Ohne Titel („Palette für S.“), 2014
Acryl auf Folie auf Aludibond, ca. 26 x 41 cm
… ein frohes Fest!
Vor zwei Tagen surfte ich im Netz & stieß auf Fotografien der Künstlerin Stefanie Zofia Schulz.
Ich habe bis vor zwei Tagen weder etwas von ihr gehört geschweige denn jemals eine einzige Arbeit von ihr gesehen. Um so verwunderlicher, als die Fotos aus der Serie „Duldung“ über den Zeitraum von einem Jahr in der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Lebach entstanden sind.
Ja, das ist alles sehr traurig & es ist mal wieder Weihnachten & ein paar Tausend Merkwürdige marschieren Woche für Woche in Dresden oder sonst wo im Rest der Republik & ich weiß nicht genau, wofür oder wogegen sie wirklich marschieren oder wer sie sind & was sie wollen, aber ich glaube nicht, dass jemals einer der Marschierer & Protestierer jemals etwas wusste oder auch nur ahnte vom Flüchtlingsleben im Lebacher „Lager“oder irgendeinem einem anderen Lager auf dieser Welt.
Das Wissen um die Zustände dort ist eher ein Grund sich zu schämen als zu marschieren & zu protestieren.
Ohne Titel, 1995
Bleistift auf gerissenem Papier
26 x 34,5 cm
Ohne Titel, 1995
Mischtechnik auf gerissenem Papier
31,5 x 22 cm
Königinnen & Könige der Herzen! Am Mittwoch, dem 17. Dezember um 19 Uhr eröffnet die Ausstellung „Verliebte Künstler & affaire de coeur“ in der Galerie der HBK Saar. Ich bin auch mit zwei Arbeiten aus 1995 vertreten.
Aus dem Pressetext:
Ausnahmezustand, Alarm, Herzrasen … der Mensch wie ferngesteuert, befeuert von körpereigenen Drogen. Man wird schön und die Welt ist schön. Verliebt! Gleichzeitig tun sich Abgründe auf. Wird die Liebe erwidert? Hat irgendetwas aus diesem ohnmächtigen Ausgeliefertsein an den Rausch Bestand? Verliebtheit bedeutet Kontrollverlust. Geht hier was schief, kippen Endorphine ins Gegenteil und die Psyche ins Bodenlose.
Die Ausstellung „Verliebte Künstler“ widmet sich einem widersprüchlichen Phänomen und fragt, ob Künstler anders lieben? Romantik und Dada, die Bedingungslosigkeit von Gefühl und Ausdruck. Ist das alles von gestern? Hat das „Betriebssystem Kunst“ jede Leidenschaft verdaut, verdreht und professionalisiert als Portfolio und endlosen Diskurs wiederkehren lassen? Ganz ohne feuchte Biologie, mit durchgetrockneter Farbe und korrekter Genderkompetenz? Kommen die Hormone zur Ruhe, bleibt immer die Frage: Wer bringt den Müll runter?
„Verliebte Künstler“ wendet sich sichtbaren und atmosphärischen Gemeinsamkeiten von Arbeiten zu, die in einer Phase des Verliebtseins entstanden sind. In dieser Phase sind besondere Mechanismen am Werk, wächst ein Mensch und damit auch seine künstlerische Arbeit über sich hinaus.
In einem Schweinestall begann 2013 die vom Süddeutschen Kunstverein als Studie konzipierte Ausstellung im schwäbischen Reusten. Keine drei Monate später wurde die Ausstellung als offizieller Bestandteil der Berlin Art Week mit dem Titel „Verliebte Künstler & Lachende Dritte…“ in der Kunsthalle am Hamburger Platz der Kunsthochschule Berlin Weißensee mit neuen künstlerischen Positionen zu den verworrenen Spielen der Liebe einem größeren Publikum präsentiert. Von dort aus heuerte das Studio Trenkel in Rotterdam die verliebten Künstler an, und präsentierte die Ausstellung „Verliebte Seefahrer und lachende Künstler“ parallel zur Rotterdam Artweek 2014, ergänzt mit niederländischen Künstlern, auf einem Boot im Museumshafen von Rotterdam.
