über die arbeit
Kokolo Kokolores
Im Aquarellbuch (Aquarellmalerei für Fortgeschrittene – der formale Kontrast als Gestaltungsprinzip) steht:
„Leider neigen viele Menschen dazu, die Bilder eines anderen nachzumalen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es sinnvoll sein kann, die Vorgehensweisen und Techniken dieser Künstler nachzuvollziehen.
Es sollte sich dann aber auch wirklich um bedeutende Maler handeln, deren Werke es wert sind, studiert zu werden.“
& weiter:
„Sie müssen lernen, Ihre Einzigartigkeit zu akzeptieren.“
„Das vorliegende Buch basiert praktisch auf zwei klugen Gedanken. Der erste ist von Walter Koschatzky. Seiner Auffassung nach entwickelt sich die Aquarellmalerei in ihrer reinsten Form in lasierenden Schichten, die im Verlauf aufgetragen werden. Der zweite kluge Satz ist von Kandinsky und besagt, dass die Harmonie das Künstlers der Kontrast ist. Zusammengenommen ergibt sich daraus, dass ein Aquarell in Schichten angelegt wird, die auf einem formalen Kontrast aufbauen.“
Trotzdem: Kandinskys Bilder werden mir immer fremd bleiben. Sie langweilen mich bis heute.
Malertag
Jemand beneidete mich um meine Freiheit & die Tatsache, dass ich mich seit Jahren selbst verwirkliche. Was mich dazu veranlasste, kürzlich willkürlich einen Tagesablauf aus dem Leben eines Malers festzuhalten.
Gegen 6:30 Uhr: Aufstehen. Ohne weitere Umstände in die Küche. Radio. Kaffee mahlen. Frühstückstisch decken. Zwei Gedecke für die zwei Kinder. Während die Kinder gemächlich & wortlos in die Küche wanken, trinke ich die erste Tasse Kaffee mit Milch & organisiere die Zutaten für die Zubereitung der Pausenbrote. Für die Kinder. Für die Geliebte & Ehefrau (die sich in der Zwischenzeit im Bad hübsch & fein macht für den Dienst).
Spülmaschine ausräumen & die eingetrockneten Reste der Bratkartoffeln von gestern aus der Pfanne kratzen. Fluchen. Außerdem stehen da noch die Weingläser von Samstag an der Spüle rum. Verschimmelte Karotten in den Mülleimer.
Pausenbrote & -getränke in die diversen Behältnisse packen (muss man in aller Regel täglich aufs Neue suchen), Tisch abräumen, die zweite Tasse Kaffee trinken & die Familie verabschieden. Kinder in die Schule, die Geliebte & Ehefrau ins Büro.
Nach einer turbulenten Stunde: Aufatmen.
Wäsche sortieren. Wäsche in die Maschine. Die Maschine steht im Keller (den müsste auch mal wieder jemand aufräumen).
In der darauffolgenden Stunde sitze ich am Rechner, schreibe erfreulicherweise eine Rechnung, beantworte Mails, trinke die dritte Tasse Milchkaffee & verziehe mich anschließend mit der vierten Tasse unters Dach, um mich der Malerei zu widmen. Vorher muss ich allerdings zuerst noch Leinwände grundieren.
Ein altes Bild mit viel Weiß übermalen, ein noch älteres Bild abschleifen & mit Weiß übermalen. Noch nichts gemalt. Aber über Malerei nachgedacht.
Radio hören & versuchen, den bevorstehenden Umzug aus dem Kopf zu bannen. Allerdings macht mir der Gedanke doch ein wenig Angst & ich probiere, die Tür zum Atelier, die ich in den letzten 10 Jahren mit Farbe & Telefonnotizen zugeschmiert habe, abzuschleifen. Schleifpapier & Schleifklotz hatte ich ja praktischerweise in der Hand. Ich hoffe, der Vermieter ist nicht allzu sauer wegen der Sauereien aus den letzten 10 Jahren.
Francis Bacon ist nichts dagegen.
Scheint allerdings doch ganz gut zu klappen (war ja auch nicht grundiert). Den Rest Schleifarbeit verschiebe ich.
Zwischendurch ein längeres Telefonat mit dem Lieblingsfreund, der eine Ausstellung in Berlin vorbereitet & mir sein Konzept erläutert. Über dessen Vor- & Nachteile wir lange diskutieren.
Eine Papierarbeit begonnen. Titel: Ohne Titel („Patronin“).
