal ein Stolpern & Holpern, ein Hinfallen & wieder Aufstehen – alles andere als ein gradliniger Weg. Natürlich kostet diese Art zu Leben viel Kraft & Energie, ich bin ja auch noch Ehemann & Vater, verbringe außerdem viel Zeit mit Einkaufen, mit Kochen & mit anderem Haushaltsdingenskram. Die Organisation des alltäglichen Lebens.
Vor einem Jahr war ich vertretungsweise für zwei Monate Lehrer an einem Saarbrücker Gymnasium. Nicht, dass ich das unbedingt wollte – man kam auf Umwegen auf mich zu – & nicht, dass es eine schlechte Erfahrung gewesen wäre. Die Kinder waren alle sehr lieb & manche sind mir in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen. Aber ich bin froh, mich vor über zwanzig Jahren gegen diesen Job entschieden zu haben. Lehrer ist man, weil man dazu berufen ist. Künstler wird man, weil man malt oder zeichnet oder andere merkwürdige Dinge tut. Man tut diese Dinge & denkt lieber nicht darüber nach, warum man sie tut. Vielen anderen Menschen erscheinen diese Tätigkeiten sinnlos. Sie arbeiten, verdienen Geld & genießen dann ihr verdientes Geld, wenn sie Feierabend haben oder fahren damit in Urlaub. Oder gehen ihren Hobbys nach. Hobbys habe ich keine.
Ich renne, so oft es geht, ins Atelier. Manchmal denke ich dort nur über meine Arbeit nach. Schaue auf weißes Papier & überlege.
Ich führe kein Leben als Malerfürst, falle nicht aus der Rolle durch übermäßigen Kokainkonsum, aber ich trinke außerordentlich gerne Wein & Pastis, gelegentlich einen Whisky, je rauchiger, je torfiger desto lieber. Aber immer in Maßen. Ich glaube, kein Alkoholiker zu sein.
Ich fühle mich gesund, allein meine Hüften quälen mich manchmal, trotzdem ich noch sehr jung an Jahren bin.
Ich möchte meine Arbeit (& ich sage jetzt nicht Kunst!) machen. Malerei & Zeichnung. Nicht mehr & nicht weniger. Mich erfüllt das mehr als genug. Die „Kunst“ erscheint mir oft sehr weit weg, noch weiter weg ist das „Betriebssystem Kunst“ & der sog. Diskurs. Ist mir fast egal. Gerade mal so viel, dass ich weiß, wie andernorts der Stand der Dinge ist.
Erfolg ist eine zweischneidige Sache. Manch ein Kollege oder manch eine Kollegin hat sich in jungen Jahren viel vorgenommen. Auf sogenannten Erfolg fixiert. “Ich will berühmt werden!“ Am besten in Berlin. Was bedeuted Erfolg eigentlich? Bedeuted es, berühmt zu sein & viel Geld zu verdienen? Bedeutet es, viele fleißige Assistenten zu haben, die die Bilder malen? Eine Sekretärin anzustellen & sich nur noch um die schönen Dinge zu kümmern? Hat man vielleicht ein Atelier in Berlin & eines in New York?
Natürlich, für einen kurzen Moment hofften die meisten damals in unserem Atelier an der HBK – ich kann mich davon nicht ausnehmen – allein vom Verkauf ihrer Bilder & Artefakte zu leben. Wir hofften auf einen guten Galeristen, vielleicht auch mehrere, die uns das Geschäftliche aus der Hand nehmen würden. Man ginge täglich ins Atelier, malte seine Bilder & bräuchte sich um nichts mehr zu kümmern.
Läuft! Wie man so sagt zur Zeit.
Aber so läuft das nicht. Nicht in den wenigsten Fällen. Es ist auch normal, dass es nicht so läuft. Künstler, die von ihrer eigenen Arbeit leben, vom Verkauf ihrer Arbeiten, sind die Ausnahmen. Die sind äußerst selten. Zufall, wenn man einen trifft. Man trifft auch keine Autoren, Schauspieler oder Musiker, die von den Früchten ihrer Bestseller, ihrer Arthousefilme oder ihrer Lieder leben. Was nicht heißt, dass in manchen Jahren der Verkauf nicht sehr gut funktioniert, überraschend gut. Um dann aber in einem anderen Jahr überraschend scheiße zu laufen.
Seit vielen Jahren unterrichte ich an der HBK in Saarbrücken das Zeichnen. Diese Arbeit finde ich sehr inspirierend. Ich lerne sehr viel darüber, wie Menschen Dinge betrachten & wie sehr das Betrachten & das Erzählen, nämlich das Gucken, Zeichnen, voneinander abweichen. Dann versuchen wir gemeinsam, diese beiden Dinge deckungsgleich zu machen (obwohl die linkischen, unabsichtlichen Abweichungen oft die interessanteren Ergbnisse produzieren). Um dann vielleicht irgendwann eine eigene Sicht auf die Dinge zu entwickeln & ganz bewusst mit Abweichungen zu gestalten. Um vielleicht über die Zeichnerei die Dinge oder die Welt besser zu verstehen, zu begreifen. Jedenfalls hat mir das immer wieder geholfen. Dazu muss man das genaue Hingucken lernen, immer wieder. Vielleicht gucke ich dann auch in anderen Bereichen genauer hin. Ich glaube das einfach. Das ist mein Credo.
Oft frage ich, wenn ich die Zeichnung einer Studentin oder eines Studenten betrachte: „Ist das Zufall oder Absicht, was da entstanden ist?“ Ich glaube an den Zufall. Beim Zeichnen allerdings sollte man sich nicht nur auf den Zufall verlassen.
Der Lehrauftrag bereichert mich; ich lerne sehr viel während der Zeichenstunden. Über die Art, wie junge Menschen ticken & wie sich die Kunst & das Denken über die Kunst verändern. Vor allen Dinge erfahre ich viel über mich & meine Arbeit.
Das Herstellen von künstlerischen Artefakten ist übrigens tatsächlich oft brotlos. Da hatte die Arbeitsberaterin recht. Berühmt, reich an Geld & Erfolg sind immer die anderen. Obwohl es immer wieder Jahre gibt, in denen ich sehr viel verkaufe oder auch mal ein größeres Kunst-am-Bau-Projekt einen warmen Geldregen für die nächsten Monate bringt – im Jahr danach läuft dann wieder gar nichts. Das ist fast schon Gesetz.
Ich denke oft über Erfolg nach. Erfolg heißt nämlich nicht nur fette Verkäufe, einen fetten Galeristen & fette Kohle. Im Gegenteil. Je länger ich als Künstler unterwegs bin (oder manchmal sehr umständlich versuche, unterwegs zu sein), desto schwieriger wird es, Erfolg zu definieren. Eine Definition könnte lauten: Wie gut, dass ich noch unterwegs bin. Ich kann meine Arbeit machen. Bilder malen. So oft es geht bin ich im Atelier. Es ist doch überhaupt ein Glück, dass das seit Jahren funktioniert, ohne dass ich wirklich dafür eine Erklärung habe.
Künstler wie Richter, Baselitz oder Jeff Koons sind glückliche Gewinner in der großen Kunstmarktlotterie. Außerdem gnadenlose Selbstvermarkter & bestimmt auch gute Kaufleute. Und: sie habenihre Karriere nicht in Saarbrücken gestartet. Ich bin ja sogar im Saarland geblieben (was vielleicht doch nicht die verkehrteste Entscheidung war).
Es gibt übrigens mehr Galeristen, die nicht oder kaum von ihrer Tätigkeit als Galerist leben, als man vermutet. Eine Galerieausstellung ist schön & gut, aber nicht immer der finanzielle Burner. Kleine Galerien verkaufen an Kunstinteressierte, vielleicht mal an eine Bank oder an kleinere Unternehmen. Richtige Sammler, ich meine wirklich richtige Sammler, trifft man da selten.
„War eine schöne Ausstellung, ich verstehe nicht, warum niemand was gekauft hat.“ Aber es gibt auch Ausnahmen.
Nur ein Bruchteil der Galerien bewegt sich auf internationalem Parkett, ist regelmäßig auf Messen anzutreffen & kümmert sich um einen kleinen, erlauchten Kreis von Künstlern. Nicht wenige Galerien versuchen sich gelegentlich auf kleineren Messen & oft ist es ein Verlustgeschäft. Bei vielen Galeristen ist es ähnlich wie bei vielen Künstlern: Ihr Herz brennt für die Kunst, aber sie sind keine Kaufleute.
Ich gehe übrigens nicht nur ins Atelier wenn ich Lust habe. Ich gehe auch ins Atelier, wenn ich keine Lust habe. Wer hat denn schon Lust, permanent zu arbeiten, wenn er auch was anderes machen könnte?
Das empfinde ich als Privileg.
Meine Arbeit erfüllt mich mit Freude & Glück. Ich arbeite gern. Ich fühle eine tiefe Befriedigung, wenn ein Bild oder auch nur eine klitzekleine Zeichnung fertig ist & wenn die Arbeit außerdem einigermaßen gelungen ist.