Nun endlich begegnet die Ausstellung der Leichtigkeit und dem französischen Flair Saarbrückens. Unter dem Titel „Verliebte Künstler & affaire de coeur“ nimmt sie, auf Initiative von Prof. Gabriele Langendorf, in der Galerie der HBKsaar neue Aspekte des Verliebtseins mit in die Betrachtung.
Die Ausstellungsreihe „Verliebte Künstler“ wird kuratiert von Thaddäus Hüppi, Kunsthochschule Berlin Weißensee, Thomas Nolden und dem Süddeutsche Kunstverein.
Bewusst verbindet das Konzept Arbeiten aus unterschiedlichen Kunstgattungen und zeigt prominente Künstler genauso wie Kunststudierende; ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.“
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Ohne Titel („The watchers“), 2013
Aquarell auf Aquarellpapier, 56 x 76 cm
Art Museum Qindao
Ohne Titel, 2012
Aquarell auf Aquarellpapier, 46 x 61 cm
Ohne Titel, 2012
Aquarell auf Aquarellpapier, 46 x 61 cm
Ohne Titel, 2012
Aquarell auf Aquarellpapier, 46 x 61 cm
Am 24. Oktober (ich befand mich mit meiner Familie für ein paar Tage im Urlaub in Frankreich) erreichte mich die Mail eine Kollegin mit dem Hinweis & den Bewerbungsunterlagen zu einer Ausstellung in China. Das Art Museum in Qingdao rief auf zur Teilnahme an der „2014 Qingdao International Watercolor Biennial Exhibition“.
Es war nicht einfach, mitten in der tiefsten Provence am Fuße des Mont Ventoux von dem Café mit dem einzig verfübaren Internetanschluss im Umkreis von 1.000 km die Unterlagen zu bearbeiten & dann auch noch alles rechtzeitig wegzuschicken (Einsendeschluss war der 31. Oktober), aber irgendwie, nach Unmengen Kaffee & Pastis, habe ich es hingekriegt.
Die vier Blätter oben wurden für die Ausstellung ausgewählt. Eröffnet wird die Ausstellung am 12. Dezember. Zur Vernissage bin ich leider nicht anwesend, obwohl ich explizit dazu eingeladen worden bin. Flug, Übernachtungen, Spesen usw. hätten die Organisatoren übernommen. Ich wäre gerne nach China geflogen, aber es war leider alles zu kurzfristig. Die Ausstellung dauert bis zum 28. Februar 2015. Wer also in nächster Zeit in der Nähe ist …
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Ohne Titel („Matti“), 2004
Kugelschreiber auf Banane, ca. 25 cm
Wir waren spazieren. Irgendwo in der Provence. Während einer kleinen Rast auf die Banane meines Freundes Matthias gezeichnet. Relativ nachhaltige Kunst ist das. Eine schnelle Zeichnung auf eine Banane wird dann sehr zeitnah in einem Abfalleimer entsorgt. Ich werde mal mit meinem zuständigen Bananenhändler sprechen. An einem Vormittag zeichne ich auf Bananen, die dann mit einem Aufschlag verkauft werden. Vielleicht porträtiere ich die Bananenkäufer.
In der Tat eine großartige Idee, die seinerzeit ins Leben gerufen & umgesetzt wurde. Kunst besetzt den öffentlichen Raum. Aber mittlerweile haben einige Werke von damals kongeniale, installative Erweiterungen erfahren. In aller Stille. Der öffentliche Raum, die Stadt oder auch Wirte angrenzender Lokalitäten besetzen & verändern die Kunst & ihre ursprüngliche Intention. Mülleimer, Kneipenbestuhlung, Poller, Absperrpfosten & anderes Mobiliar stehen einträchtig neben den Werken von damals, die auf diese Weise leise aus der Wahrnehmung & dem Bewusstsein verschwinden.