Um 13:30 Uhr Pinsel ins Terpentin gestellt – U. ruft an & fragt, ob ich Freitagvormittag Zeit habe, um über die Mappe des Neffen zu gucken. Der will nämlich an die Hochschule & Design oder Kunst studieren. Wollen beide hier vorbeikommen. „Wir bringen Brötchen & Croissants mit.“ Warum nicht. Ich habe ja Zeit.
Auf dem Weg zum Auto wegen zweier Termine in der Stadt (jour fixe im Künstlerhaus, wo ich als Mitglied des Vorstandes ehrenamtlich mitarbeite & dann an die Uni wegen eines „Auftrags“) noch eine Zwischenstation im Keller.
Waschmaschine ausräumen, Wäsche an die Leine (der Trockner ist seit einem Jahr kaputt, steht fast sinnlos neben der Waschmaschine. Ist aber eine prima Ablagefläche für den Hausmeister), bunte Wäsche in die Maschine.
14:20 Uhr: Ich fahre nach Saarbrücken, um die Kinder aus der Schule abzuholen. Der Sohn will zu Freund L., um dort Hausaufgaben zu machen. Außerdem ist er zum Mittagessen eingeladen. Die Tochter hat Orchesterprobe & geht anschließend zur Tante.
Das ist sehr praktisch, da ich mich heute Mittag mal nicht um Mathe, Englisch & Franz kümmern & auch keinen Imbiss zubereiten muss.
Also doch malen.
(Nur noch schnell die Nachbarstochter nach Hause fahren)
Im Atelier unterm Dach wieder in die Dienstkleidung. An der Papierarbeit weiterarbeiten. Titel: Ohne Titel („Patronin“).
Weil noch ein wenig Zeit ist, eine Arbeit auf Leinwand begonnen (älteres Bild, abgeschliffen & mit Weiß übermalt). Die Idee dazu hatte ich schon letzte Woche.
Klappt heute wie geschmiert, aber …
Um 16:30 Uhr für zweieinviertel Stunden nach Kleinblittersdorf, wo ich den Malkurs einer kranken Kollegin übernommen habe. Plus zwanzig Minuten Fahrtzeit. Jeweils. Hin & zurück.
Heute aquarellieren wir Bäume, Licht & Schatten. Leider war ich dabei zu lange in der Sonne.
Außerdem muss ich die Damen sehr trösten. Aquarell ist sehr schwer & das Laub in den Bäumen sehr grün. Man muss das Weiß aussparen.
Um halb acht nach Hause, die Geliebte & Ehefrau macht heute Sport. Die Kinder sind allerdings schon da (Es lebe die Verwandtschaft! Ein Hoch auf die Freunde & Nachbarn!). Hausaufgaben angeblich gemacht.
„Querflöte & Gitarre geübt?“
Heute italienische Küche: Tomaten, Mozzarella, Salat, Makkaroni, Tomatensoße (Natürlich alles bio & aus frischen Tomaten!).
Anschließend einen Vokabeltest (befriedigend) unterschrieben.
„Papa – kannst Du mir noch schnell bei der Zeichnung für den Grundriss der Wohnung für den Kunstunterricht helfen? Zwei Striche?“
Nach einer Stunde (ca. 21:30 Uhr) verziehen sich die Kinder müde & gelangweilt ins Bett.
Ich zeichne noch ein bisschen an der Perspektive weiter. Es sind doch mehr als zwei Striche.
Abräum-, Spül- & Gute-Nacht-Rituale. Anschließend die überquellende Mülltüte aus der Küche nach draußen in die Tonne & den gelben Sack vor die Tür.
Geliebte & Ehefrau trudelt ein.
23:00 Uhr. Ich schreibe diesen Blogeintrag.
Wo hab‘ ich noch mal schnell mein Buch hingelegt?
Verschwindibus
Ohne Titel, 2009
Bleistift, Radiergummi auf Papier, 21 x 29,7 cm
Schon einmal verschwanden die Personen, Figuren, Wesen aus meinen Bildern. Ich wurde sozusagen Zeuge, Beobachter einer Auflösung. Zurück blieben Fragmente, Chiffren oder auch Zitate der Figur in einem Farbnebelraum.
Ein paar Jahre später tauchten sie wieder auf. In letzter Zeit hat sich der Farbnebelraum gelichtet. Aber auch die Figuren lichten sich manchmal (sowie in der Zeichnung da oben) – oder auch nicht.
Wer weiß schon, ob sie gerade kommen oder gehen?
Ehrlich gesagt hoffe ich, sie blieben. Gelegentliche Ausflüge und kurze Spaziergänge in unbekanntes Terrain nicht ausgeschlossen.