Was nicht heißt, dass ich zufrieden bin. Ich bin selten zufrieden. Ich bin sogar meistens unzufrieden. Aber meistens bin ich glücklich beim Betrachten meiner Bilder. Für eine kurze Zeit. Es wundert mich immer wieder, wenn etwas Brauchbares entstanden ist. Das ein oder andere Bild aus den letzten Jahren war gar nicht so schlecht. Und außerdem viele kleinere Papierarbeiten. Und manche Wandmalerei. Glaube ich.
Ich kann mich an lapidaren, beiläufig entstanden Skizzen erfreuen. Der Geruch von Leinöl & Terpentin hängt in meinen Kleidern. Ich beobachte gerne Dinge, Menschen oder auch die Natur in Hinblick auf ihre Tauglichkeit für ein Bild oder eine Zeichnung. Manchmal fotografiere ich. Ich schreibe gerne mit Füllfederhalter auf Papier. Es müssen nicht immer große, epische Leinwandarbeiten sein. Es müssen auch nicht immer meine eigenen Bilder sein, an denen ich mich errege. Im Gegenteil! Ich gehe gerne in Ausstellungen & betrachte & bewundere die Arbeit vieler Kolleginnen & Kollegen.
Ich bin einfach bildergeil.
Meine eigenen Bilder betrachte ich seit jeher als in Form gebrachte Zweifel, zumindest als zweifelnde Fragen an das Leben, ohne je eine Antwort erhalten zu haben. Verrückterweise frage ich ich immer wieder aufs Neue, obwohl ich weiß, dass ich niemals eine Antwort erhalten werde. Von Bild zu Bild werden die Zweifel aufs Neue geschürt.
Der Zweifel ist nichts anderes als eine anthropologische Grundkonstante aller Künstler, vielleicht auch der einzige Antrieb überhaupt, zu schreiben, zu malen & somit zu versuchen, die Welt irgendwie ein kleines bisschen zu verstehen, ohne an ihr zu gänzlich zu verzweifeln.
Zweifeln ohne zu verzweifeln.
Das ist eine Gratwanderung. Aber ich glaube, ich wäre enttäuscht, würden irgendwann meine Fragen beantwortet & meine Zweifel zerstreut. Würden meine Bilder antworten, ich würde die Augen verschließen, ich würde versuchen, diese Antworten zu ignorieren.
In den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder lange Phasen des Zweifels & der Unsicherheit. Ich fremdelte sozusagen mit meinen eigenen Bildern. Das liegt wohl auch daran, dass ich immer mal wieder – für Außenstehende Beobachter von heute auf morgen – meine bildnerischen Interessen änderte. So folgen auf lange Phasen der figürlichen Malerei längere Phasen gegenstandsloser Malerei. Sei es aus Übermut oder aus Verdruss oder weil mir gerade nichts mehr einfiel. Ich weiß es selbst nicht immer so genau, aber das Zweifeln spielt sicherlich eine große Rolle bei diesen Wechseln.
Wer wäre ich denn ohne meine Zweifel?
Das geht vorbei. Das weiß ich. Das ist immer vorbei gegangen. In solchen Momenten bin ich froh, nicht im Vorstand eines börsennotierten Unternehmens zu sitzen. So jemand kann sich ja keine Schwachheiten erlauben. Oder noch schlimmer: Ich wäre Chirurg & ein Patient stürbe während einer routinemäßigen Blinddarmoperation. Weil ich einfach mal schlecht drauf war.
Während ich permanent scheitern darf – ja, scheitern muss! Ohne Scheitern geht es nicht weiter. So sehe ich das. Ich darf monatelang arbeiten & dann feststellen: Alles für die Katz! Noch mal von vorne. Das kann manchmal deprimierend sein.
Aber auch: Welch ein Luxus!
Arbeiten & scheitern! Das muss man sich einfach mal vorstellen! Ins Atelier gehen, zeichnen, wegschmeißen, malen, abwaschen. Oder einfach die Papierarbeiten des Tages in den Müll schmeißen. Nach Hause gehen. Am nächsten Tag wieder anfangen. Weitermachen.
Ein glückliches Künstlerleben mit dem Zweifel & der ganzen Ungewissheit. Und diesen verrückten Zufällen.
Seit Tagen wühle ich in meinen Schubladenschränken im Lager, schichte Papierarbeiten, Skizzenbücher & -blöcke um, sortiere aus, zerreiße & schmeiße weg.
Bewahre. Oder auch nicht.
Beim Durchblättern uralter Skizzenböcke beschleicht mich gelegentlich das Gefühl, als würde ich ich in meinen pubertären Tagebüchern lesen. Wahrscheinlich erröte ich dann. Zeichnungen, Skizzen wie Tagebuchnotizen. Schöne Momente, Momente, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, peinliche Momente & peinliche Zeichnungen. Auf der Suche nach künstlerischer Idendität, Audruck & Sprache. Oft pathetisch, übersteigert, versehen mit Notaten & Texten. Ein ständiges Ringen. Durchaus ernsthaft & authentisch. Erinnerungen. Wie die für andere scheinbar sinnlosen Gegenstände in einer Wohnung, die aufgelöst wird & die niemand mehr haben möchte, weil die Geschichten der Gegenstände mit ihren Besitzern verschwunden sind. Zeichnungen voller Geschichten. Relikte aus einer vergangenen Zeit. Ohne Relevanz für irgendeinen Betrachter & manchmal auch ohne Relevanz für mich. Aufgeladen mit Erinnerungen, aber am Ende sogar eine Last. Das meiste verschwindet jetzt endgültig im Papiercontainer.
Allerdings machte ich auch ungewöhnliche Entdeckungen. Arbeiten, die ich längst vergessen hatte & zu meiner Freude noch existierten. Skizzen & Notizen, auch Ölbilder – möglicherweise Anknüpfungspunkte für zukünftige Projekte.
Seit 10 Jahren lagere ich meine Bilder in einem Raum auf den sog. Saarterassen in Burbach. Nun bekam ich die Kündigung. Im Spätsommer muss ich raus – nebst anderen Kollegen, Künstlern & Musikern. Das Gebäude wird saniert & einem andern Zweck zugeführt. Ich bin zugegebenermaßen ein bisschen verzweifelt. Es ist mein persönlicher Supergau.
Jetzt muss ich für die Unmenge an Werk einen adäquaten Lagerraum finden: er sollte nach Möglichkeit ebenerdig begehbar & trocken sein. Heizung & fließendes Wasser brauche ich nicht. Eine Größe von ca. 20 qm sollte, je nach Schnitt, eigentlich ausreichen – bei einer Höhe von ca. 2,50 – 3,00 m. Dachgeschosse oder Kellerräume sind meistens nicht optimal; die großen Bildformate kriege ich nicht immer um die Kurven in engen Treppenhäusern & die Zeichenschränke aus Stahl verdammt schwer über mehrere Stockwerke zu bugsieren.
Mir graut. Mir graut davor, mit diesen unzähligen Bildern, Mappen, Rahmen & tonnenschweren Metallschränken nebst anderen Kleinigkeiten umzuziehen. Nun ja. Ich will nicht jammern. Niemand zieht gerne um, ich weiß.
Seit Jahren überfällt mich beim Betreten dieses Raumes eine gewisse Melancholie, bisweilen auch eine Lähmung. Das Werk wird mir zunehmend zur Last, zumal ich wusste: „Irgendwann musst Du da auch mal wieder raus.“ Das Damoklesschwert schwebte von Anfang an über diesen Räumen.
Wenn jemand um Räume weiß oder gar selbst welche besitzt, die leer stehen, bitte ich um eine Mitteilung.
Irgendwann im Sommer 1996 hatte ich meine erste Einzelausstellung in der heute nicht mehr existierenden Galerie 48 in Saarbrücken. Es gibt ein Foto, geschossen während der Eröffnung, nach dem jenes oben zu sehende Blatt entstanden ist.
„Oskar hat mich in meinem künstlerischen Denken mehr beeinflusst als Bodo; Oskars Grundlehre war für mich bis heute eine Art Ohrwurm der Gestaltung – sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“
Gilt nach wie vor. Oskars Grundlehre ist mir von Jahr zu Jahr näher, während Bodo sich immer weiter entfernt. Witzigerweise erlebte ich die Zeit bei Bodo an der HBK sehr intensiv; das hing aber wahrscheinlich eher mit der HBK & den außerordentlichen Umständen damals zusammen. Eine abenteuerliche Zeit des Aufbruchs für mich, die alles verändert hat. Aber es war der Austausch mit meinen Kommilitoninnen & Kommilitonen, es war das Leben & Arbeiten in den Malerateliers, Tag & Nacht, die mich bis heute prägten.
Die Aufgaben in Oskars Grundlehre dagegen waren mir anfangs schleierhaft, oft schickte er uns durch quälend lange Prozesse, manches war im besten Sinne meditativ, Abkürzungen wurden als solche schnell entlarvt & meistens gab es die sowieso nicht. Wir mussten einfach durch. Nachtschichten obligatorisch. Grauwerte, Material & Struktur, Körper & Raum, Farbe, Form, Rhythmus & Bewegung – das waren die großen Themen in der Gestaltung – zu erkennen & anzuwenden natürlich auch in der Musik, beim Kochen & Essen & auf das Leben sowieso. Holweck war ein Anhänger zen-buddhistischer Lehren & schien mir eine seltsam entrückte Lichtgestalt zu sein. Oft sprach er Rätselhaftes, auf Fragen pflegte er meist zu antworten: „Machen Sie!“ Erst allmählich, mit den Jahren & nach der Grundlehre, gingen mir Lichter auf. Sie durchdringt mich, meine Kunst & mein Leben bis heute.
