So oder so ähnlich (Nachtrag)
Einige Wochen nach dem erfreulichen Anruf kam es während einer Ortsbesichtigung zu einem längeren Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Stadt, in dem unter anderem die Preisverleihung & der Ablauf des Abends geplant wurden. Begrüßung, Musik, Laudatio, Musik …. Das Übliche. Die feierliche Konvention. Bloß nichts verkehrt machen. Aber in Ordnung. So ist das eben mit den Feierlichkeiten.
Unter anderem war geplant, ein halbes Dutzend Bilder in den (überaus gewöhnungsbedürftigen) Veranstaltungsraum im. sog. Salzbrunnenhaus zu hängen, damit auch alle Besucher sehen konnten, aus welchem Grund ich zur Ehre des Fritz-Zolnhofer-Preises gekommen war. Außerdem ist es in Sulzbach Tradition, dass sich der Preisträger selbst an diesem Abend dankend äußert. Es war wirklich ein schönes Gespräch, Frau A. ist Kunsthistorikerin, überaus kompetent, sehr engagiert & verfügt über eine sehr große Empathie & ist eine Meisterin ihres Faches.
Ein etwas die Stimmung trübender Knaller stolperte nach etwa einer Stunde ins Gespräch. Der Fluss kam ein wenig ins Stocken, die Mitarbeiterin eröffnete mir, sichtbar verlegen, dass der Preisträger für diese besondere Ehre der Fritz-Zolnhofer-Preises traditionell ein Bild zur Verfügung stellt, also überlässt, unentgeltlich, also schenkt, der Stadt, dem Rathaus, welches der Herr Bürgermeister zusammen mit dem Künstler am Abend der Veranstaltung unter den präsentierten Bildern feierlich auswählt. Man schreitet die ausgestellten Bilder ab & einigt sich auf ein Bild. Natürlich nur mit dem Einverständnis des Künstlers.
Dieses Bild hängt dann üblicherweise für zwei Jahre im Büro des Bürgermeisters, versehen mit einem Hinweisschild, um dann anschließend in den Flur zur sog. Zolnhofer-Ahnengalerie zu wandern, damit geneigte regionale, nationale & internationale Besucher des Rathauses sich auch in Zukunft an den Werken der Preisträger erfreuen können. Dieses Verfahren sei seit 2001, dem Jahr, in dem der Preis zum ersten Mal vergeben wurde, Tradition stillschweigende Praxis des damaligen Kulturamtsleiters, der diesen Preis ins Leben gerufen hatte.
Stillschweigend.
Ich war ein wenig überrascht. Das hatte man wohl vor einigen Wochen vergessen am Telefon zu erwähnen.
Meine Antwort auf dieses ungewöhnliche Ansinnen war ein spontanes & sehr deutliches Nein. Zumal auch in den Unterlagen zum Kunstpreis, die mir in der Zwischenzeit vorlagen, nichts von dieser Praxis erwähnt war. Viele Paragraphen zwar, aber keine Rede von einem Bild, welches stillschweigend im Rathaus verschwindet.
Also kein Kunstpreis, eher ein verdeckter Ankauf? So meine Feststellung.
Trotzdem besuchten wir im Anschluss an das Gespräch die sog. Ahnengalerie im Rathaus & inspizierten auch das Büro des Bürgermeisters (der an diesem Tage krank war). Dort hing tatsächlich ein sehr sehr großes Bild der letzten Preisträgerin. Beim Anblick dieses Bildes wiederholte ich mein Nein, legte ausführlich meine Gründe dar & schlug als Kompromiss vor, eine auf zwei Jahre befristete Leihgabe zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall natürlich & ausnahmsweise ohne Honorar.
Für mich war damit die Sache erledigt.
Ein paar Tage später traf ich zufällig während des Wochenendeinkaufs Herrn Dr. O.. Mit Herr Dr. O. bin ich seit 30 Jahren befreundet. Er gratulierte mir zum Preis & eröffnete mir, dass er in seiner Eigenschaft als Leiter der Unternehmenskommunikation der Firma E., welche Sponsor der Preisgeldes des Fritz-Zolhofer-Preises sei, ein kleine Laudatio zur Feierlichkeit beitragen solle.
Ob er wisse, dass die Künstler seid Jahren stillschweigend …? Herr Dr. O. zeigte sich sehr überrascht, ja entsetzt.
Nein, ganz & gar nicht, das sei nicht im Sinne des Unternehmens. Ob er da mal nachhaken solle? Ich wiegelte ab, erzählte vom Gespräch mit Frau A. & meinem Nein & meinte, die Geschichte sei wohl vom Tisch. Erledigt.
Drei Tage vor der Preisverleihung erhielt ich einen Anruf aus dem Sulzbacher Rathaus. Der Bürgermeister bat um ein Treffen, um mich persönlich kennenzulernen & den Ablauf des Abends mit mir durchzusprechen.
Das Gespräch, zu dem die Mitarbeiterin auch anwesend war, begann zunächst etwas hölzern & steif. Floskeln eben, aber eine merkwürdig kühle & fröstelnde Spannung hing in der Luft. Die Stimme des Bürgermeisters war eine Idee zu laut für meinen Geschmack. Es ging im wesentlichen von Anfang an um Kunstpreise, deren Modalitäten & Stipendien & Verpflichtungen, die sich für Künstler aus diese Auszeichnungen ergeben. Ergeben sollten, ergeben könnten. Oder so ähnlich. Ich habe es nicht so richtig kapiert.
Verpflichtungen? Hallo? Ich habe mich um diesen Preis weder beworben noch wusste ich um die seltsamen Sulzbacher Preisvergabetraditionen.