Zurzeit zerreibe ich mich gerade zwischen vielen Fronten: den Selbstbestimmten & den vermeintlich Fremdbestimmten. Auch eine Form von Auflösung. Während ich zeichne oder male, versuche ich, diesen Auflösungsprozess aufzuhalten.
Das sind seltene, aber umso glücklichere Momente.
Mach mir den Rauschenberg!
Ohne Titel („Mir nicht bekannte Person“), 2009
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ich weiß nicht genau, um was es geht: Eraser.
Ob ich ein perfekter Künstler werden möchte, glaube ich eher nicht.
Was bedeutet es eigentlich, perfekter Künstler zu sein? Sind die Stifte immer gespitzt, der Pinsel immer sauber, die Palette immer gereinigt?
Darf ein perfekter Künstler scheitern?
Vor unserem Haus steht ein Nachbau der Grotte aus Lourdes. Bis heute konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wer sie gebaut hat, aber sie ist außerordentlich abstoßend & hässlich. Eine Mischung aus Gelsenkircher Barock & Tropfsteinhöhlenromantik.
Brachial & aggressiv in ihrer Ästhetik – das Gegenteil von einem Ort der Besinnung & Kontemplation. Hier schlägt gut gemeinte Volksfrömmigkeit um in Blasphemie.
Gescheitert.
Gelegentlich verirrt sich auch mal der ein oder andere Konzept-Projekt-Künstler-Kollege nach Ensheim.
Beim Anblick der Grotte geraten alle in Verzückung: „Daraus könnte man doch mal ein Projekt machen!“
Unter anderem in diesem Punkt unterscheide ich mich von einem Konzept-Künstler.
„All you Zombies”
Ohne Titel („Petra“), 2008
Bleistift, Aquarell auf Aquarellpapier, 30 x 40 cm
Der Titel: „All you Zombies“ – bezieht sich auf eine Skulptur von Robert Longo, die ich zum ersten Mal auf der Documenta 8 in Kassel gesehen habe; ich fand die Arbeiten von Longo damals ziemlich schräg. Leider habe ich keine bessere Abbildung im Netz gefunden … hier noch …
Line: „Malst du neuerdings Zombies?“
Ich: „Nein – wieso?“
Line: „Na, hübsch ist das ja nicht gerade!“
Ich: „Oh – du meinst Petra …“
Über Malerei
Manchmal, während des Arbeitens – ich sage jetzt nicht, während des Malens – gehen mir Fragen durch den Kopf; zum Beispiel:
„Wann findet Malerei eigentlich statt?“ oder „Wann ist Malerei?“
Ist Malerei eine Tätigkeit?
Ist Malerei das Ergebnis einer Tätigkeit?
Ist schon die Vorbereitung zu dieser Tätigkeit Malerei?
Ist das Nachdenken über diese Tätigkeit auch Malerei? Ist etwa das Erzählen über das Nachdenken Malerei?
Ist das Nachdenken, Erzählen & Reden über das Ergebnis dieser Tätigkeit – also über ein Bild – auch Malerei?
Welche Tätigkeit meinen wir überhaupt? Beginnt Malerei mit dem Zeitpunkt, wo der mit Farbe getränkte Pinsel die Leinwand berührt & dauert so lange, bis sämtliche Farbe auf der Leinwand verschmiert ist? Oder beginnt Malerei schon mit dem Mischen von Farbe auf der Palette, auf einem Stück Pappe oder auf dem Fußboden vor der Leinwand? Oder mit dem Nachdenken, mit dem Vordenken, mit dem Planen und Entwerfen, mit dem Verwerfen?
Beim Reinigen der Pinsel denke ich nach. Ich sitze am Waschbecken, betrachte das Ergebnis meiner Arbeit, & während des Betrachtens male ich weiter – vor meinem geistigen Auge – so sagt man. Ist das Malerei? Pinsel waschen, nachdenken?
Sind es die Pausen? Die Pausen zwischen dem Mischen der Farbe und dem Auftragen der Farbe? In diesen Pausen denke ich auch über Malerei nach. Über Bilder. Über gemalte Bilder – von mir gemalte Bilder. Oft sitze ich längere Zeit in meinem Malerstuhl im Atelier – vor einem Bild oder der weißen Wand. Ich stelle mir Bilder vor, die ich malen werde.
Aber auch Bilder, die andere vor mir gemalt haben.
Andere wie Vermeer, Velásquez; manchmal Munch. Auch Mantegna. Nie über Kandinsky. Über Kandinskys Malerei denke ich nicht nach. Surrealismus ist eine Strömung, durch die ich auch geschwommen bin. Gestern zum Beispiel habe ich an Jim Dine gedacht. An Jim Dines Malerei.