Nebenbei: Heinz Popp hat mir übrigens viel hilfreiches über die Zeichnerei erzählt. Er selbst ist ein sehr guter Beobachter. Und außerdem malt er wunderbare Aquarelle & schneidet & schnitzt vortrefflich in Holzplatten. Seine Farbholzschnitte wirken transparent & leicht. Bei ihm studierte ich nach der Grundlehre. Grafik-Design. In dieser Zeit gab es eine sommerliche Exkursion in die Povence, an der ich dreimal teilnahm. Vierzehn Tage in der Landschaft sitzen & zeichnen. Meistens Aquarell. Ich glaube, diese Zeit hat mich bis heute beeinflusst in der Art, eine Landschaft zu sehen & wahrzunehmen. Mein Interesse an Landschaftzeichnerei wurde damals geweckt, die Bilder sind bis heute in meinem Kopf! Ich war geradezu süchtig nach Landschaft. Auch wenn ich oft glaube, das Gegenteil dessen zu machen, was Heinz Popp lehrte. Es verging kaum eine Reise nach diesem Studium ohne Skizzenbuch, Zeichenblock & Aquarellfarben.
Und nicht zu vergessen: mein Freund Ralf. War Lehrbeauftragter bei den Innenarchitekten, fantastischer Zeichner & Zeichnenerklärer. In Ralfs Altbauwohnung in der Saarbrücker Innenstadt stand eine große Radierpresse. Er weihte mich ins Handwerk des Kratzens & Druckens ein. Hier verbrachten wir unzählige Wochenenden, zogen nächtelang zeichnend von Kneipe zu Kneipe um anschließend gegen Morgen die zusehends verschwommenen Eindrücke in Kupferplatten zu ritzen. Fruchtbare, nachhaltige Nachtschichten, in denen ich vor allem viel über das Leben & über die Kunst des Zeichnens & der Radierung lernte. Ich glaube sogar, dass ich ohne die Anstöße von Ralf heute noch vor dem Bildschirm eines Rechners in irgendeiner Werbeagentur sitzen & über verpasste Chancen nachdenken würde.
Ohne Titel („Der Politiker Max Braun“), 2016
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Der Politiker Max Braun. Ehrenbürger der Stadt Saarbrücken.
Mit den Porträtaufträgen ist es nämlich so: die meisten Künstler wissen in aller Regel nicht genau, wie die Sache ausgehen wird. Ich auch nicht. Erst mit der Beschäftigung der zu porträtierenden Person beginne ich zu ahnen, auf was ich mich eingelassen habe. Es ist sicherlich einfacher, eine lebende Person zu porträtieren. Die Begegnung mit einem Menschen & die Beobachtungen die ich während dieser Begegnung mache, fließen in ein zu malendes Porträt ein. Auch der Klang der Stimme, die Art, wie sich der Mensch bewegt, kleine Eigenarten, Auffälligkeiten, typische Verhaltensmerkmale – all das macht einen Menschen aus.
Max Braun ist 1945 gestorben. Es existieren nur vergleichsweise wenig Fotos. Und ich hatte nicht immer den Eindruck, auf allen Fotos den gleichen Menschen zu sehen.
Aber das Foto, das ich als Vorlage für mein Porträt auswählte, fiel mir sehr früh auf. Ausdruck & Haltung seiner Persönlichkeit strahlen eine gewisse Ruhe aus, der augenscheinliche Habitus erweckte sofort mein Interesse – eine besondere Aura geht von dem Foto aus, ja, vielleicht sogar ein gewisses Charisma, was ich bei anderen Schnappschüssen in dieser Form nicht erkennen konnte. ich weiß nicht, von wem dieses Foto stammt & unter welchen Umständen es aufgenommen wurde, aber dieses Foto eröffnete mir sofort einen Zugang zur Person von Max Braun. Verbunden mit Stationen seines Lebens, seines Wirkens & seiner Arbeit entstand allmählich die Ahnung einer Vorstellung.
Ideen reifen bei mir während des Malens. Vor allem der Klang der Farben im Bild entwickelt sich erst allmählich. So hatte Max Braun in den Wochen, die ich mit ihm im Atelier verbrachte, recht unterschiedliche Mäntel an. Fast täglich änderte ich Farbe, Muster & Struktur & verlief & verrannte mich mitunter regelrecht in den Falten. Der Ausdruck im Gesicht – nicht die Farbigkeit – ging mir da vergleichsweise leicht von der Hand.
Anfangs hatte ich einen Heidenrespekt vor der Aufgabe, die Ehre, dieses Porträt malen zu dürfen war erstmal eine schwere Bürde. Aber von Tag zu Tag konnte ich mich davon regelrecht freimalen & es war mir immer mehr eine Freude, die Tage mit Max Braun verbringen zu dürfen.
Das Bild sollte trotz widriger Lebensumstände & Zeiten ein gewisse Lebensfreude & Leichtigkeit ausstrahlen & der Person Max Braun nahe kommen. Nicht nur im Sinne einer Ähnlichkeit mit einer zufälligen Fotografie.
Ohne Titel („Selbstformer“), 1999
Acryl, Öl auf Leinwand, 190 x 270 cm
Ohne Titel („Der kalte Rest“), 1999
Acryl, Öl auf Leinwand, 190 x 270 cm
Die beiden Bilder aus dem Jahr 1999 entstanden für den kleinen Sitzungssaal des Saarbrücker Schlosses. Damals schrieb ich zu diesen Bildern (sowie auch anderen, die ich in dieser Zeit gemalt habe) folgenden Text:
„Für mich sind meine Bilder voller Dynamik & Bewegung; ich versuche sie offen zu halten, der Betrachter kann die Möglichkeit wahrnehmen, weiter zu malen, zumindest im Kopf. Dadurch entsteht ein Teil der Bewegung in Bildern. Ähnlich wie in einem guten Kinofilm, dessen Ausgang offen ist (abgesehen davon, dass sich im Film die Bilder bewegen). Der Film, der uns nach dem Kinobesuch noch beschäftigt, also in Bewegung hält, weil die Spannung einfach noch da ist. Im Kopf wird der Film weitergedreht, man will ihn zu einem Ende bringen.
Das Bild wird Teil des Raumes, Teil der Realität & Teil der Zeit in der wir uns bewegen – mit dem Betrachten des gemalten Bildes, mit dem Beginn der Wahrnehmung des Bildes entsteht der Moment, sein Moment – und das macht für mein Verständnis ein Teil seiner Zeitlosigkeit aus.
Wir können uns fragen: Was geht da jetzt gerade vor? Während das Foto in aller Regel auf einen Vorgang in der Vergangenheit hinweist, hat das gemalte Bild keine Vergangenheit in diesem Sinn … es ist einfach jetzt da. Die Farben waren ja vorher in der Tube. Trotzdem erzählt das Bild eine Geschichte & hat möglicherweise eine Vergangenheit. Es zeigt ja einen Vorgang, einen Prozess, der ja nicht bei Null angefangen hat.
Eigentlich mag ich keine Hierarchien. Unser Leben, Unsere Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft – alles wird bestimmt von Hierarchien und baut auf Hierarchien. Hierarchische Ordnungen bilden Grundlagen für Wertmaßstäbe. Möglicherweise ist das auch wichtig für unser Überleben. Wir müssen selektieren, Prioritäten setzen und brauchen Maßstäbe.
In meinen Bildern gibt es keine Hierarchien – oder sollte es keine geben. Jede Farbe, jede Struktur hat ihren eigenen Raum, ihre eigene Zeit und erfüllt ihre eigene, ihr gemäße Funktion im Bild. Im Zusammenspiel entfalten sie ihre Kraft und ihre Wirkung. Herausgelöst aus ihrem bildnerischen Zusammenhang wären sie wahrscheinlich nichts – oder alles – vor allem aber unverbindlich. Im Gemälde, in der Zeichnung darf alles sein. Möglicherweise funktioniert hier die Anarchie als positive Utopie …
Um die Jahrtausendwende beschäftigte ich mich mit dem Auflösen von Formen. Konkrete Körperlichkeit & Figürlichkeit faserte aus, sowohl an den Grenzen als auch in den Binnenräumen. Körper & Raum flossen zusammen. Zu sehen waren Fragmente von Figuren, Körpern. Chiffren oder Reste, Erinnerungen. Die Bilder zeigten Beobachtung einer Auflösung- oder auch das Gegenteil: Vielleicht beobachtete ich ja, wie sich gerade etwas formte aus diesem „Urschlamm“ der Farbe. Der Ausgang (oder das Ende) ist ungewiss.“
Ohne Titel, 2016
Acryl, Öl auf Leinwand, 30 x 40 cm
Die Arbeit entstand nach einem Foto, das ich aus dem fahrenden Zug aufgenommen hatte. Eine herrlich bewegungungs-unscharfe Fotografie, irgendwo zwischen Saarbrücken & Bonn. Steht ein bisschen solitär.