Und es ging auch immer wieder um die Ehre, die einem Künstler zu Teil wird. Und um Dankbarkeit (Welcher ich ja am nächsten Abend in meiner Rede Ausdruck verleihen wollte). Und es ging natürlich irgendwann auch um das Bild, das ich mich weigerte, zur Verfügung zu stellen. Obwohl doch der Preis ein Ehre sei. Also Ehre gegen Bild. Es ging eigentlich überhaupt nur noch um dieses Bild & um meine Haltung & es ging wahrscheinlich darum, mich weich zu kochen. Der Tonfall des Herrn Bürgermeisters wurde unangenehm & lauter; es war nicht sehr schön. Ich fühlte mich mehr & mehr genötigt, blieb aber ruhig & gelassen. Sachlich.
Es war wohl der Versuch, diesen überraschenden Überfall mehr oder weniger auszusitzen. Obwohl ich nicht nur überrascht, sondern mich geradezu überwältigt fühlte. Außerdem dachte ich ständig an die Tasse Kaffee, die ich eingangs abgelehnt hatte. Ob die Milch wohl geschäumt gewesen wäre?
„Nächste Woche hänge ich in die Ahnengalerie ein Schild auf dem steht: Armin Rohr, Preisträger 2015, weigerte sich, der Stadt ein Bild zur Verfügung zu stellen!“
Diesen Gedanken fand ich zugegebenermaßen charmant; ich lobte den Herrn Bürgermeister für diese tolle Idee & blieb bei meinem Nein, trotzdem ich mich mehr & um nicht zu sagen, massiv unter Druck gesetzt sah. Hätte ich doch bloß den Kaffee nicht abgelehnt!
Ein Kompromiss war nicht abzusehen, mein Angebot, der Stadt für zwei Jahre eine Leihgabe zur Verfügung zu stellen, wurde brüsk abgewiesen.
„Leihgabe?!?! Das können Sie haken!“ Haken. Nun gut. Dann hätte mich mir die damit verbundenen Anstrengungen & den lästigen Papierkram mit dem Leihvertrag gespart.
Wasser stand auf dem kleinen Tisch, um den wir uns versammelt hatten, aber totz der Hitze trank ich, glaube ich, nichts. Kaffee hätte ich getrunken. Immer mal wieder zum Luft holen genippt. Die geschäumte Milch gelöffelt. Meine Hüfte schmerzte; ich musste mich dauernd umsetzen.
„Sehen Sie Herr Bürgermeister, Sie bewegen sich da möglicherweise ein wenig in einer Grauzone. Meiner Meinung nach ist das kein Kunstpreis, sondern ein Verdeckter Ankauf. Gewissermaßen ein Tausch …“
Er machte den Eindruck, als ob er jeden Moment mit dem Fuß aufstampfen wollte. Die Mitarbeiterin war blaß.
„Grauzone? Das verbitte ich mir, Herr Rohr, ich bin Jurist! Das hier ist keine Grauzone! Wir arbeiten professionell & rechtlich einwandfrei!“
Surreal, dachte ich. Wo bin ich hier überhaupt? Und der Kaffee …? Eigentlich war ja alles gesagt. Der Herr Bürgermeister bestand auf seinem Bild & ich wollte ihm keins geben. Sinnlose Wiederholungen mit anderen Worten. Ich hatte auch keine Lust mehr, meine Argumente in neuem Gewande vorzuführen. Nachdem ich meine anfängliche Überraschung überwunden hatte, verflog nun mehr & mehr die Spannung. Langeweile & gähnende Leere machte sich breit in meinem überraschten Hirn. Es war ermüdend, ich verlor die Konzentration & schaltete ab.
„Herr Rohr, ich sehe, wir kommen in dieser Sache leider nicht zusammen. Juristisch kann ich da nichts machen, das habe ich prüfen lassen; es ist Ihre Entscheidung! Lassen Sie uns das Ganze morgen Abend professionell durchziehen, damit wir uns noch in die Augen gucken können & dann ist das für mich erledigt!“
Welche Wendung!
Eigentlich war ich kurz davor aufzustehen. Soll er sich seinen Kunstpreis doch irgendwo hinstecken & seine Feier ohne mich machen.
Okay. Professionell durchziehen. Hauptsache, ich hielt irgendwann den Scheck in meinen Händen. Erledigt! Es war mir mittlerweile egal, ob dies der Fritz-Zolnhofer-Kunstpreis oder der Lieschen-Müller-Gedächtnis-Preis war. Und keines meiner Bilder in diesem Rathaus.
Ich bin Künstler, kein Jurist. Juristisch einwandfrei oder nicht, eher hätte ich auf Preis & Geld verzichtet, als nach diesem Überfall ein Gemälde von mir Sulzbacher Rathaus zu wissen.
Dank der professionellen Arbeit der Mitarbeiterin von Herrn Bürgermeister & ihrer sehr persönlichen & einfühlsamen Laudatio wurde es wirklich eine sehr sehr schöne & warme Veranstaltung. Mit schönen Worten & schöner Musik. Alle Beteiligten verhielten sich professionell, obwohl mittlerweile auch die Damen & Herren aus dem Stadtrat von der undankbaren Weigerung des Preisträgers Wind bekommen hatten. Der Herr Bürgermeister blieb nicht sehr lange. Es wurde dann auch noch sehr lustig. Und irgendwann waren alle waren betrunken. Von den Eintrübungen am Vortag war an diesem Abend nichts mehr zu spüren.
Trotzdem wollte ich noch einmal insistieren. Ein paar Tage später schickte ich einen Brief an den Herrn Bürgermeister in Sulzbach (auf den ich bis heute keine Antwort bekommen habe):
Sehr geehrter Herr A.,
weil es nach unserem Gespräch bei mir noch eine Zeit lang rumorte, möchte ich auf diesem Weg noch einmal meinen Standpunkt zum Thema klarstellen.