Oder ist es das Träumen von Bildern, nachts, während des Schlafens? Von noch nicht gemalten Bildern. Von oft gesehenen Bildern. Ist Malerei das Träumen vor Bildern – also während des Betrachtens von Bildern?
Träumen von nicht gemalten Bildern bedeutet für mich auch: Ich wünschte mir, dieses oder jenes Bild so oder so zu malen; gelungen ist mir das aber noch nie.
Dann frage ich: „Warum malst Du nicht das, was Du in der Nacht vor Deinem geistigen Auge gesehen hast?” Oft beginne ich ja mit der Absicht, mit dem Plan, ein erträumtes Bild zu malen. Aber dann wird doch wieder alles anders. Ist das Unfähigkeit?
Eigentlich quäle ich mich, während der Pinsel über die Leinwand zieht, wenn ich die weiche, noch feuchte Ölfarbe furche. Es ist ein quälender, ermüdender Prozess. Außerdem ist es stinklangweilig. Gelegentlich sagt jemand: „Ich würde Dir gerne nur einen Tag zugucken, während Du malst.“
Verrückt. Sollen lieber spazierengehen mit der Geliebten oder mit den Kindern spielen in der Zeit, die Leute.
Eben. Ich verbringe mehr Zeit damit, genau diesen Moment vorzubereiten: den Moment, an dem ich den Pinsel über die Fläche der Leinwand führe. Und anschließend denke ich darüber nach. Nachdenken kann lange dauern.
Vielleicht male ich deswegen. Ein Bild nach dem anderen. Weil ich von Bildern träume und über sie nachdenken kann.
Wenn ein Bild fertig ist, bin ich glücklich; aber nur dann. Wenn ich mich beim Betrachten eines Bildes freue, ist es fertig. Ich nehme mir nie vor, das Bild fertigzumalen. Es ist das Bild, das mich überrascht und sagt: „Hör auf! Ist gut! Mach Schluss! Geh spazieren mit der Geliebten oder spiele mit den Kindern!“
Dann bin ich erleichtert und denke: „Wie gut, dass Du Dich so gequält hast!“
Es kommt vor, dass ich nicht auf das Bild höre und ein wenig zu viel male. Dann bin ich einen Tag später damit beschäftigt, die Spuren des Malereiüberschusses mit den Mitteln der Malerei zu beseitigen. Oder ich kratze alles ab, wasche alles mit Terpentin runter. War das unnötige, nichtsnutzige Malerei?
Das ärgert mich. Ich weiß nicht, ob ich den Gedanken, der im Bild war, noch einmal fassen kann. Nein – ich weiß, dass ich den Gedanken nie wieder fassen kann. Er ist weg. Flüchtig. Einmal, für deine winzige Ewigkeit, war er im Bild, & ich habe nicht gehört, nicht gesehen, nicht nachgedacht, war zu schnell; zu schnell gemalt.
Ich habe den Gedanken mit Farbe zugeschmiert. Zugemalt. Es wäre besser gewesen, ich hätte gündlicher über den nächsten Schritt nachgedacht. Über die Folgen der Malerei nachgedacht. Erst in Gedanken gemalt, ausgemalt. Gott sei Dank gibt es viele Gedanken. Viele winzige Ewigkeiten. Manche kann ich dann doch festhalten. Das ist schön.
Möglicherweise liegen die Antworten auf dies Fragen im Bild. Das Bild zeigt die Zeit, in der Malerei stattgefunden hat. Und sie findet weiterhin statt.
Malerei ist eine Haltung. Wenn du Maler bist, malst du ständig. Das ist das Praktische an der Malerei. Egal, ob die Augen geschlossen sind oder geöffnet.
Dieses Jahr habe ich viel über Malerei nachgedacht.
Deklination & Konjugation
Ohne Titel, 2008
Bleistift, Aquarell auf Aquarellpapier, 32 x 24 cm
Ich bin nicht religiös, aber zur Zeit befinde ich mich in Exerzitien.
Eine andere Möglichkeit sehe ich gerade nicht.
Unendliche Geschichten …
Ohne Titel, 2006/2008
Öl auf Leinwand, 40 x 61 cm
Privatbesitz
Immer & immer wieder übermalen – manche Bilder werden einfach nie fertig. Vom Porträt als Pirat mit zwei Töchtern zum Häschen zum Gartenbild …
Dieses Bild ließ ich in genau diesem Zustand. Das Abendessen war fertig, ich musste gezwungenermaßen aufhören. Am nächsten Morgen dann diese weiße, eigentlich unfertige Gestalt. Und der ganze unfertige Rest. Wunderbar! Eine gute Ausgangsbasis für kommende Bilder!