Ohne Titel, 2016
Bleistift, Monotypie, Öl auf Papier, 44 x 63 cm
Die erste Arbeit im neuen Jahr. Irgendwie bin ich gerade nicht mehr glücklich mit meinen Bildern; sie erfüllen mich nicht mehr; sie werfen keine neuen Fragen mehr auf.
Zu routiniert.
Würde ich jetzt so weitermalen bis ans Ende aller Tage, würde irgendjemand irgendwann vielleicht sagen, dass ich konsequent & unbeirrt meinen Weg gegangen bin.
Es wird Zeit, dass ich dieses Terrain verlasse & neue Bilder suche. Oder wieder an Liegengebliebenes aus der Vergangenheit anknüpfe.
Aber vorher muss ich noch eine Ausstellung vorbereiten.
Ohne Titel, 2014
Bleistift, Monotypie, Öl auf Papier, 42 x 29,7 cm
Die Galerie Szalc widmet dem Künstler Armin Rohr vom 21.11. bis zum 21.12.2015 eine Einzelausstellung in der Galerie in Bonn und im Denkraum Siegburg. Unter dem Titel: „In sanfteren Gefilden“ werden Arbeiten des Malers und Zeichners aus den letzten zwei Jahren gezeigt.
Die jüngsten Werke von Armin Rohr zeichnen sich vor allem durch eine Verknüpfung von komplexen Wandinstallationen, bestehend aus Wandmalereien, Bildern und Zeichnungen, und autonomen Ölgemälden, Zeichnungen und Monotypien aus. In der Doppel-Ausstellung werden hauptsächlich Werke in Mischtechnik auf traditionellen Medien wie Papier oder Leinwand sowie einige wenige Werke auf Aluminium gezeigt.
In den einzelnen Arbeiten wechseln sich runde, organische Formen mit graphischen Strukturen ab. Auf zumeist weißem Hintergrund erzeugt das Zusammenspiel von amorphen, abstrakten Körpern, Flächen, Punkten und Linien die Illusion von Räumlichkeit. Sie bilden einen eigenen Wirkungsraum von Figuren und Strukturen. In den meist sehr farbintensiven Arrangements kombiniert Armin Rohr organisch wuchernde Formen, Überbleibsel und Chiffren von Figürlichkeit und abstrakte Farbflächen zu einem assoziationsreichen, aber fremdartigen Kosmos, zwischen Ekstase und Untergang.
Die offenen Kompositionen lenken den Blick des Betrachters über die Bildfläche hinaus. Die lebendig wirkenden, kreisenden Formen und zeichnerischen Elemente befinden sich in stetiger Bewegung und scheinen die Bildfläche, beziehungsweise den Raum, zu verlassen. Die Bewegung ist einer der wichtigsten Aspekte in Rohrs Arbeiten. Die Unruhe der Werke wird von einer gewissen Spannung begleitet, die entweder den Eindruck von Dynamik vermittelt, oder Kälte und Starre suggeriert.
Die Komplexität des Werkes von Armin Rohr äußert sich nicht nur in der Fülle der Techniken, sondern auch im differenzierten und vielseitigen Spektrum der Formen, der kompositorischen Findigkeit und der frischen, unkonventionellen Art und Weise mit Farbe, Form und Raum umzugehen.
Zur Vernissage mit Künstlergespräch am 20.11.2015 um 19.30 Uhr im Denkraum Siegburg laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.
Ausstellungsdauer:
21. November – 21. Dezember 2015: Galerie Szalc, Bonn
21. November – 01. Dezember 2015: Denkraum Siegburg
Unser Atelierhaus war auch dabei. Kollektiv. Der Verein organisiert diese zwei Tage für uns Künstler. Wir müssen lediglich die Türen öffnen. Und Kuchen backen. Ums Haus macht sich traditionell ein wenig Volksfeststimmung breit. Es gibt Getränke- & Essensstände; die Mitarbeiter des Vereins verkaufen unseren Kuchen & Kaffee; der Erlös des Verkaufs geht zur Unterstützung an den Verein.
Mehr als 1.500 Menschen besuchten an diesen zwei Tagen das KuBa.
Ich habe kaum Erinnerungen an das Wochenende. Die Stunden rauschten vorbei. Gesprächsfetzen & Gesichter im Stakkato, Krümel aus Erinnnerungen an Freunde oder Fremde. Wie im Rausch dehnten sich die Stunden aus ins Unendliche. Am Ende hatte ich das Gefühl, als sei die Zeit explosionsartig abgefackelt wie ein Feuerwerk. Scheinbar endlose Tage zerbröselten zu winzigen Brosamen.
Außerdem ist man abends heiser.
Aber auch viele der Besucher rauschten vorbei. Zum Beispiel an meiner offenen Ateliertür. Schauten nicht ins Atelier. Eilten einfach vorbei. Nicht nur an meinem Atelier, sondern auch an den Ateliers der Kollegen. Manchmal reckte jemand der Vorbeieilenden den Hals in die Tür. Ein scheuer Rundumblick, grußlos & fahrig.
Flüchtige Blicke von flüchtigen Besuchern streiften auch die Bilder in den Fluren des Atelierhauses. Blicke, die suchen & nicht wirklich finden, nicht finden wollen, nichts sehen oder erkennen. Vielleicht haben sich diese Menschen auch nur verlaufen. Sind zufällig ins Haus gestolpert, hatten die Möglichkeit wahrgenommen, Kaffee zu trinken & Kuchen zu essen, hatten sich in den Weiten der Treppenhäuser & Gänge der unterschiedlichen Stockwerke verirrt & suchten nun verzweifelt den Ausgang. Suchende soll man nicht aufhalten.
Natürlich, es gab es auch mir unbekannte, neugierige Besucher, die sich trauten, ihre Füße in die einzelnen Ateliers zu setzen – abgesehen von den Freunden, Kollegen & Bekannten, die sowieso immer dabei sind. Manche Besucher fotografierten: „So muss es in einem Künstleratelier aussehen!“ Fotografierten mehr als sie guckten. Zum Beispiel den Fußboden, Tische mit Pinseln & zerknautschten, klebrigen Farbtuben & die Schuhe des Malers. Auch Bilder. Aber meistens die Klischees.
Es gab seltsame Begegnungen, merkwürdige Besucher & vor allem denkwürdige Kommentare, die im Kopf haften geblieben sind. Manche habe ich aufgeschrieben:
„Ah ja! Allmählich wird es wieder besser!“
„Können Sie von Ihrer Kunst leben?“
„Wer kauft denn so was? Hier im Saarland? Hier ist doch kein Geld.“
„Haben Sie auch noch einen anderen Beruf?“
„Haben sie Kunst studiert?“
„Und Sie sind … professioneller Künstler?“
„Wie machen Sie diesen Effekt? Wissen Sie, ich male nämlich auch.“
„Darf ich den Fußboden fotografieren? Das ist ja ein richtiges Bild!“
„Das Grün da rechts oben im Bild – irgendwie stört mich das. Ich weiß nicht … Grün gefällt mir nicht als Farbe. Naja, ich habe ja auch keine grünen Kleider“
„Hah! Die fröhliche Unterwasserwelt! Da malt jemand die bunte Koralle, die lustige Qualle & den intelligenten Oktopus! Habe ich recht?“
„Die figürlichen Arbeiten haben mir besser gefallen. Ich kann ja mit abstrakter Kunst eh nichts anfangen. Konnte ich noch nie. Figürliche Kunst finde ich besser. Da sieht man wenigstens, ob jemand was kann!“
„Wie teuer ist so ein Bild? Und wie lange brauchen Sie eigentlich für so ein Bild?“
„Verdienen Sie Geld mit Ihrer Kunst?“
Ich habe nichts verkauft, weder samstags noch sonntags. Gratis-Postkarten gingen weg wie warme Semmeln. „Es geht nicht nur um den Verkauf“, sagte der Kollege. „Du musst Präsenz zeigen.“
„Könnten Sie mir die Karte noch signieren?“
Ich zeigte zwei Tage Präsenz & war anschließend sehr müde.
Es gab aber auch schöne Begegnungen, nachhaltige Gespräche & fruchtbare Diskussionen mit offenen Menschen.
Als Künstler wünscht man sich ja gelegentlich ein Feedback. Keine Streicheleinheiten, keine Lobhudelei. Keine hochwissenschaftliche Laudatio, wie man sie kennt von Vernissagen. Keine oberfächlichen Kommentare bei einem Gläschen Crémant.
Sondern wirklich herausforderdernde Fragen & Gedanken von aufmerksamen Beobachtern.
Aber ich komme auch ganz gut mir mir allein zurecht.
Ohne Titel, 2015
Alkydharz auf Aludibond, 100 x 80 cm
Heute Morgen kurzfristig drei Bilder im Jobcenter umgehängt. Verrückterweise sollten die Arbeiten nämlich installiert werden, bevor die Behörde mit Sack & Pack Einzug hält. Zuerst war ich skeptisch, aber für Situationen wie oben bin ich dann dankbar. Erst das Bild, dann der Ficus benjamina mit dem Sitzmöbel. Eine subtile Collaboration mit der Innenausstatterin. Ausgerechnet mit meinem Selbstporträt. Das ist so schön!