Es tut mir leid, dass es nun wegen meiner Entscheidung, kein Bild in die Zolnhofer-Ahnengalerie zu hängen, zu dieser bedauerlichen Situation gekommen ist.
Es ist aber auch schade, dass ich mit meiner Haltung (die letztlich nur ein Anliegen ist, für die Lage vieler Kollegen zu sprechen), nicht auf Ihr Verständnis gestoßen bin. Es ist nicht nur mein persönlicher Standpunkt, sondern der Standpunkt aller professionell arbeitender Kollegen und Verbände, mit denen ich seit Jahren wegen solcher Themen im Diskurs bin. Sowohl im saarländischen Künstlerbund, in dessen Vorstand ich einige Jahre mitgearbeitet habe (mit dem ich in dieser Frage auch Rücksprache hielt) als auch im BBK werden Sie in dieser Frage der „stillschweigenden Bilder-Überlassens“ kein Verständnis finden.
Möglicherweise steckt ja hinter der Idee der Ahnengalerie ein gut gemeinter Gedanke. Aber gut gemeint ist, wie so oft und auch in diesem Fall, eben nicht gut gemacht. Nur, weil seit Jahren die Kolleginnen und die Kollegen stillschweigend und zähneknirschend diese Praxis mitgetragen haben, heißt das nicht, sie hätten das mit Freuden getan. Im Gegenteil.
Auch der Sponsor des Preises, die Firma E., vertreten durch Herrn Dr. O., reagierte mit großer Verwunderung und versicherte mir, dass diese Praxis ganz und gar nicht im Sinne des Unternehmens sei.
Mir stellt sich auch bei dieser Diskussion u. a. die Frage, um was für ein „Bild“ es sich wohl handeln könnte. Darf ich es wagen, eine kleine Arbeit zu geben mit dem Risiko, dass man diese Arbeit dann geringschätzt? Oder erwartet man eine ebenso große und großzügige Geste von mir? Hält mein Bild allein durch seine Größe den Vergleich mit den Vorgängern überhaupt stand? Etwa eine A4-Papierarbeit von mir gegen die Leinwand meiner Vorgängerin? Wie sähe das aus? Vielleicht eher wie eine Provokation? Disqualifizierte ich mich als etwa Pfennigfuchser oder Geizhals? Gar als undankbar und kleinlich?
Ich glaube, genau so würde es gesehen. Egal, für welches Bild ich mich entscheide: Dieses Bild unterliegt in Zukunft einer Wertung – unabhängig vom künstlerischen Wert.
So ist es nämlich auch genau dieser schwammige „Bildbegriff“, bei dem es dem Künstler obliegt, eine Auswahl zu treffen, der bei mir Unbehagen und Druck verursacht. Ich fühlte mich in der Tat genötigt. Dieses Gefühl überwiegt und überlagert leider die damit verbundene Ehre. Aus meiner Sicht diskreditiert das den Preis in jeder Beziehung.
Es geht nicht nur um die Frage, was rechtlich einwandfrei ist oder nicht. Hier geht es um eine moralische Frage. Nicht alles was legal ist, ist legitim und ohne Jurist zu sein: die schwammige Formulierung „ein Bild“ ist wahrscheinlich alles andere als rechtlich und juristisch einwandfrei. Denn ein Bild hat einen Wert, der mit Geld zu beziffern ist. Mein Finanzamt weiß das sehr genau. Ein Bild ist nicht nur ein Stück Papier oder Leinwand mit Farbe beschmiert, was zufällig und achtlos irgendwo in einem Lager rumsteht.
Aus unzähligen Gesprächen mit Kollegen, Ausstellungsmachern, Kuratoren, Kunstvereins-vorständen und Studenten sah ich mich geradezu verpflichtet, auch in diesem Fall meine Haltung als professionell arbeitender Künstler zu vertreten.
Ein Bild ist nicht einfach etwas, was ich mir aus dem Ärmel schüttele. Es ist die Summe aus Erfahrungen, Zweifeln und Selbstzweifeln, mitunter ein Kampf und meistens steht der Geldpreis eines Bildes ohnehin in keinerlei Relation zu dem zeitlichen und geistigen Aufwand, den ich dafür aufgewendet habe. Davon abgesehen: Es stecken keineswegs nur Handwerk und zeitlich messbarer Aufwand in meiner Arbeit, sondern immer auch Emotionen und meine persönliche Geschichte.
Ohne Zweifel: Ich fühlte mich geehrt. In meiner Heimatstadt ausgezeichnet zu werden mit dem Fritz-Zolnhofer-Preis – schön und gut, aber: in aller Regel ist ein Kunstpreis mitnichten verbunden mit stillschweigenden Verpflichtungen und Forderungen, sei es ein Bild zur Verfügung zu stellen oder sich einzubringen in die Kultur einer Stadt.
Vielmehr sind der Fritz-Zolnhofer-Preis sowie der Preisträger eine supertolle Image-Werbung für die Stadt Sulzbach. Je bekannter der Preisträger, desto imageträchtiger und -fördernder.
Die Auszeichnung einer Künstlerin oder eines Künstlers fällt auf die Stadt zurück und ehrt sie, bringt sie ins Gespräch, steigert und fördert ihr Ansehen. Die Zeitungsartikel im Zusammenhang mit dem Preis sind kostenlose Werbung. Das ist der Deal. Aus diesem Grund wurde ich doch auch von einer Jury ausgewählt: damit sich die Stadt Sulzbach mit meinem Namen schmückt.
Auch ein Bild in der Zolnhofer-Ahnengalerie ist eine Ehre. Aber es ist und war, in der derzeitigen Praxis, leider nur ein Tausch oder ein verdeckter Ankauf. Ich erhalte ein Preisgeld im Tausch gegen ein Bild. Im Falle meiner Vorgängerin heißt das: Sie erhielt ein Preisgeld von
2.600,- Euro und gab ein Bild im gleichen Wert für die Galerie. Auch wenn die gut gemeinte Idee anfangs genau dies nicht bedacht hat. Dieses Verfahren hat einen negativen Beigeschmack.