Ein gelungenes Beispiel für den Umgang, die Akzeptanz & überhaupt, ja, die völlige Assimilation von Kunst in öffentlichen Räumen in unserer Gesellschaft, wie ich finde.
„Meine Ecke“ im Herbstsalon: Die beiden Arbeiten links sind von Leslie Huppert, einer Kollegin, die ich über alle Maßen schätze. Rechts der Säule hängen drei Arbeiten von mir.
Schon letzten Donnerstag hat der traditionelle „Herbstsalon“ im KuBa eröffnet.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid!
Noch bis zum 12. Oktober.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Was mich natürlich sehr gefreut hat. Wirklich sehr.
Anbei das Interview (Für die Saarbrücker Hefte: Bernd Nixdorf).
SH: Warum sind Sie Künstler geworden?
AR: Ich habe immer gemalt und gezeichnet. Und nie damit aufgehört. Allerdings war mir lange Zeit nicht klar, was ich damit anfangen kann.
Also begann ich ein Studium. Grafik-Design. Ohne zu wissen, auf was ich mich da wirklich einlasse. Das war die falsche Entscheidung.
Nach einigen Semestern merkte ich, dass mein Herz für die Freie Malerei schlug. Einen Abschluss machte ich trotzdem, mit viel Widerwillen, um dann einige Jahre später an der HBK in Saarbrücken Malerei zu studieren.
Das war die richtige Entscheidung.
SH: Gibt es ein Kunstwerk, das für Sie von besonderer Bedeutung ist?
AR: Spontan denke ich an den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar. Eine Abbildung dieses Werkes habe ich zum ersten Mal gesehen, als ich bei Oskar Holweck in der Grundlehre war.
Allein dieses Foto fand ich damals schon unglaublich beeindruckend, geradezu aufwühlend und ergreifend.
Aber es sind eher einzelne Künstler, die für mich von Bedeutung sind, als einzelne Werke. So zum Beispiel Vermeer, Dürer, Velásquez, Goya, Munch. Unter den lebenden Zeitgenossen fällt mir da Hockney ein.
Mit Kandinsky konnte ich noch nie was anfangen.
SH: Denken Sie viel über Ihre eigene Kunst nach? Verändert das Ihre Arbeit?
AR: Eigentlich denke ich ständig über meine Arbeit nach. Sobald ich die Augen aufschlage & sehe. Irgendetwas regt mich an, eine Farbe, ein Schatten, eine Linie. Licht. Aber auch, wenn ich die Augen schließe und träume. Vor Ausstellungen male ich nachts träumend an angefangenen oder geplanten Bildern weiter.
Seit Jahren trage ich eine Kamera & einen Skizzenblock mit mir. Dinge, Menschen oder Situationen, die ich fotografiere oder skizziere, vieles was ich wahrnehme hat mit meiner Arbeit zunächst nichts zu tun, fließt aber irgendwann in meine Bilder ein. Oder auch nicht.
Es kann eine Einstellung aus einem banalen Action-Film sein. Oder auch nur ein Satz aus einem Buch.
Im Ergebnis zeigt die Malerei meine Haltung zur Welt; möglicherweise ist sie eine Methode, die Welt zu verstehen. Oder auch ein Werkzeug, die Welt zu beobachten, ohne sie zunächst einmal in gut und böse oder schwarz und weiß zu werten. Ich versuche zumindest, mich einer Wertung zu enthalten.
Was treibt mich an, in Bildern zu denken & diese zu malen?
Ich habe keine andere Sprache, in der ich mich ausdrücken kann. Ich weiß nicht, über was ich schreiben könnte und ein Musikinstrument spiele ich auch nicht. Ich denke über die Welt in Bildern nach. Ich beobachte die Welt, ich bin ein ein Teil dieser Welt. In meiner Malerei transformiere ich diese Beobachtungen und Erfahrungen.