Sonntags-Gedanken
Ohne Titel, 2008
Bleistift, Öl auf Papier, 30 x 24 cm
Im Jahr 2007 begann ich auf unterschiedlichen Plattformen zu„bloggen“.
Für eine Serie von Arbeiten suchte ich einen Präsentationsraum außerhalb meiner (mittlerweile nicht mehr exitierenden) Webseite & stieß über einen Artikel in der Zeit auf das mir damals unbekannte Phänomen „Blog“.
Ich stellte ein paar Wochen lang fast täglich eine Arbeit ins Netz.
Eigenartig, die Verbindung von Überschrift & Bild & Bild & Text & Link & den ganzen anderen Möglichkeiten, die ich nicht nutze, weil es so uferlos erscheint & man selbst so begrenzt ist, & ich blieb bei dieser merkwürdigen Angewohnheit, mich weiterhin fast täglich auf diese Weise zu äußern.
Sie ist ein Teil meiner alltäglichen Beschäftigungen geworden wie Essen, Trinken, Verdauen, das Malen & Zeichnen & der ganze andere erfreuliche oder unangenehme Rest meines Lebens.
Allerdings stehe ich noch am Anfang.
Das Blog verfolgt keinen Zweck. Es verfolgt kein Ziel. Es ist einfach da.
Wenn ich auch anfangs einen Beweggrund hatte, nämlich den, der Dokumentation, so habe ich diese Motivation mittlerweile aus den Augen verloren. Möglicherweise dokumentiert es mittlerweile eher den Prozess einer Suche, einer Suche nach Bildern; es dokumentiert vielleicht auch eine Entwicklung meiner Arbeit, es macht Veränderungen, Brüche & auch das Gescheiterte sichtbar.
Andererseits dokumentiert es auch, dass ich überhaupt arbeite. Und natürlich auch, an was ich gerade arbeite. Es dokumentiert, dass da irgendwo jemand sitzt & irgendetwas macht.
So gesehen ist es ein Beleg meiner täglichen Arbeit, was wiederum auch ein Zweck sein könnte, aber das ist nicht mein Anliegen.
Einige Arbeiten sind möglicherweise von allgemeinem Interesse, andere sind sehr persönlich. Daraus könnte man schließen, dass es das ein oder andere über mich & meine inneren Befindlichkeiten zu erfahren gibt. Das könnte durchaus sein – es ist sogar sehr wahrscheinlich – war aber auch nicht der Zweck.
Manchmal schreibe ich auch ein paar Zeilen. Zweckfrei. Durch den Kopf geschossenes.
Ich tue es einfach. Was sollte es gebracht haben? Ich weiß es nicht.
Auf alle Fälle macht es die Suche nach (zu malenden & zu zeichnenden) Bildern nicht einfacher.
Möglicherweise hat es etwas verändert – meine Sicht auf meine Arbeit oder die Sicht anderer auf meine Arbeit.
Möglicherweise bringt es dem ein oder anderen Besucher etwas, manche sind ja regelrechte Wiederholungstäter.
Es ist zu früh, eine Bilanz zu ziehen; ich stehe ja noch am Anfang …
Vom Hölschberg aus gesehen …
Ohne Titel, 2008
Bleistift, Aquarell auf Aquarellpapier, 24 x 32 cm
Letzte Woche war ich für einen Nachmittag in der Nähe der Bauschutt- und Erdmassendeponie des Saarpfalz-Kreises „Auf dem Hölschberg“ in Biesingen zum Aquarellieren.
Es herrschten Sturm & Eiseskälte, was die Landschaft nur unwesentlich – mich aber umso mehr beeindruckte: nach drei unvollendeten Blättern fuhr ich durchgefroren & steif, aber froh & gutgelaunt nach Hause …
Entwurf zu einem Projekt (2)
Architekturmodell M 1:50
Diverse Materialien
(im Hintergund: Malerei auf Aludibond)
Das Architekturmodell zeigt den zweiten Streich einer Arbeit für zwei Räume, mit der ich seit einigen Monaten beschäftigt war (erster Streich).
Ausgangspunkt – Ausgangsraum – ist ein dem Krankenhaus eingeschobener Rundbau, ein Rondell (Durchmesser ca. 20 – 25 m), das in Zukunft als unabhängiger Veranstaltungsort funktioniert.