„Dann gibt der Künstler halt irgendein Bild“ – ich kenne das aus der Vergangenheit aus anderen Kontexten. Genau dadurch fühle ich meine Arbeit gering geschätzt. Der gut gemeinte Gedanke ist nichts anderes als eine Abwertung meiner Arbeit und vor allem des Preises.
Ein Bild stellt für mich jenseits jeglichen künstlerischen Wertes natürlich ganz unromantisch und unsentimental eine Ware und so bares Geld dar. Die Künstlerin hätte also auch 2.600 Euro an die Wand nageln können. Warum meine Vorgänger ein Bild hergegeben haben, weiß ich nicht. Aus Unwissenheit? In Unkenntnis der Sachlage? Etwa aus Angst?
Professionelle Künstler versuchen, vom Verkauf ihrer Bilder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein Bild, welches in der Ahnengalerie hängt, ist weg vom Kunstmarkt. Ich kann es nicht mehr verkaufen. Ich verliere den Geldwert des eingetauschten Bildes im Tausch gegen die Ehre. Dann ist mir die Aussicht auf Geld lieber als die Ehre, weil ich damit meine Familie ernähren & meine Miete bezahlen kann.
Ich weiß von Kolleginnen und Kollegen, dass es wohl in der Vergangenheit üblich war, nach einer Ausstellung im Salzbrunnenhaus dem Kulturamt der Stadt, vertreten durch Herrn Dr. S., in aller Regel ein Bild zu überlassen. Auch diese Vorgehensweise für halte ich für fragwürdig.
Künstler bereiten sich auf Ausstellungen oft monatelang vor. Sie erstellen Konzepte, transportieren und hängen die Bilder, sind während der Vernissage anwesend, sie bauen 4 Wochen später alles wieder ab. Sie erbringen permanent Leistungen, für die sie nicht bezahlt werden.
Der BBK kämpft seit Jahren für eine Ausstellungsvergütung beziehungsweise für ein Ausstellungshonorar für Künstler, und das ist genau das Gegenteil der Praxis einer Bildüberlassung.
In der Anlage habe eine kopierte Broschüre des BBK beigefügt. Es handelt sich um die „Leitlinien zur Vergütung von Leistungen Bildender Künstlerinnen und Künstler im Rahmen von Ausstellungen“.
Von daher sehe ich für die Zukunft des Zolnhofer-Preises zwingend die Notwendigkeit, eine eindeutige Ausschreibung festzulegen. Beispiele für faire und für beide Seiten befriedigende Modalitäten gibt es wie Sand am Meer.
Die Möglichkeit, den mit insgesamt 2.600 Euro dotierten Fritz-Zolnhofer-Preis zu splitten – auf ein Preisgeld von X Euro sowie den Ankauf eines Werkes – schmälert den Preis. Das ist aus meiner Sicht keine gute Option. Dazu müsste das Preisgeld höher sein. Außerdem müsste man sich im Vorfeld auf den Wert des Ankaufs verständigen, damit der Künstler auch genau weiß, welche Summe damit verbunden ist.
Erfahrungsgemäß findet man für jede Regelung, die für Künstler mit Geldverlust, viel Arbeit, viel Leistung verbunden ist, immer Kandidaten, die noch was drauflegen würden (zugegebenermaßen meistens Hobbykünstler oder auch junge, unerfahrene Künstler). Inwiefern diese Kollegen meinen, professionell zu handeln, lasse ich mal dahingestellt.
Nicht zuletzt aus dem Grund, weil die Tendenz zur Selbstausbeutung in der Kreativbranche bekanntermaßen sehr hoch ist, rate ich daher von einer solchen Lösung ab.
Besser scheint mir, über das Anwerben von Sponsoren einen zusätzlich Ankauf zu ermöglichen. Nur so werden sich auch renommierte Kollegen an einer solchen Ausschreibung beteiligen. Und nur renommierte Kolleginnen und Kollegen bringen den Preis, bringen die Stadt und das Image der Stadt nach vorn.
Und zwar bedingungslos!
Der Vorschlag einer kleinen Dokumentation über den Preisträger ist gefallen. Auch das steigert den Wert des Preises. Eine sehr gute Idee!
Wichtig aus meiner Sicht wäre eine Webseite, etwa eine Unterseite der Stadt, die die Preisträger der Vergangenheit vorstellt – nebst Vita und Werkbeispielen. Zur Zeit muss ich mir, sofern ich das will, die Namen mühsam im Netz zusammenklauben. Und ich finde bei weitem nicht alle aus den letzten Jahren.
Über die zukünftige Gestaltung der Ahnengalerie muss man sich in Zukunft ein anderes Konzept überlegen. Wenn kein Geld für einen Ankauf da ist, muss man leider ohne Bilder leben. Von der Kollegin Andler-Laurenz hängt – warum auch immer? – ein Porträtfoto in der Galerie. Auch das ist eine Möglichkeit. Eine Leihgabe für den Zeitraum von beispielsweise zwei Jahren, die an einem repräsentativen, öffentlichen Ort hängt, würde ich weder haken, noch vom Tisch wischen. Aus meiner Sicht ist das eine schöne Geste.
Zum Schluss möchte ich mich noch einmal herzlich für die feierliche Preisverleihung bedanken. Sie war würdevoll, dem Rahmen angemessen, voller Wärme und nicht zuletzt durch die Rede und die Moderation von Frau A. eine tolle Feier. Die Arbeit von Frau A., von Anfang an, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Höchst professionell – meinen Respekt!