Bilder sind für mich keine wiedergebenden, sondern gestaltende, Gestalt gebende Instanzen.
Möglicherweise dokumentiere ich in meinen Bildern einen fortwährenden
„Selbstvergewisserungsprozess”.
Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwierig. Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Möglicherweise springe ich deswegen auch immer mal wieder zwischen Abstraktion und Figuration. Nicht alles lässt sich immer auf eine bestimmte Weise sagen.
SH: Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?
AR: Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.
Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.
Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)
Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.
Das waren dann sehr schöne Momente.
In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.
Ai Weiwei ist ja zur Zeit der „Vorzeigepolitkünstler“. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?
Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken in Form von Bildern.
SH: Was ist für Sie gute Kunst?
AR: Gute Kunst haut mich um. Raubt mir die Sprache. Verschlägt mir den Atem.
Anfang des Jahres war ich im Frankfurter Städel in der großen Dürer-Ausstellung. Ein paar Tage lang war ich wie paralysiert. Was soll man nach solchen Bildern noch malen? Diese unfassbare handwerkliche Qualität, diese wahnsinnige Kreativität, dieser Erfindungsreichtum. Und das vor 500 Jahren!
Letztes Jahr in Köln: David Hockney! Stundenlang bin ich um die Bilder geschlichen und habe versucht, sie förmlich über die Augen in in mein Hirn zu saugen! Ein Genuss! Und auch hier, diese schier unendliche Menge an Ideen und Einfällen, diese Kraft! Immer noch, in diesem Alter! Und diese Leichtigkeit!
SH: Vergessen Sie manchmal die Kunst?
AR: Die Kunst vergessen? Die Malerei? Das Zeichnen? Der Geruch von Ölfarbe? Geht das überhaupt?
Ich war mein Leben lang bildergeil. Ich denke in Bildern, ich träume von Bildern. Ich kann mich berauschen an Bildern. Nicht nur an meinen eigenen, im Gegenteil, meistens sind es die Bilder von anderen, die meine Welt bereichern.
Und auch nicht immer Malerei. Fotografie, Film oder eine Skulptur, eine Plastik. Gerne auch ein guter Comic.
So etwas kann man nicht vergessen.
SH: Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Künstler wären?
AR: Ich kann mir nichts anderes vorstellen.
Nachtrag: Die Ausstellung von Herrn Ai Weiwei im Berliner Martin-Gropius-Bau habe ich mittlerweise gesehen. Mein Gefühl hat sich bestätigt.
Die Texte & Erläuterungen (Begründungen?) zu den einzelnen Werken in der Ausstellung fand ich oft deutlich besser als die künstlerische Umsetzung. Manches Konzept fand ich wiederum so gut & schlüssig, dass man auf die Arbeit verzichten konnte. Da war allein meine Vorstellung schon wesentlich besser.
Einen erhellenden Blick auf die Ausstellung fand ich übrigens bei Castor & Pollux.
Architekur, Flure & Räume sind entsprechend ihrer früheren Bestimmung stinklangweilig (warum eigentlich?) & so ziemlich das Gegenteil vom Klischee des fürstlichen, kathedralhohen & weiten Künstlerlofts in einer ehemaligen Industriebrache in Berlin oder NYC.
Zu den diesjährigen Tagen der Bildenden Kunst wollte ich wenigstens einen Teil des Flures, den Zugang zu meinem Atelier mit einer Wandmalerei aufhübschen. Die Geschichte ist noch nicht ganz fertig, fehlen noch ein paar gerahmte Zeichnungen, vielleicht werde ich auch noch das ein oder andere Detail in der Malerei überarbeiten.
Tage der Bildenden Kunst in Saarbrücken
Samstag, 27. September, 14:00 – 18:00 Uhr
Sonntag, 28. September, 11:00 – 18:00 Uhr
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Vorderseite & Rückseite desselben Blattes.