Kannte ich bis jetzt nur vom Hörensagen. Betreten habe ich bisher noch keins. Mir war auch nie so richtig bewusst, was in diesen Häusern verhandelt wird.
Vor einiger Zeit lernte ich – es war während der ART Karlsruhe – den Kollegen Mathias Weis kennen. Ich erfuhr nicht nur, dass er ein großartiger Maler ist, sondern auch ein Buch geschrieben hat: „Zwischen Leinwand & Hungertuch“ heißt der Titel.
Weis schrieb dieses Buch sozusagen als Antwort, als Reaktion auf ein Buch der britschen Kunsthistorikerin und Soziologin Sarah Thornton: „Seven Days in the Art World“. Weil er sich in deren Buch – wie gefühlt fünfundneunzig Prozent anderer Künstler – nicht repräsentiert fühlte.
Thornton schreibt über eine Kunstwelt, nämlich die Spitze der Kunstweltpyramide, die ich nicht kenne & auch nicht kennen lernen möchte, die auch nicht meine Kunstwelt ist, nämlich die Kunstwelt der Reichen, Berühmten & Schönen. Künstler, Kuratoren, Sammler & andere wichtige Menschen. Wie auch immer.
Ich habe es nicht gelesen.
Auf Spon ist gerade ein Interview mit Sarah Thonton zu lesen. In ihrem neusten Buch geht sie anscheinend der Frage nach, was einen Künstler in unserer Zeit überhaupt ausmacht. Wer oder was ist ein Künstler. Ich habe nach diesem Interview den Eindruck, dass mich auch dieses Buch nicht sonderlich interessiert. Ich weiß nicht, was einen Künstler ausmacht. Ich will es auch nicht wissen.
Lustig finde ich eine Bildunterschrift in diesem Interview:
„Damien Hirst, vor seinem Gemälde „I Am Become Death, Shatterer of Worlds“: einer der wesentlichsten und bekanntesten Künstler heute“.
Was zum Teufel ist ein wesentlicher Künstler?
Bin ich ein wesentlicher Künstler? Bin ich im Wesentlichen Künstler? Im Wesentlichen bin ich mir fremd, das habe ich bereits herausgefunden.
„Es gibt zwei Möglichkeiten für einen Künstler auf die erste Seite einer Zeitung zu gelangen: Mach einen Haufen Geld oder stirb. Oder töte jemanden …“
Handlungsanweisung zum berühmt werden. In Frau Thorntons Universum gibt es wenig Möglichkeiten. Alternativlos. Auch hier klammert sie anscheinend wieder die vielen unterschiedlichen Lebensentwürfe & Überlebensstrategien der meisten Künstler & Kollegen aus, die ich kenne. Und viele dieser Kollegen machen bei weitem ernsthaftere & bessere Kunst als Herr Hirst. Unter manchmal schwierigen Umständen.
„Stirb oder töte jemanden.“ Die Gedankengänge vieler Soziologen bleiben mir bis heute fremd.
Mathias Weis‘ Kunst- & Gedankenwelt allerdings war mir sofort sehr nahe.
In seinem Buch dokumeniert er chronologisch ein paar Monate aus seinem Leben im Jahr 2013. Ein Tagebuch. Der Leser beobachtet einen Künstler beim Versuch, seinen Alltag & sein Leben als Künstler zwischen Atelier, Auftragsarbeiten, Anträgen für Arbeitslosengeld II, Jobs & Gesprächen mit Kollegen, Ausstellungsbesuchen, Gewinnermittlungen für das Jobcenter zu organisieren. Sehr offen, ehrlich & authentisch.
Jobcenter.
Mathias Weis ist nicht nur ein sehr guter, ernsthafter Maler, sondern auch ein „arrivierter“ (ein merkwürdiges Wort), bekannter Maler – zumindest in der Region in & um Kassel ist er kein Unbekannter. Sein Buch schreibt er aus der Perspektive eines Malers aus dem unterern Teil der Kunstweltpyramide.
Lest das, Künstler! Besser: alle, die Ihr es werden wollt!
Was macht man da so für Kunst, in diesem Jobcenter? Die Kundschaft in diesen Einrichtungen rekrutiert sich ganz sicherlich nicht aus Menschen der obersten Spitze der Pyramide unserer Gesellschaft – was Karriere, Vermögen, Ansehen & wahrscheinlich auch Ausbildung & Beruf betrifft.
Die Kunst sollte also weder provozieren, arrogant & unnahbahr wirken noch mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger daherkommen.
Auch keine unaufgeregten Farbtupfer an der Wand. Und nichts was die Architektur aufhübscht oder einfach nur illustriert.
Nach einigen Terminen & Konzepten, Entwürfen & Ideen kristallisierte sich folgender Ansatz heraus: Ich male auf Aludibond, Menschen in unterschiedlichen Tätigkeiten & Berufen, farblich reduziert. Allein Werkzeuge & Umfeld werden ausgespart, verschwinden vorm weißen Hintergrund oder bleiben weiß.
Je nach Motivlage entstehen so manchmal eindeutige, aber auch vielleicht rätselhafte Konstellationen. Sofern beispielsweise die weißen Silouetten von Werkzeugen vor einem Körper zu sehen sind, kann der Betrachter noch Rückschlüsse auf die Tätigkeit ziehen. Aber nicht immer auf den Beruf. Menschen, die auf Bildschirme starren & möglicherweise mit der Computermaus hantieren, sind auch keinem Berufbild mehr zuzuordnen. Wir arbeiten mittlerweile fast alle am Rechner. Ob Politiker oder Hartz4-Empfänger. Oder Künstler.
Die Größe der Platten ist unterschiedlich, zwischen 40 x 30 cm & 120 x 100 cm. Sie werden spielerisch an den Wänden der vier Stockwerke des Jobcenters verteilt. Keinesfalls regelmäßig, in unterschiedlichen Höhen, auf alle Fälle überraschend, unerwartet. Mal einzeln, mal in Gruppen. Die Bilder werden oben & unten jeweils mit zwei sichtbaren Schrauben an der Wand befestigt. Einfach & roh. Der Eindruck von Dekoration soll vermieden werden. Immer & überall. Vor allem nicht dekorativ. Natürlich nicht. Das ist das Totschlagurteil. Dekorativ ist schlimmer als nett.
So ist der Plan.
Eigentlich wollte ich direkt auf die Wand malen, aber wir fanden keine Lösung, die Malerei zu schützen. Nicht, dass ich die Wandmalerei schützen wollte, im Gegenteil, nein, aber man hatte Bedenken. Die Malerei, die ich eigentlich gar nicht schützen wollte, zum Beispiel vor übereifrigen Renovierern oder gar Randalierern & Vandalisten. Den Vorschlag, mit einem gewissen Abstand Plexiglas davor zu schrauben, lehnte ich ab. Das riecht nach wertvoller Kunst. Überhaupt nach Kunst. Dadurch wird ein lapidares Wandbild wertiger als beabsichtigt. So mein Einwand. Wie die Mona Lisa im Louvre. Unter Panzerglas. Unnahbar. Genau diesen Eindruck wollte ich vermeiden. Außerdem habe ich ja dann doch wieder ein Rechteck. Also wieder ein Bild. Horizontale & vertikale Kante.
Die Malerei auf den dünnen Aludibondplatten geht zwar auch mit der Wand eine Verbindung ein, aber je nach Situation & Licht verschmelzen sie mit dem Hintergrund, man fühlt sich an Wandmalerei erinnert.
Unbekannter Urheber
Ohne Titel, 2015
Mischtechnik auf Arbeitsplatte, ca. 50 x 70 cm
Stand heute in dem Gebäude, wo sich mein Bilderlager befindet. Eine wunderschöner Arbeitstisch. Von oben fotografiert. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen; schöner kann man es nicht wollen. Wie so oft.
Das Fehlen jedweder Absicht scheint manchmal eine gute Voraussetzung für eine gelungene Malerei zu sein.
Im letzten Oktober erhielt ich über eine Kollegin den Hinweis zu einer Ausstellung in China. Das Art Museum in Qingdao rief auf zur Teilnahme an der „2014 Qingdao International Watercolor Biennial Exhibition“. Ich bewarb mich sehr kurzfristig mit vier Arbeiten, die auch tatsächlich für die Ausstellung ausgewählt wurden (Die Ausstellung lief von 12. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2015). Zur Eröffnung waren die Teilnehmer eingeladen: Flug, Spesen, Übernachtung wären vom Organisator übernommen worden, aber da alles sehr kurzfristig war & ich für diese Zeit schon viel um die Ohren hatte, musste ich leider absagen.
Noch während der Ausstellung, Mitte Dezember, kam eine Anfrage des Museums. Man wollte eine Arbeit ankaufen. Ob ich damit einverstanden wäre. Natürlich hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Ein Ankauf eines Museums? Auch noch in China? Großartig!
Der Kaufvertrag lag ein paar Tage nach der Anfrage in meinem elektronischen Postfach.