Eine Art Mini-Multifunktionsraum für Kongresse, Konzerte, Hochzeiten, Familienfeiern, Kongresse, Tagungen usw.
Angedacht war zunächst eine Wandmalerei – aus verschiedenen Gründen wurde die Idee zugunsten einer Installation verworfen: Malerei auf unregelmäßig geformte Platten aus Aludibond,
Die vordere Hälfte des Rondells (Höhe ca. 6 m) besteht aus Glas & Metallrahmen, die sog. „Fensterfront“ (üblicherweise horizontal & vertikal gegliedert). Die hintere Hälfte ist die Wand für die Installation, die aus Gründen der Akustik allerdings leider nur bis zu einer Höhe von 3 m gestaltet werden durfte.
Die anämische Farbigkeit der gesamten Architektur schrie nach Farbe.
Die große Arbeit hängt im Neubau der SHG-Klinik in Völklingen in einer überaus großzügigen Empfangshalle in Höhe des ersten Stocks. Der Neubau strahlt im Innern die übliche materialbedingte Kühle (Glas, Stahl) & strukturell bedingte Strenge (Horizontale, Vertikale, Rhythmus, Raster) aus.
Da musste ein Gongschlag her, der die Architektur zum Schwingen bringt; ein Kontrapunkt, der das Ganze ein bisschen aus dem Tritt bringt.
Die Schwierigkeit bei Unterfangen dieser Art besteht einerseits darin – zumal an solch zentraler Stelle –, eine Arbeit zu entwerfen, die nicht zur bloßen Dekoration & künstlerischen Aufhübschung der Architektur verkommt – Alibikunst also, die zum Kitsch mutiert. Andererseits sollte sie provozieren; ein Fremdkörper sein, eine Art Ufo. Auffallen, ohne die Bauherren – & in diesem Fall auch: die Herzpatienten – zu verschrecken (Hängt demnächst alles im Neubau der SHG-Klinik in Völklingen – das Foto im Link ist der alte Bau!).
Eine Gratwanderung.
In diesem Fall arbeite ich sozusagen verdeckt. Die Absichten werden verschlüsselt, aber nur so weit, dass der Betrachter noch eine Chance hat, etwas zu erahnen, zu spüren – ohne dem Bild ganz auf die Schliche zu kommen.
Auf den ersten Blick: Freude über die schönen Farben & auch Formen. Beim zweiten Hinschauen stellt sich vielleicht doch ein gewisses Unbehagen ein (so hoffe ich doch …)
Die 12 m lange Wand in der Empfangshalle wird in der Mitte durch eine Säule geteilt. Es lag nahe, die Säule in die Arbeit mit einzubeziehen, sie irgendwie asymmetrisch hinter Säule & Wand zu platzieren. Das integriert die Malerei in den Raum & macht sie weniger dekorativ. Asymmetrie ist in aller Regel auch nicht sehr beliebt. Sie verunsichert den Betrachter. Während die Einfachheit & Ordnung der Symmetrie oft ja auch ein gewisses Wohlbehagen vermittelt.
Die Farbe tritt aus dem Rechteck & schafft Raum.Thematisch greife ich mit der Malerei körperhaft Organisches auf. Figurative Formen, assoziativ tauglich, aber nie konkret. Irgendwo zwischen Entstehung & Auflösung. Nicht greifbare Momente. Sich windende, krümmende Körper & Fragmente, Chiffren & Torsi, die von der Figur erzählen.
(Was täte ich ohne Semikolon …)
Die Farbe übernimmt dabei die Rolle einer Filmmusik – allerdings diametral entgegengesetzt zur Handlung.
Etwa so: Eine Filmszene aus Hitchcocks Psycho, unterlegt mit Klängen aus Mozarts kleiner Nachtmusik – oder so ähnlich.
Ergebnis ist eine eigenständige Malerei, die sich ihren eigenen Raum schafft & gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit eine symbiotische Verbindung zur Architektur eingeht.
Das Ufo ist gelandet.
Latenz
Ohne Titel, 2007
Mischtechnik auf Papier, 42 x 29,7 cm
Wenn Malerei wirklich provoziert, bewegt, erregt – dann schlummert meistens etwas unter ihrer Oberfläche; ein Bild schwebt gleichsam in einer Art Latenzzeit & beschreibt auch einen Vorgang, den der Betrachter mit seinem ganzen Körper fühlen kann.
Man spürt, man ahnt, dass hier etwas in Bewegung ist, dass sich gleich etwas verändern könnte.