Hier hatte ich wirklich das Gefühl, dass meine Arbeit geschätzt und geehrt wird. Zumindest für die Dauer dieser Feier waren meine alltäglichen künstlerischen Selbstzweifel und Kämpfe auf ein Minimum geschrumpft.
Ich hoffe, mit meinen Ausführungen meine Haltung einigermaßen verständlich gemacht zu haben und hoffe außerdem, auch in Zukunft weiterhin ein würdiger Preisträger für die Stadt Sulzbach zu sein.
Mit freundlichem Gruß
Armin Rohr, Saarbrücken, 7. April 2015
Fazit:
Bilder verschenkte & verschenke ich, wann & wo ich will. Seit Jahren, immer mal wieder. Für Spendenaktionen, Geburtstage, an Weihnachten oder auch zu anderen Anlässen. Aus Dankbarkeit. Oder weil ich gerade kein Geld für ein Hochzeitsgeschenk hatte.
Liebe Künstlerinnen, liebe Künstler, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, gebt keine Bilder für Kunstpreise oder Ausstellungen oder als Bezahlung für Leistungen, die andere erbringen & für die angeblich kein Geld da ist – für nichts & wieder nichts!
Sagt einfach „Nein!“ zur Selbstausbeutung.
Den Zolnhofer-Kunstpreis habe ich aus meiner Vita gestrichen.
Session
Armin Rohr, Ohne Titel („Line, ausgeflippt“), 2015
Mischtechnik auf gefundenem, gefaltetem Papier, 21 x 29,7 cm
Vorderseite
Henri Rohr, Ohne Titel („Papa“), 2015
Mischtechnik auf gefundenem, gefaltetem Papier, 21 x 29,7 cm
Rückseite
Zeichensession mit den Sohn. Inspirierend wie immer.
Irgendjemand hat eine Nachricht auf das Blatt geschrieben. Anschließend wurde es wohl benutzt, um den Pinsel während des Aquarellierens abzustreifen. Wir haben es in der Mitte gefaltet & von beiden Seiten gezeichnet.
Fake
Ohne Titel, 2015
Mischtechnik auf getöntem Papier, 21 x 29,7 cm
„Es ist elend schwer zu lügen, wenn man die Wahrheit nicht kennt.“
Ja. So ist das mit den Bildern.
Qingdao
Im letzten Oktober erhielt ich über eine Kollegin den Hinweis zu einer Ausstellung in China. Das Art Museum in Qingdao rief auf zur Teilnahme an der „2014 Qingdao International Watercolor Biennial Exhibition“. Ich bewarb mich sehr kurzfristig mit vier Arbeiten, die auch tatsächlich für die Ausstellung ausgewählt wurden (Die Ausstellung lief von 12. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2015). Zur Eröffnung waren die Teilnehmer eingeladen: Flug, Spesen, Übernachtung wären vom Organisator übernommen worden, aber da alles sehr kurzfristig war & ich für diese Zeit schon viel um die Ohren hatte, musste ich leider absagen.
Noch während der Ausstellung, Mitte Dezember, kam eine Anfrage des Museums. Man wollte eine Arbeit ankaufen. Ob ich damit einverstanden wäre. Natürlich hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Ein Ankauf eines Museums? Auch noch in China? Großartig!
Der Kaufvertrag lag ein paar Tage nach der Anfrage in meinem elektronischen Postfach.
Das Museum wollte witzigerweise bis dato nicht wissen, wie viel meine Arbeiten kosteten. Man teilte mir lediglich mit, dass alles ausreichend versichert sei. Der Preis für die Arbeit war einfach im Kaufvertrag vom Museum festgelegt worden, ohne mich vorher zu fragen. Diese Tatsache irritierte mich zunächst sehr; aber der Kaufpreis war aber überaus großzügig bemessen. Er überstieg sogar den Wert einer meiner Zwei-Meter-Leinwände. Was mich noch mehr irritierte. Mit chinesischen Gepflogenheiten & Geschäftsmodalitäten bin ich nicht vertraut. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Druckfehler oder einfach einen Irrtum.
Ich druckte den Kaufvertrag sofort aus, unterschrieb ihn, als er noch halb im Drucker hing, scannte ihn ein & schickte das PDF per Mail ans Museum zurück.
Am letzten Tag des letzten Jahres war eine erschien eine größere Summe aus China auf meinem Konto. Anscheinend erhielt ich das für meinen Flug & den Aufenthalt eingeplante Geld, welches ich ja nun nicht in Anspruch genommen hatte, zusätzlich zum Preis des Bildes. Oder so. Egal. Ich habe es bis heute nicht verstanden. Die Kinder, die Ehefrau & ich freuten uns über diesen unverhofften Geldsegen & verprassten alles innerhalb der nächsten Tage. So hielten wir es schon immer. Außerdem war ja ein paar Tage vorher Weihnachten & wir hatten noch keine Geschenke.
Heute kam eine Kiste aus China. Vermutlich handelt es sich um die drei anderen Arbeiten der mittlerweile zu Ende gegangenen Ausstellung.
Ich habe nicht hineingeschaut & die Kiste ungeöffnet ins Lager gestellt.
Wahrscheinlich werde ich sie zu Lebzeiten auch nicht mehr öffnen; möglicherweise aber irgendwann einmal in einer Ausstellung zeigen. Ungeöffnet. Zusammen mit dieser Geschichte. Oder einer ähnlichen.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Fritz Zolnhofer
Seit letzter Woche ist es offiziell: Am 27. März erhalte ich den Fritz Zolnhofer Preis der Stadt Sulzbach. Was mich natürlich sehr freut. Um so mehr, weil ich von dem Vorschlag nichts wusste & ich per Anruf über den Preis informiert wurde. Außerdem gibt es Kohle & das ist ja wohl das Wichtigste überhaupt bei so einer Kunstpreisgeschichte!