Das Museum wollte witzigerweise bis dato nicht wissen, wie viel meine Arbeiten kosteten. Man teilte mir lediglich mit, dass alles ausreichend versichert sei. Der Preis für die Arbeit war einfach im Kaufvertrag vom Museum festgelegt worden, ohne mich vorher zu fragen. Diese Tatsache irritierte mich zunächst sehr; aber der Kaufpreis war aber überaus großzügig bemessen. Er überstieg sogar den Wert einer meiner Zwei-Meter-Leinwände. Was mich noch mehr irritierte. Mit chinesischen Gepflogenheiten & Geschäftsmodalitäten bin ich nicht vertraut. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Druckfehler oder einfach einen Irrtum.
Ich druckte den Kaufvertrag sofort aus, unterschrieb ihn, als er noch halb im Drucker hing, scannte ihn ein & schickte das PDF per Mail ans Museum zurück.
Am letzten Tag des letzten Jahres war eine erschien eine größere Summe aus China auf meinem Konto. Anscheinend erhielt ich das für meinen Flug & den Aufenthalt eingeplante Geld, welches ich ja nun nicht in Anspruch genommen hatte, zusätzlich zum Preis des Bildes. Oder so. Egal. Ich habe es bis heute nicht verstanden. Die Kinder, die Ehefrau & ich freuten uns über diesen unverhofften Geldsegen & verprassten alles innerhalb der nächsten Tage. So hielten wir es schon immer. Außerdem war ja ein paar Tage vorher Weihnachten & wir hatten noch keine Geschenke.
Heute kam eine Kiste aus China. Vermutlich handelt es sich um die drei anderen Arbeiten der mittlerweile zu Ende gegangenen Ausstellung.
Ich habe nicht hineingeschaut & die Kiste ungeöffnet ins Lager gestellt.
Wahrscheinlich werde ich sie zu Lebzeiten auch nicht mehr öffnen; möglicherweise aber irgendwann einmal in einer Ausstellung zeigen. Ungeöffnet. Zusammen mit dieser Geschichte. Oder einer ähnlichen.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Mercedes-Sprinter-Zeichnung. Saarbrücken, entstanden am 30. Januar auf dem Parkplatz vorm E-Haus.
Mercedes-Sprinter-Zeichnung. Saarbrücken, entstanden am 31. Januar auf dem Parkplatz hinterm KuBa.
In Ermangelung eines Skizzenbuches zeichnete ich vor einigen Tagen während zweier Kunsttransporte mit einem Mercedes-Sprinter Kreise in den Schnee auf dem Parkpaltz hinterm KuBa. Die Zeichnungen sind mittlerweile nicht mehr zu sehen. Temporär & ephemer. Wie man so sagt.
Manchmal dauert etwas länger, bis ich eine Arbeit dokumentiere. Im Fall des Europa-Institutes an der Universität in Saarbrücken dauerte es fünf Jahre, bis ich wieder in den Räumen war & ein paar Fotos schießen konnte. Und dann nochmal zwei Jahre, um einige, eher schlechte Fotos hier einzustellen. Die Licht- & Raumsituation vor Ort ist kompliziert. Zu kompliziert für meine bescheidenen Fotografierfähigkeiten.
Vorgabe: vier Arbeiten sollten in bereits vorhandene Vitrinen & Nischen installiert werden (Die ersten sechs Fotos auf der Seite). Was mir eigentlich überhaupt nicht gefiel. Ganz & gar nicht. Ich mag es nämlich nicht, wenn ich meine Arbeit räumlichen Gegebenheiten anpassen & somit unterordnen muss. Wir haben lange überlegt. Irgendwann habe ich mich mit dem Gedanken an die Rahmen angefreundet. Vielleicht, weil die Arbeiten so herrlich deplatziert erscheinen. Überhaupt, das ein oder andere, was ursprünglich geplant war, war technisch nicht möglich & musste vor Ort verändert werden.
Die beiden über 4 Meter langen Vitrinen sind von schweren, dunklen Metallrahmen eingefasst. Die Arbeiten darin wirken besser als ich anfangs vermutete. Fremdartig.
Die beiden Hochformate reichen bis zum Boden; hätte ich freiwillig nie an diesen Platz in dieser Form gehängt oder installiert. Das Konglomerat von unterschiedlichen Türen, Bodenbelägen, unruhiger Architektur und der heftigen Farbigkeit in den Bilder erinnert an eine Collage. Unterschiedliche, einander widersprechende Realitäten prallen unvermittelt aufeinander.
Eigentlich unmöglich, aber so ist das wohl in Europa derzeit. Nicht immer schön. Leider. Aber dadurch sind die Bilder nicht einfach nur Aufhübschung der Räume. Sondern versuchen sich trotz der Vorgaben zu behaupten. Störrisch & widerspenstig.
Der Rest – unregelmäßig geschnittene Platten (ähnlich wie hier) – frei auf der Wand.
Man rauft sich zusammen & wundert sich, dass alles irgendwie funktioniert.
Ohne Titel („Matti“), 2004
Kugelschreiber auf Banane, ca. 25 cm
Wir waren spazieren. Irgendwo in der Provence. Während einer kleinen Rast auf die Banane meines Freundes Matthias gezeichnet. Relativ nachhaltige Kunst ist das. Eine schnelle Zeichnung auf eine Banane wird dann sehr zeitnah in einem Abfalleimer entsorgt. Ich werde mal mit meinem zuständigen Bananenhändler sprechen. An einem Vormittag zeichne ich auf Bananen, die dann mit einem Aufschlag verkauft werden. Vielleicht porträtiere ich die Bananenkäufer.
Was mich natürlich sehr gefreut hat. Wirklich sehr.
Anbei das Interview (Für die Saarbrücker Hefte: Bernd Nixdorf).
SH: Warum sind Sie Künstler geworden?
AR: Ich habe immer gemalt und gezeichnet. Und nie damit aufgehört. Allerdings war mir lange Zeit nicht klar, was ich damit anfangen kann.
Also begann ich ein Studium. Grafik-Design. Ohne zu wissen, auf was ich mich da wirklich einlasse. Das war die falsche Entscheidung.
Nach einigen Semestern merkte ich, dass mein Herz für die Freie Malerei schlug. Einen Abschluss machte ich trotzdem, mit viel Widerwillen, um dann einige Jahre später an der HBK in Saarbrücken Malerei zu studieren.
Das war die richtige Entscheidung.
SH: Gibt es ein Kunstwerk, das für Sie von besonderer Bedeutung ist?
AR: Spontan denke ich an den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar. Eine Abbildung dieses Werkes habe ich zum ersten Mal gesehen, als ich bei Oskar Holweck in der Grundlehre war.
Allein dieses Foto fand ich damals schon unglaublich beeindruckend, geradezu aufwühlend und ergreifend.
Aber es sind eher einzelne Künstler, die für mich von Bedeutung sind, als einzelne Werke. So zum Beispiel Vermeer, Dürer, Velásquez, Goya, Munch. Unter den lebenden Zeitgenossen fällt mir da Hockney ein.
Mit Kandinsky konnte ich noch nie was anfangen.
SH: Denken Sie viel über Ihre eigene Kunst nach? Verändert das Ihre Arbeit?
AR: Eigentlich denke ich ständig über meine Arbeit nach. Sobald ich die Augen aufschlage & sehe. Irgendetwas regt mich an, eine Farbe, ein Schatten, eine Linie. Licht. Aber auch, wenn ich die Augen schließe und träume. Vor Ausstellungen male ich nachts träumend an angefangenen oder geplanten Bildern weiter.
Seit Jahren trage ich eine Kamera & einen Skizzenblock mit mir. Dinge, Menschen oder Situationen, die ich fotografiere oder skizziere, vieles was ich wahrnehme hat mit meiner Arbeit zunächst nichts zu tun, fließt aber irgendwann in meine Bilder ein. Oder auch nicht.
Es kann eine Einstellung aus einem banalen Action-Film sein. Oder auch nur ein Satz aus einem Buch.
Im Ergebnis zeigt die Malerei meine Haltung zur Welt; möglicherweise ist sie eine Methode, die Welt zu verstehen. Oder auch ein Werkzeug, die Welt zu beobachten, ohne sie zunächst einmal in gut und böse oder schwarz und weiß zu werten. Ich versuche zumindest, mich einer Wertung zu enthalten.
Was treibt mich an, in Bildern zu denken & diese zu malen?
Ich habe keine andere Sprache, in der ich mich ausdrücken kann. Ich weiß nicht, über was ich schreiben könnte und ein Musikinstrument spiele ich auch nicht. Ich denke über die Welt in Bildern nach. Ich beobachte die Welt, ich bin ein ein Teil dieser Welt. In meiner Malerei transformiere ich diese Beobachtungen und Erfahrungen.
Bilder sind für mich keine wiedergebenden, sondern gestaltende, Gestalt gebende Instanzen.
Möglicherweise dokumentiere ich in meinen Bildern einen fortwährenden
„Selbstvergewisserungsprozess”.
Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwierig. Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Möglicherweise springe ich deswegen auch immer mal wieder zwischen Abstraktion und Figuration. Nicht alles lässt sich immer auf eine bestimmte Weise sagen.