Je Ohne Titel, 2014
Öl & Sprühfarbe auf Papier, ca. 44 x 64 cm
Gelegentlich nutze ich in meinen Arbeiten spontan die Möglichkeiten der Monotypie. Ich nehme ein Blatt Papier, schmiere eine Seite mit Ölfarbe ein, lege die eingeschmierte Farbseite auf ein Blatt Papier & zeichne auf der Rückseite des eingeschmierten Blattes. Diese Zeichnung drückt sich durch die eingeschmierte Seite auf das jungfräuliche, darunterliegende Blatt.
Einschmierblätter verwende ich meistens für mehrere Arbeiten. Zwischendurch reißt auch mal eine Ecke ab; manchmal finden sie auch Verwendung als Palette oder sonstige Tests.
Während ich beim ersten Durchzeichnen noch ganz gut das Ergebnis der Monotypie erahnen und steuern kann, wird es spätestens nach dem zweiten oder dritten Durchgang ziemlich unübersichtlich – wie man unschwer an der Bleistiftzeichnung erkennen kann.
Manchmal drücke ich ein frisches Blatt Papier auf die Einschmier- & Testseite & ziehe es mit etwas Druck über die Fläche & zeichne mit dem Bleistift auf die Rückseite des Blattes. Die zufälligen Spuren, die dabei entstehen, sind momentan eine gute Grundlage für eine neue Arbeit. Gleichzeitig verändere ich dadurch das Aussehen des Einschmierblattes.
In aller Regel arbeite ich im Knien auf dem verschmutzten, mit Farbe versauten Atelierboden. Auch meine Hände sind nach allen Regeln der Kunst verdreckt.
All diese Prozesse & Arbeitsschritte führe ich sorgfältig & konzentriert aus.
In der Vergangenheit warf ich nach einiger Zeit im Zuge der Atelierhygiene Einschmierblätter, Schablonen & andere Werkzeuge (Tools) weg. Nicht achtlos, sondern immer mit einer gewissen Wehmut.
Mittlerweile aber schwebt mir – in ferner Zukunft vielleicht – eine Ausstellung vor, in der ich nur diese „Tools“, Werkzeuge zeige – aber keine der mittels der Werkzeuge entstanden Arbeiten. Im Gegenteil: Vielleicht sind die Arbeiten, die mit den Werkzeugen entstehen, nur Werkzeuge, die den Entstehungsprozess der Werkzeuge sichtbar machen & überhaupt das Wesentliche?
Der Atelierboden, mit Farbe verdreckte Lappen & Handtücher & andere, am Enstehungsprozess der Arbeiten beteiligten Werkzeuge & Gegenstände könnten diese Ausstellung ergänzen.
Dem geneigten Betrachter fiele dann die Aufgabe zu, mit kriminalistischem & archäologischen Spürsinn über die Artefakte des Arbeitsprozesses & Spuren des Tatortes das Aussehen der Arbeiten quasi zu rekonstruieren.
Je Ohne Titel, 2014
Sprühlack, Öl auf geschnittenem Papier, 21 x 29,7 cm
Manchmal braucht man Punkte. Mit scharfem Rand. Nicht die lapidar mit dem Pinsel gestuppten, sondern scharf umrissene Punkte. Die schneide ich mir dann beispielsweise als Schablone in irgendein Papier, was gerade so rumliegt. Ich bastele mir sozusagen nonchalance mein Werkzeug zum einmaligen Gebrauch. Also eigentlich ein Wegwerfwerkzeug. Weil mit der Zeit & dem Gebrauch werden die Punkte ja immer unschärfer.
Aber gleichzeitig wird mein Blatt mit den Löchern, mein Werkzeug immer schöner.
Statt zu seinem 60. Geburtstag eine herkömmliche Feier zu machen, lud Reinhold Engberding, zusammen mit seinem fürs Wort zuständigen Partner Holger B. Nidden-Grien, Künstlerfreunde und -kollegen ein, jeweils eine Arbeit zu schicken. Engberdings Jubeltag blieb jedoch nur der Auslöser, er war weder der Ausstellungstitel noch sollte er zum Thema der Arbeiten werden.