Gewissermaßen: Das Bild liegt auf der Lauer.
Mit Wut oder Angst …
Ohne Titel, 2007
Mischtechnik in Skizzenbuch, ca. 21 x 26 cm (geöffnet)
… ja, auch dies: alles andere als subtil, aber legitimer Antrieb & Stoßrichtung (künstlerisch) authentischer und relevanter Formulierung, meint Gerd – in dem Zusammenhang bitte auch mal bei Cordula Güdemann gucken …
Meine Geschichte mit Che …
Ohne Titel, 2007
Mischtechnik über Offset-Druck, 33 x 24,1 cm
Meine erste „raumgreifende Auftragsarbeit” war ein Deckengemälde im Jugendzimmer meines Freundes Alois vor ungefähr 30 Jahren.
Vier mal vier Meter, Ernesto „Che“ Guevara in Schwarz/Rot.
Mir hat das Linolschnittartige der Vorlage irgendwie gut gefallen. Che & Kuba & das ganze Drumrum haben mich damals eigentlich nicht interessiert. Aber dieses Bild von Che war – würde man heute sagen – irgendwie hip.
Mittlerweile weiß ich ein kleines bisschen mehr über Che, aber Kuba ist immer noch sehr weit entfernt & Che ist immer noch oder schon wieder hip …
Heute habe ich Ihn wieder auf einem T-Shirt getroffen. Schwarz/Rot.
K. fragte mich, ob meine eingestellten Arbeiten was mit meinen gelegentlichen Statements zu tun hätten …
„Eher selten“, antwortete ich …
Schakal
Ohne Titel, 2007
Monotypie, Fingernagellack, Buntstift über Offset-Druck, 33 x 24,1 cm
Herr Baselitz war 1998 sog. „Künstler im Geschäftsjahr“ der Deutschen Bank. Anlässlich dieser Ehre gab es eine Ausstellung, die in diesem Jahr durch Deutsche-Bank-Filialen der Republik tourte. Saarbrücken war damals auch eine Station. Ein Katalog, der kostenlos verteilt wurde, begleitete die Ausstellung. Diesen Katalog habe ich vor einiger Zeit auseinandergenommen; Baselitz war ja früher einer meiner Helden.
Zeit, seine Bilder zu übermalen.
Über Kunst
Ohne Titel, 2007
Bleistift in Skizzenbuch, ca. 20,8 x 13 cm (geschlossen), rechte Seite
Nicht nur Matthias Winzen sprach des öfteren davon …
(was mir außerordentlich gut gefiel)
Bad Bergzabern
„Bilder – nichts als Bilder …”
Malerei – Zeichnung
Vernissage: Mittwoch, 30. Mai 2007, 19:00 Uhr
„Artgalerie am Schloss“
Südpfälzische Kunstgilde e.v.
Wilhelmstrasse 73g
52249 Bad Bergzabern
(Mittwoch, 30.05. bis Sonntag, 16.06.2007)
Nachtrag:
Besprechung von Gabriele Weingartner in der Rheinpfalz vom 04.06.07:
Kompromisslose Sicht auf desolate Welt
Ist die Welt wirklich so martialisch, wie sie sich uns in den Bildern Armin Rohrs präsentiert? Ein Blick ins abendliche Fernsehprogramm belehrt uns keines Besseren. Und doch lohnt es, sich auf die derzeit in der artgalerie am schloss in Bad Bergzabern ausgestellten Arbeiten des saarländischen Künstlers einzulassen. Auch wenn man ungetröstet vondannen zieht.
Eigentlich traut man ja seinen Augen nicht, beziehungsweise will ihnen nicht trauen: dass da buchstäblich auf jeder Mischtechnik die Gewalt obsiegt, dass da permanent Männer mit Maschinengewehren und Pistolen durchs bildnerische Gelände robben, dass selbst Spielzeug-Kuscheltiere wie Bären und Hasen und jede Menge Playmobil-Figuren bis an die Zähne bewaffnet sind und auf uns, die Betrachter – zu zielen scheinen. Nicht nur auf uns sogar, sondern auch auf die Jungen und Mädchen, die sich auf die Leinwände verirrt haben, dort im Schneidersitz hocken in melancholischer Pose oder verlegen ihr kurzes Röckchen um die Finger wickeln.
Bunt und poppig geht es zu in Armin Rohrs vermeintlich comicartiger Welt, wo die Inhalte der Sprechblasen konsequent übermalt wurden. Ein bisschen Lichtenstein-Verschnitt-artig sogar, nur dass die bekannte Rastermethode sich hier aufzulösen beginnt und Rohrs medienkritische Absicht mitnichten ironisch oder gar zynisch daherkommt.