Über den Preis war mir bislang nicht viel bekannt. Ich habe gleich nach dem Anruf gegoogelt & ein paar Infos über Fritz Zolnhofer bei Wikipedia & auf der Seite des Instituts gefunden.
In Sulzbach verbrachte ich den größten Teil meiner Jugend. Meine Eltern bauten hier Mitte der Siebziger Jahre ein Haus. Damals schien Sulzbach durchaus attraktiv. Eine Mittelstadt & irgendwie einigermaßen lebendig.
Wenn ich heute durch die Hauptstraße in Sulzbach fahre, um meine Mutter zu besuchen, überfällt mich eine große Traurigkeit. Um nicht zu sagen, ich werde depressiv & eine großes Vakuum macht sich in meinem Malerkopf breit. Alle Farben verschwinden, es wird erst grau & dann ist da so eine Art Nebel. Stille.
Die meisten der Ladenlokale & ehemaligen Kneipen & Cafés in der Hauptstraße stehen leer. Vieles wirkt marode, krank & überholt. Arm. Nichts bewegt sich hier. Ein Organismus, der bei lebendigem Leib verwest. Das Tal des Todes. Ich will nicht hierher, nicht freiwillig, es ist deprimierend, es zieht mich runter, sogar wenn die Sonne scheint, aber meine liebe, in die Jahre gekommene Mutter wohnt noch in Sulzbach. Natürlich gibt es auch hier wie überall die ehemaligen & aktuellen, aber grausamen „Neubaugebiete“ am Rand, am „Speckgürtel“ & manchmal wird auch hier komischerweise immer noch was gebaut.
In ihrer Spießigkeit & Muffigkeit können diese städtebaulichen Verirrungen & architektonisch-ästhetischen Grausamkeiten allerdings nicht über die Probleme der Region hinwegtäuschen. Hässliche potemkinsche Viertel, farbenfrohe Jägerzaunidyllen, vor allem sonntags & schaurig still & deprimierend (wie überall in D).
Ich verbrachte hier einen Teil meiner Jugend. Möglicherweise war das alles damals schon zu ahnen – gespürt habe ich es nicht. Es gab eine funktionierende Infrastruktur, Geschäfte & Vereine. Allerdings bevorzugte ich schon in dieser Zeit die große Stadt oder auch Dudweiler, die Nachbarstadt gen Westen, die heute wohl nicht minder mit dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit kämpft. Außer einem provinziellen Kino geizte Sulzbach ansonsten mit Reizen für mich. Es war sterbenslangweilig.
In den meisten Häusern unseres ehemaligen Neubauviertels wohnen ältere & alte Menschen; kaum jüngere Familien mit Kindern. Viele Witwen. Die oberen Stockwerke verwaist, Rolläden ganzjährig geschlossen. Früher gab es hier mehr Kinder als Erwachsene.
Ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Tennisplatz unweit meines Elternhauses. Tennisplätze sehen überall gleich aus.
Mittlerweile muss die Stadt seit Jahren mit einem dramatischen Bevölkerungsrückgang fertig werden. Um so erstaunlicher, dass es den Fritz Zolnhofer Preis gibt, der seit 2001 nach wie vor alle zwei Jahre vergeben wird. In Zeiten wie diesen. Überall Krisen, nirgends ist mehr Geld, die Kassen in Kommunen & Gemeinden sind leer. In Sulzbach ist das nicht anders.
Im alten sog. Knabenrealgymnasium, welches vor einigen Jahren aufwändig umgebaut & restauriert wurde, findet man nun einen Konzertsaal & Ausstellungsräume, die Aula, welche abwechselnd vom ortsansässigen Kunstverein, der rührigen Musikschule & der Stadt bespielt werden. Eine Knospe inmitten ehemaligen Grüns. Aber ringsherum stirbt alles seit Jahren ab. Sulzbach steht hier nicht allein für eine Tendenz, die wohl auf lange Sicht unvermeidlich & nicht zu stoppen ist.
Und hier also verbrachte der Maler Fritz Zolnhofer seine Kindheit. Nicht einmal direkt in Sulzbach, sondern in den heutigen Stadtteilen Schnappach & Altenwald. Ein saarländischer Lokalmatador.
Im Saarland ist Fritz Zolnhofer durchaus kein Unbekannter. In meiner Erinnerung sind es in erster Linie die dunklen, düsteren Bilder aus dem Bergarbeitermilieu. Genrestudien. Sein Vater war Bergarbeiter. Und natürlich Landschaften. Geprägt & gezeichnet von der Kohle- & Stahlindustrie. Im Saarländischen Künstlerlexikon findet man einige dieser typischen Bilder Zolnhofers.
(Erstaunlicherweise auch diese Arbeit.)
Ich mochte die Malerei von Zolnhofer eigentlich nie, auch der Preis wird daran nichts ändern.
Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Stipendien & Preisen. Einerseits beteilige ich mich in aller Regel schon seit Jahren nicht an Ausschreibungen oder am allgemeinen Aufenthaltsstpendiums-Tourismus. Eigentlich gar nicht. Einschlägige Magazine & Gazetten, in denen man sich über derlei Dinge informieren könnte, lese ich nicht. Ich verbringe meine Zeit nicht gern mit dem Schreiben von Bewerbungen & dergleichen müßiger Tätigkeiten. In meiner Vergangenheit gab es einige Preise & Auszeichnungen, die aber meistens das Ergebnis von Zufällen oder zufälligen Begegnungen waren, wundersame Fügungen eben & nicht das Ergebnis planvollen, strategischen Vorgehens.
So auch in diesem Fall. Man fühlt sich geehrt, erhält ein Preisgeld – wie ich hörte, steuerfrei – & im März 2016 werde ich in den Räumen der „Aula“ anlässlich des Preises ausstellen.