SH: Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?
AR: Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.
Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.
Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)
Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.
Das waren dann sehr schöne Momente.
In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.
Ai Weiwei ist ja zur Zeit der „Vorzeigepolitkünstler“. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?
Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken in Form von Bildern.
SH: Was ist für Sie gute Kunst?
AR: Gute Kunst haut mich um. Raubt mir die Sprache. Verschlägt mir den Atem.
Anfang des Jahres war ich im Frankfurter Städel in der großen Dürer-Ausstellung. Ein paar Tage lang war ich wie paralysiert. Was soll man nach solchen Bildern noch malen? Diese unfassbare handwerkliche Qualität, diese wahnsinnige Kreativität, dieser Erfindungsreichtum. Und das vor 500 Jahren!
Letztes Jahr in Köln: David Hockney! Stundenlang bin ich um die Bilder geschlichen und habe versucht, sie förmlich über die Augen in in mein Hirn zu saugen! Ein Genuss! Und auch hier, diese schier unendliche Menge an Ideen und Einfällen, diese Kraft! Immer noch, in diesem Alter! Und diese Leichtigkeit!
SH: Vergessen Sie manchmal die Kunst?
AR: Die Kunst vergessen? Die Malerei? Das Zeichnen? Der Geruch von Ölfarbe? Geht das überhaupt?
Ich war mein Leben lang bildergeil. Ich denke in Bildern, ich träume von Bildern. Ich kann mich berauschen an Bildern. Nicht nur an meinen eigenen, im Gegenteil, meistens sind es die Bilder von anderen, die meine Welt bereichern.
Und auch nicht immer Malerei. Fotografie, Film oder eine Skulptur, eine Plastik. Gerne auch ein guter Comic.
So etwas kann man nicht vergessen.
SH: Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Künstler wären?
AR: Ich kann mir nichts anderes vorstellen.
Nachtrag: Die Ausstellung von Herrn Ai Weiwei im Berliner Martin-Gropius-Bau habe ich mittlerweise gesehen. Mein Gefühl hat sich bestätigt.
Die Texte & Erläuterungen (Begründungen?) zu den einzelnen Werken in der Ausstellung fand ich oft deutlich besser als die künstlerische Umsetzung. Manches Konzept fand ich wiederum so gut & schlüssig, dass man auf die Arbeit verzichten konnte. Da war allein meine Vorstellung schon wesentlich besser.
Einen erhellenden Blick auf die Ausstellung fand ich übrigens bei Castor & Pollux.
Architekur, Flure & Räume sind entsprechend ihrer früheren Bestimmung stinklangweilig (warum eigentlich?) & so ziemlich das Gegenteil vom Klischee des fürstlichen, kathedralhohen & weiten Künstlerlofts in einer ehemaligen Industriebrache in Berlin oder NYC.
Zu den diesjährigen Tagen der Bildenden Kunst wollte ich wenigstens einen Teil des Flures, den Zugang zu meinem Atelier mit einer Wandmalerei aufhübschen. Die Geschichte ist noch nicht ganz fertig, fehlen noch ein paar gerahmte Zeichnungen, vielleicht werde ich auch noch das ein oder andere Detail in der Malerei überarbeiten.
Tage der Bildenden Kunst in Saarbrücken
Samstag, 27. September, 14:00 – 18:00 Uhr
Sonntag, 28. September, 11:00 – 18:00 Uhr
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Vorderseite & Rückseite desselben Blattes.
Je Ohne Titel, 2014
Öl & Sprühfarbe auf Papier, ca. 44 x 64 cm
Gelegentlich nutze ich in meinen Arbeiten spontan die Möglichkeiten der Monotypie. Ich nehme ein Blatt Papier, schmiere eine Seite mit Ölfarbe ein, lege die eingeschmierte Farbseite auf ein Blatt Papier & zeichne auf der Rückseite des eingeschmierten Blattes. Diese Zeichnung drückt sich durch die eingeschmierte Seite auf das jungfräuliche, darunterliegende Blatt.
Einschmierblätter verwende ich meistens für mehrere Arbeiten. Zwischendurch reißt auch mal eine Ecke ab; manchmal finden sie auch Verwendung als Palette oder sonstige Tests.
Während ich beim ersten Durchzeichnen noch ganz gut das Ergebnis der Monotypie erahnen und steuern kann, wird es spätestens nach dem zweiten oder dritten Durchgang ziemlich unübersichtlich – wie man unschwer an der Bleistiftzeichnung erkennen kann.
Manchmal drücke ich ein frisches Blatt Papier auf die Einschmier- & Testseite & ziehe es mit etwas Druck über die Fläche & zeichne mit dem Bleistift auf die Rückseite des Blattes. Die zufälligen Spuren, die dabei entstehen, sind momentan eine gute Grundlage für eine neue Arbeit. Gleichzeitig verändere ich dadurch das Aussehen des Einschmierblattes.
In aller Regel arbeite ich im Knien auf dem verschmutzten, mit Farbe versauten Atelierboden. Auch meine Hände sind nach allen Regeln der Kunst verdreckt.
All diese Prozesse & Arbeitsschritte führe ich sorgfältig & konzentriert aus.
In der Vergangenheit warf ich nach einiger Zeit im Zuge der Atelierhygiene Einschmierblätter, Schablonen & andere Werkzeuge (Tools) weg. Nicht achtlos, sondern immer mit einer gewissen Wehmut.
Mittlerweile aber schwebt mir – in ferner Zukunft vielleicht – eine Ausstellung vor, in der ich nur diese „Tools“, Werkzeuge zeige – aber keine der mittels der Werkzeuge entstanden Arbeiten. Im Gegenteil: Vielleicht sind die Arbeiten, die mit den Werkzeugen entstehen, nur Werkzeuge, die den Entstehungsprozess der Werkzeuge sichtbar machen & überhaupt das Wesentliche?
Der Atelierboden, mit Farbe verdreckte Lappen & Handtücher & andere, am Enstehungsprozess der Arbeiten beteiligten Werkzeuge & Gegenstände könnten diese Ausstellung ergänzen.
Dem geneigten Betrachter fiele dann die Aufgabe zu, mit kriminalistischem & archäologischen Spürsinn über die Artefakte des Arbeitsprozesses & Spuren des Tatortes das Aussehen der Arbeiten quasi zu rekonstruieren.
Je Ohne Titel, 2014
Sprühlack, Öl auf geschnittenem Papier, 21 x 29,7 cm
Manchmal braucht man Punkte. Mit scharfem Rand. Nicht die lapidar mit dem Pinsel gestuppten, sondern scharf umrissene Punkte. Die schneide ich mir dann beispielsweise als Schablone in irgendein Papier, was gerade so rumliegt. Ich bastele mir sozusagen nonchalance mein Werkzeug zum einmaligen Gebrauch. Also eigentlich ein Wegwerfwerkzeug. Weil mit der Zeit & dem Gebrauch werden die Punkte ja immer unschärfer.
Aber gleichzeitig wird mein Blatt mit den Löchern, mein Werkzeug immer schöner.
Ohne Titel („Im Zentrum der Explosion“), 2014
Bleistift, Acryl, Sprühlack auf Papier,
ca. 200 x 150 cm
Für mich sind meine Bilder voller Dynamik & Bewegung; ich versuche sie offen zu halten, der Betrachter kann die Möglichkeit wahrnehmen, weiter zu malen, zumindest im Kopf. Dadurch entsteht ein Teil der Bewegung in Bildern.
Ähnlich wie in einem guten Kinofilm, dessen Ausgang offen ist (abgesehen davon, dass sich im Film die Bilder bewegen). Der Film, der uns nach dem Kinobesuch noch beschäftigt, also in Bewegung hält, weil die Spannung einfach noch da ist. Im Kopf wird der Film weitergedreht, man will ihn zu einem Ende bringen.
Das Bild wird Teil des Raumes, Teil der Realität & Teil der Zeit in der wir uns bewegen.
Wir können uns fragen: Was geht da jetzt gerade vor? Während das Foto in aller Regel auf einen Vorgang in der Vergangenheit hinweist, hat das gemalte Bild keine Vergangenheit in diesem Sinn … es ist einfach jetzt da. Die Farben waren ja vorher in der Tube. Trotzdem erzählt das Bild eine Geschichte & hat möglicherweise eine Vergangenheit. Es zeigt ja einen Vorgang, einen Prozess, der ja nicht in den Tuben angefangen hat.“
Ohne Titel, 2013
unterschiedliche Medien auf Wandmalerei
(Arbeiten auf geschnittenem Papier, gesägtem Aludibond & Aluminium;
Sprühlack, Alkydharz, Öl,), gesamt ca. 325 x 470 cm
Die Arbeit am rechten Rand besteht aus zwei Teilen:
Alkydharz auf Aludibond,
gesamt ca. 125 x 325 cm
Die Arbeit am rechten Rand:
Alkydharz auf Aludibond,
ca. 80 x 60 cm
Fällt mir gerade schwer, meine Arbeit zu kategorisieren. Alles scheint variabel; ich kann die Parameter verändern, je nach Raum & Zeit. Natürlich, die bemalten Aludibondplatten sowie ausgeschnittene Arbeiten auf Papier bleiben – sind Module oder Werkzeuge, mit denen ich auf die Malerei auf der Wand reagiere. Vielleicht aber auch umgekehrt.