Dass aber die Gewalt allgegenwärtig ist und es hier nicht um malerische Spielereien geht oder gar Reminiszenzen an die Popart, das zeigen vor allem die Schablonen kriegerischen Inhalts, die von einem Bild ins andere wandern. Die Cowboys in ihrem wiegenden Gang, die ein bisschen an Bush erinnern, die Dinosaurier, die überhaupt nicht gemütlich aussehen, die abgeschossenen Playmos, mit denen sich die krude Wirklichkeit so gut simulieren lässt. Sozusagen ohne Titel ziehen die Arbeiten ihre wirklichen Titel auf der Preisliste in Klammern hinter sich her und nennen sich etwa „Unschuld und Wehmut“ oder „Run chicken run“. Das heißt, wollen nicht plakativ Stellung nehmen und tun es letztlich doch, auch mit Mitteln, die in ihrer souverän agierenden Collagemanier aus der Werbung zu kommen scheinen.
Erst in einer Reihe von Selbstbildnissen gibt Armin Rohr dann den Blick auf seine inneren Impulse frei.
„Versuche über die Verzweiflung“ heißt die Serie, die den Künstler mit vielerlei Attributen versehen zeigt. Mit Punkten im Gesicht, mit Haarnetz, mit Lockenwicklern auf dem Kopf, Geschlechter übergreifend. Nur seine Mimik bleibt immer gleich und die Brille erkennbar und somit auch die klare, kompromisslose Sicht auf die desolate Beschaffenheit der Welt. Zu Hause erwarten den Betrachter, wie gesagt, die Blockbuster mit ihren Explosionen und die Nachrichtensendungen mit den minutiös abgefilmten Resultaten der täglichen Selbstmordattentate. Dass Rohrs Arbeiten insofern ästhetische Zumutungen bleiben müssen und keine malerisch kunstvollen Offenbarungen, unterliegt keinem Zweifel. Um Bilder, die man sich zur Erbauung übers Sofa hängt, handelt es sich allerdings nicht. Die Zeiten sind eh vorbei.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Letzter Zustand
Ohne Titel, 2007
Mischtechnik auf Leinwand, 75 x 101 cm
(Zur Erinnerung) Ein Gemälde stellt immer einen Näherungswert dar – es ist das Ergebnis einer Selbstumkreisung; während das Malens versuche ich, den Kern, das Wesen des Bildes in einen möglichst kongruenten, deckungsgleichen Zustand zu bringen. Ein Zustand höchster Befriedigung, höchster Erregung.
Ich glaube nicht,
; daher spreche ich von einem Näherungswert, der allerdings so nahe an mir dran ist, wie es nur irgend geht – sozusagen gegen Null oder gegen unendlich.Der Rest sind klitzekleine Überlappungen. Sie sind der Antrieb, der Motor für die nächste Arbeit …
Für die Betrachter stellt sich die Situation fogendermaßen dar: Anders wie bei einer Addition von zwei Zahlen, bei der nur ein Ergebnis heraus kommen kann, gibt es für die Bilder so viele Ergebnisse wie es Betrachter gibt – anders wie bei der Addition ist das Ergebnis keinesfalls eine Lösung, es ist eine mögliche Variante …
Sentimentale Anwandlungen
Ohne Titel, 1999/2006
Öl auf Leinwand, 140 x 100 cm
Privatbesitz
Ich wollte etwas ausprobieren. Beim Durchblättern von alten Katalogen bin ich einem spontanen Impuls gefolgt & wollte einen Faden aus meiner malerischen Vergangenheit aufnehmen. So ähnlich malen wie früher. Aber anders. Zwei Bilder aus dem Jahr 1999, die noch nie fertig waren, übermalt.
Hat funktioniert.
Anfang
Ohne Titel („Versuche über die Verzweiflung“), 2005
Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm
Privatbesitz
Ohne Titel („Versuche über die Verzweiflung“), 2005
Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm
Privatbesitz
Ohne Titel („Versuche über die Verzweiflung“), 2005
Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm
Privatbesitz
Ohne Titel („Versuche über die Verzweiflung“), 2005
Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm
Privatbesitz
Diese vier Bilder aus dem Jahr 2005 waren der Auftakt zu der Serie: „Versuche über die Verzweiflung“. Zunächst als Vierergruppe für eine Ausstellung geplant, entstanden nach & nach innerhalb eines Jahres über 70 Arbeiten auf Papier, Holz & Leinwand.