Update:
Gerade erfahren, dass ENOVOS Hauptsponsor des Preises ist. Und auch die Volkbank sponsert.
Art Karlsruhe
Vom 5. – 8. März bin ich – nebst anderen Kollegen – live auf der Art Karlsruhe mit der Galerie Szalc.
Preview & Vernissage beginnen am 4. März 2015 ab 11:00 bzw. ab 15.00 Uhr.
Galerie Szalc
Stand-Nr. H4/ NO5 (dm arena)
Mit: Wolfgang Hambrecht (One-Artist-Show)
und: Holger Bunk, Cornelia Konrads, Armin Rohr, Antje Seemann, Peter Szalc.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Bubblegum-Painting
Das Bubblegum-Dripping vorm Eingang des Primark in Saarbrücken.
Ein Work in Progress. Gemacht von ganz ganz vielen Menschen. In Saarbrücken findet man überall Kaugummiflecken. Aber vorm Eingang des Primarks tritt dieses Phänomen dermaßen gehäuft auf wie sonst nirgends in der Stadt.
Die Unesco sollte es aufnehmen in ihre Welterbeliste. Vielleicht wird es auch outgesourcter Bestandteil der nächsten Documenta.
Ich weiß nicht, ob sich die Menschen vorm Betreten oder nach dem Besuch ihrer Kaugummis entledigen. Oder ob besonders viele Menschen nur zufällig im Vorbeigehen ihre Kaugummis gerade hier ausspucken.
Es ist auf alle Fälle ein Zeichen. Es ist auffällig. Es ist nicht schön.
Es ist Kunst.
Kreise zeichnen
Mercedes-Sprinter-Zeichnung. Saarbrücken, entstanden am 30. Januar auf dem Parkplatz vorm E-Haus.
Mercedes-Sprinter-Zeichnung. Saarbrücken, entstanden am 31. Januar auf dem Parkplatz hinterm KuBa.
In Ermangelung eines Skizzenbuches zeichnete ich vor einigen Tagen während zweier Kunsttransporte mit einem Mercedes-Sprinter Kreise in den Schnee auf dem Parkpaltz hinterm KuBa. Die Zeichnungen sind mittlerweile nicht mehr zu sehen. Temporär & ephemer. Wie man so sagt.
Rundgang
Im Wintersemester liefen zwei Zeichenkurse: Aktzeichnen & Urban Sketching.
Die Ergebnisse kann man ab heute Abend im Seminarraum 2 in HBK angucken.
Der Rundgang – die Jahresausstellung der HBKsaar – 2015 wird eröffnet.
Ausstellung: 6. bis 9. Februar
Eröffnung: Freitag, 6. Februar 2015, 18:00 Uhr, Foyer
Eröffnung des Rundgangs der Ateliers aus der Handwerkergasse Völklingen im Ferrum-Haus Saarbrücken:
Samstag, 7. Februar 2015, 14:00 Uhr
Öffnungszeiten:
Campus Saarbrücken
Keplerstraße 3–5
66117 Saarbrücken:
Samstag & Sonntag 10:00 – 19:00 Uhr, Montag 9:00 – 15:00 Uhr
Ferrum-Haus
Mainzerstraße 72
66121 Saarbrücken:
Samstag bis Montag 10:00 – 19:00 Uhr
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
2005 (Europa-Institut – ein Nachtrag)
Manchmal dauert etwas länger, bis ich eine Arbeit dokumentiere. Im Fall des Europa-Institutes an der Universität in Saarbrücken dauerte es fünf Jahre, bis ich wieder in den Räumen war & ein paar Fotos schießen konnte. Und dann nochmal zwei Jahre, um einige, eher schlechte Fotos hier einzustellen. Die Licht- & Raumsituation vor Ort ist kompliziert. Zu kompliziert für meine bescheidenen Fotografierfähigkeiten.
Zur Erinnerung: Drei Stockwerke, ein Treppenhaus.
Vorgabe: vier Arbeiten sollten in bereits vorhandene Vitrinen & Nischen installiert werden (Die ersten sechs Fotos auf der Seite). Was mir eigentlich überhaupt nicht gefiel. Ganz & gar nicht. Ich mag es nämlich nicht, wenn ich meine Arbeit räumlichen Gegebenheiten anpassen & somit unterordnen muss. Wir haben lange überlegt. Irgendwann habe ich mich mit dem Gedanken an die Rahmen angefreundet. Vielleicht, weil die Arbeiten so herrlich deplatziert erscheinen. Überhaupt, das ein oder andere, was ursprünglich geplant war, war technisch nicht möglich & musste vor Ort verändert werden.
Die beiden über 4 Meter langen Vitrinen sind von schweren, dunklen Metallrahmen eingefasst. Die Arbeiten darin wirken besser als ich anfangs vermutete. Fremdartig.
Die beiden Hochformate reichen bis zum Boden; hätte ich freiwillig nie an diesen Platz in dieser Form gehängt oder installiert. Das Konglomerat von unterschiedlichen Türen, Bodenbelägen, unruhiger Architektur und der heftigen Farbigkeit in den Bilder erinnert an eine Collage. Unterschiedliche, einander widersprechende Realitäten prallen unvermittelt aufeinander.
Eigentlich unmöglich, aber so ist das wohl in Europa derzeit. Nicht immer schön. Leider. Aber dadurch sind die Bilder nicht einfach nur Aufhübschung der Räume. Sondern versuchen sich trotz der Vorgaben zu behaupten. Störrisch & widerspenstig.
Der Rest – unregelmäßig geschnittene Platten (ähnlich wie hier) – frei auf der Wand.
Man rauft sich zusammen & wundert sich, dass alles irgendwie funktioniert.