Oft sage ich: „Ich bin kein Künstler. Ich bin Maler.“ Das trifft den Nagel eher auf den Kopf.
Eigentlich ist es mir auch egal, was ich bin. Ich definiere mich über das, was ich tue.
Malen. Zeichnen.
Mein Leben lang malte & zeichnete ich. Das mag ein Fehler gewesen sein. Ich wollte nie Künstler werden. Im Gegensatz zu den meisten meiner Zeitgenossen, die als Kinder bestimmt genau so viel oder so wenig malerten wie ich, hörte ich eben damit nie auf. Bis zum heutigen Tag. So einfach ist das.
Als ich mit dem Studium der Malerei begann, hatte ich keine Vorstellung vom „Beruf“ des Künstlers. Möglicherweise habe ich auch noch heute keine Vorstellung. An der Hochschule hatten viele Kommilitonen Vorstellungen. Nicht alle betreiben heute noch die Kunst.
Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass ich eher meine Zeit mit umständlichen Vorbereitungen vertrödele. Mit umständlichen Vorbereitungen auf ein Künstlerleben. Ich stehe permanent in Startlöchern. Wie auch immer dieses Leben dann auch aussehen mag.
Malgründe vorbereiten, Bleistifte spitzen, Farben anrühren – alles nur Vorbereitungen. Und wenn ein Bild fertig ist, bereitest Du eine Ausstellung vor. Aber Bilder werden ja nie fertig. Das habe ich auch gelernt. Das ewige Bild.
Ich bin anspruchslos. Gebt mir Raum, Zeit, Papier & Bleistift & lasst mich ansonsten in Ruhe!
Ich liebe ich Actionfilme. Ich lese gerne Krimis. Ich habe einen Hang zu Profanem & Banalem. Viele meiner Freunde, Bekannten oder Verwandte sind weder Künstler, noch an Kunst interessiert. Geschweige denn würden sie Kunst kaufen. Ein ehemaliger Freund war Autoverkäufer. Ich habe niemals ein Auto bei ihm gekauft.
Ich mag Ballett. Und die Musik von Shostakovich – den verehre ich sehr. Vor allem seine Streichquartette. Unglaubliche Musik!
Überhaupt kam ich sehr spät mit der zeitgenössischen Kunst in Berührung. Ich klebte ja sehr lange an Surrealismus, Impressionismus & – wie man so schön sagt – den alten Meistern. Und nun stecke ich mittendrin.
Die Saar bei Grosbliederstroff (Foto vom 3. Oktober 2013)
„Mich interessiert: die Abbildung der Welt. Die Frage, die mich beschäftigt, lautet: Wie sieht die Welt aus …“ sagt David Hockney in einem Interview in der Zeit.
Auch ich beobachte die Welt, die sogenante „Realität“. Oder das, was ich dafür halte. Malerei ist für mich ein Vehikel, mit dem ich die Welt entdecke. Ich sehe und beobachte die Welt und diese Beobachtungen filtere und transformiere ich über die Malerei. Malerei ist ein Prozess, bei dem ich mich zwischen dem Gegenstand und dem Bild des Gegenstandes bewege. Das Bild ist kein Abbild einer Realität, sondern ein aus dem Prozess wachsendes, gestaltendes, Gestalt gebendes Ding. Etwas für mich gänzlich Neues, Überraschendes – im Idealfall.
Ich male Bilder, um etwas über die Welt und über mich selbst zu erfahren. Mein Bilder geben dem Betrachter die Möglichkeit eines Einblickes, wie ich die Welt wahrnehme und über sie denke – gleichzeitig geben sie ihm eine Möglichkeit, sich selbst wahrzunehmen. Der räumliche & zeitliche Zusammenhang, in dem eine künstlerische Arbeit gezeigt wird ist dabei nicht unwichtig. Unterschiedliche Räume & Zeiten können die Intentionen & Sichtweisen einer Arbeit völlig verändern.
Ich flüchte nicht aus der Realität. Ich untersuche sie, beziehungsweise ich untersuche einen Teil meiner Realität. Diese Beobachtungen haben mit mir zu tun und ich hoffe, dass sie auch für den geneigten Betrachter möglicherweise von einer gewissen Relevanz sind. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meiner Arbeit nur wenig Menschen erreiche – der „Wirkungsgrad“ also eher bescheiden ist. Kunst, beziehungweise die Beschäftigung mit Kunst ist ja eigentlich nach wie vor einem kleinen Teil der Bevölkerung vorenthalten. Dem Großteil der Menschen fallen zum Thema Kunst sowieso nur die geschmacklosen Preisrekorde ein, die Bilder von lebenden oder toten Malern bei Auktionen erzielen.
Mit einiger Sicherheit kann ich sagen, dass meine künstlerische Arbeit auf mich und mein Leben wirkt. Sie beeinflusst jeden Bereich; die Art und Weise, wie ich über viele Dinge denke und wie ich handele wird bestimmt von einer Struktur, die etwas zu tun hat mit meiner Auffassung von Bildern. Als Maler schlägst Du morgens die Augen auf und siehst Bilder. In der Nacht träumst Du von und in Bildern. Das hat einfach Auswirkungen.
Sind meine Untersuchungen relevant? Politisch? Teil eines gesellschaftlichen Prozesses?
Alles Fragen, auf die es für mich keine messbaren Antworten gibt. Fragen, die mich eigentlich auch nie bewegt haben. Ich tue das, was ich tue, weil ich es tue.
Die Beschäftigung mit Kunst und das Nachdenken über Kunst aber bleibt ja oft elitäre und privilegierte Angelegenheit und dient in aller Regel meistens nur der Aufhübschung des Alltags. Leider.
Künstlerische Freiheit ist etwas sehr schönes. Wird aber oft – soweit ich es beobachten kann – missverstanden. Verantwortung für mein Tun und Handeln trage ich zuerst immer als Mensch. Der Mensch ist nicht vom Künstler zu trennen. Oder doch? Aber das ist wieder ein neues Fass.
Ich kann mich während des Malens vergessen. Während der Malerei, während der Arbeit bin ich mich auf mich selbst zurückgeworfen. Es ist niemand da, der mich unterstützt oder mir eine Alternative zeigt, wenn die Arbeit stockt. Ich mache alles mit mir aus.
Bilder spielten in meinem Leben immer schon eine wichtige Rolle. Und ich meine jetzt nicht meine gemalten Bilder, sondern Bilder von anderen, Gemälde, Fotografien – auch Filme. Ich war immer bildergeil. Überhaupt, ich könnte mein Leben mit dem Betrachten von Bildern verbringen. Mit dem Beobachten. Ein Leben lang einfach nur gucken. Malen & Zeichnen ist für mich einfach nur die logische Konsequenz des Guckens.
„Alles Beobachten ist auch Erfinden.“ Sagt Rudolf Arnheim.
Eigentlich möchte ich ja nur in aller Bescheidenheit arbeiten. Tatsächlich war mir die Wirkung meiner Bilder auf andere Menschen immer egal. (Außer der Meinung meiner Geliebten und Ehefrau.) Während des Malens klammere ich diesen Gedanken aus. Interessiert mich nicht, hat mich nie interessiert. Trotzdem kann ein Bild in einer Ausstellung wichtig für einen Betrachter sein. Relevant. Der Grund muss nichts zu tun haben mit meinen Intentionen. Es kann ein Gefühl sein, eine Emotion, die ich wecke. Vielleicht ist es auch ein Farbklang im Bild, eine figürliche Konstellation, die jemanden berührt.
Natürlich frage ich mich, ob sich die Arbeit bewährt, ob alles „trägt“ (sagte mein alter Prof. immer), ob sie „Qualität“ hat. Gelegentlich gibt es natürlich mal eine Rückmeldung. Wie auch immer. Ob gut oder weniger gut – am Ende bin ich wieder auf mich selbst zurückgeworfen. Allein im Atelier. Es bleibt immer ein kleiner Rest Zweifel.
Reaktionen auf meine Arbeiten sind herzlich willkommen. Falls meine Bilder eine Wirkung Betrachter haben, um so schöner, aber es ist, wie gesagt, nicht wichtig für mich. Die meisten Menschen sehen sich Bilder in meinen Ausstellungen an und ich bin ja nicht permanent in meinen Ausstellungen. Höchstens mal zur Vernissage bin ich anwesend. Da gibt es natürlich überwiegend positives Feedback; die meisten Menschen sind ja höflich. Wenn man Menschen in Ausstellungen beobachtet, tuscheln sie oft. Ich glaube, für die Künstler verheißt das nicht immer Gutes. Kritisches und Konstuktives gibt es meistens von geschätzten Kollegen. Von manchen fordere ich das auch ein. Das sind dann oft fruchtbare Gespräche und Diskussionen.
Ich habe übrigens weder Sendungsbewusstsein noch will ich die Welt missionieren.
Meine Bilder sollen für sich stehen. So wie Bäume in einer grünen Wiese.
Über die kann man auch nachdenken. Muss man aber nicht.