Jeder Künstler bekam vier Bögen alten Übungspapiers für Stenographie und daraus sollte eine Arbeit entstehen. Stenographie (engl.: short hand) ist eine weitgehend überkommene Form der schriftlichen Kommunikation, zudem auch meist noch mit sich selbst, hatte doch die Sekretärin das Kurzgeschriebene lediglich erstellt, um danach eine saubere Maschinenabschrift zu erstellen. Heute wirkt das Steno-Schriftbild wie eine Geheimschrift, das Übungspapier hingegen wie Papier, auf denen sich u.a. auch Notenfolgen wohl fühlen würden. Da lag es nahe, den Künstlern das Papier an die Hand zu geben, das oben Gedachte mitzuteilen, sie noch ans Naheliegende, die beiden alten Kulturtechniken Schreiben und Zeichnen zu erinnern, und dann zu warten.
Die Liste der beteiligten Künstler weist Künstlerkollegen der beiden Organisatoren auf, die ursprünglich von der Zeichnung kommen, wie z.B. den Berliner Matthias Beckmann, die Koreanerin Kyung-hwa Choi-Ahoi und die New-Yorkerin Clare Churchhouse (s. Abb.), aber auch welche, die nahezu ausschließlich bildhauerisch arbeiten wie Volker Tiemann aus Kiel, Jan Meyer-Rogge aus Hamburg und Reinoud Oudshoorn aus Den Haag oder nahezu ausschließlich malen wie den Berliner Moritz Hasse, den Freiburger Martin Kasper oder ie Hamburger Friedrich Einhoff und Peter N. Heikenwälder – schließlich gibt es auch Kollegen, die konzeptuell arbeiten wie die drei Süddeutschen Simone Demandt, Gerhard Lang und Margret Eicher, die Flensburgerin Elsbeth Arlt sowie den New-Yorker Tom Russotti und Brian Kennon aus Los Angeles.
Sowohl was das Alter angeht als auch den Stand der jeweiligen Karriere sind Künstler vertreten, die ganz jung sind und noch am Anfang ihrer Karriere stehen wie Gavin Rouille aus den USA und Martin Chramosta aus der Schweiz; aber auch welche die schon auf Dokumenten und Biennalen vertreten waren wie die Hamburgerin Mariellea Mosler, Araya Rasdjarmerearnsook aus Thailand die Kölnerin Dorothee von Windheim und Georges Adeagbo aus Benin.
Zu dieser Ausstellung möchten wir Sie gerne einladen!
(Text: Holger B. Nidden-Grien)
Dauer der Ausstellung: 08. – 19. September 2014
Eröffnung: Sonntag, 7. September 2014 um 17:00 Uhr
Einführung: Dr. Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen.
Ohne Titel („Geburtstagsbild“), 2014
Bleistift, Tusche, Acryl auf vier Bögen Stenopapier, geklebt, ca. 42 x 54,4 cm
Ein Malerfreund aus Hamburg feiert die Tage seinen sechzigsten Geburtstag. Zu diesem Anlass wünscht er sich eine Ausstellung mit Arbeiten künstlerischer Lebensweggefährten & versendet jeweils an diesselben je vier Bögen sechzig Jahre altes Stenographiepapier. Damit ein jeder eine Arbeit für die Ausstellung auf dieses oder aus diesem oder mit diesem Papier mache. Titel der Ausstellung: „short_hand_made“
Ich habe die vier Bögen zusammengeklebt & losgeschlabbert.
Herzlichen Glückwunsch, Reinhold!
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
[Wie immer in Hotels morgens beim Frühstück beobachtet: die Orangensaftkonvention. Menschen schütten sich aus Karaffen Orangensaft in Gläser & trinken denselben zu Rührei mit Schinken (auch ’ne Konvention) & Kaffee.]