Beispiele sozialer Plastik in Nantes
Wenn auch nur temporär, aber trotzdem ein durchaus gelungenes Beispiel für die praktische Anwendung des beuysschen Gedankens der sozialen Plastik:
Bürger gestalten ihre Stadt.
Findet man bestimmt nicht nur in Nantes.
Was ist eigentlich das Gegenteil von sozialer Plastik? Unsoziale Plastik? Asoziale Plastik? Antisoziale Plastik?
Nantes hängt
Es ist besser geworden als ich befürchtete. Die großen Formate reißen es raus. Da kommt dann was zum Schwingen. Bei großen Formaten fallen die Schnüre nicht allzusehr ins Auge. Glücklich bin ich nicht. Auch nicht zufrieden. Erleichtert, dass es nicht ganz in die Hose gegangen ist.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Je suis Charlie!
Natürlich bin ich nicht Charlie. Ich weiß auch nicht, ob ich die Eier hätte, Charlie zu sein. Wahrscheinlich eher nicht. Im Gegensatz zu Stéphane „Charb“ Charbonnier habe ich außerdem Kinder, eine Frau, ein Auto & Schulden.
Mir fehlen die Worte. Dann wenigstens ein Zeichen.
Mein Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten.
Ich bin traurig.
Such die Kunst!
Auch in Nantes pflegt man einen ähnlichen Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum wie in Saarbrücken.
Jekyll and Hyde
Die schwierigsten Räume ever. Keine Räume. Eher Passagen, Durchgänge, Flure. Nichträume. Unräume. Schrecken aller Künstler. Weiße Wände, graue Wände. Und dann noch Schnüre, sog. Hängeschnüre. Ich hasse Hängeschnüre. Augsburger Puppenkiste. Das Grauen! Da verkommen meine Gedanken zur bloßen Dekoration, zur Aufhübschung! Meistens jedenfalls. Aber vielleicht kann ich das ja ein kleines bisschen nur verändern. Diesem Albtraum von einem geht-garnicht-Raum einen Klang zu verleihen.
Ich werde mein Bestes geben.
Nantes
Ohne Titel („K. im ‚Les pieds dans le plat‘“), 2014
Bleistift, Skizzenbuch, ca. 25 x 18,5 cm
Derzeit weile ich in Nantes/Frankreich & baue gerade eine Ausstellung auf. Unter dem Tiel „Jekyll and Hyde“ zeige ich im Espace Cosmopolis in Zusammenarbeit mit dem Centre Culturel Franco-Allemand Arbeiten aus den Jahren 2006 – 2013.
Die Ausstellung findet statt anlässlich der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Nantes & Saarbrücken.
Teuer.
Einmal, vor längerer, vor sehr langer Zeit, hatte ich eine Ausstellung in einem sehr kleinen Kunstverein in einer sehr tiefen Provinz.
Der Leiter des Kunstvereins sagte:
„Wir haben schöne Räume. Stammpublikum. Aber verkauft wird in aller Regel nur, wenn ein Lokalmatador ausstellt. Und auch da eher selten. Wir leben in einer armen Region. Früher haben wir viel verkauft. Aber die Zeiten haben sich verändert. Alles ist schlechter geworden. Die Leute geben weniger Geld für Kunst aus.“
Spontan überlegte ich mir, meine Arbeiten etwas günstiger anzubieten. Genauer gesagt, um die Hälfte günstiger. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt. Außerdem geben die Leute immer mehr aus für Kunst. Auktionsrekorde allerorten. Nun ja. Halt nicht in der tiefen Provinz. Und dass sich die Zeiten ändern ist auch keine bahnbrechende Erkenntnis.
Möglicherweise dachte ich, ich könnte auf diese Weise eher was verkaufen. Überhaupt mal was verkaufen. In einem kleinen Kunstverein. In der Provinz. Kleine Preise für eine arme Gegend, um so einen Teil meiner Kosten einzuspielen. Bescheuert.
Ein Test.
Die Vernissage war gut besucht. Das Publikum interessiert & informiert. In kleinen Kunstvereinen ist das Publikum meistens interessiert & informiert. Auch in der Provinz.
Eine auffällig kostümierte ältere Dame mit einem ungewöhnlichen Hut, Modell Ascot, stand vor einer kleinen Leinwand. Andächtig, nachdenklich. Ein wenig affektiert, mit der Preisliste durch die Luft fächernd.
Zuerst dachte ich: „Künstlerin! Oder vielleicht Leiterin der Kinder- & Jugendmalschule vor Ort?“
Der Leiter des Kunstvereines stellte mich vor. Frau M., eine wichtige Persönlichkeit der Stadt. Sehr „kunstaffin“. Mitglied des Kunstvereins. Sammlerin. Sie verwickelte mich sofort in ein Gespräch über den ungewöhnlichen Kolorit meiner Arbeiten, im Besonderen aber jener Arbeit, vor der wir gerade standen. Die irgendeine Seite in ihr zum Schwingen & Klingen brachte, die sie anrührte, die Erinnerungen weckte. Sie geriet heftig ins Schwärmen, beschrieb Form & Komposition in ausladenden Gesten, beschrieb den Platz in ihrer Wohnung, wo meine Arbeit ihrer Meinung nach hängen sollte. Müsste.
Unbedingt.
Allein – mein Preisniveau sei zu hoch, zu hoch für die Region, zu hoch für den Kunstverein, ja, auch zu hoch für sie. Meine Arbeiten seien: teuer. Ob man da etwas am Preis machen könnte.
Wer mich kennt, weiß um meine höfliches, freundliches Wesen. Auch wenn ich sehr sehr verärgert war & lieber ohne genau dieses dämliche Gespräch in einer Ecke gestanden hätte, das bunte Treiben beobachtend & vor allen Dingen meinen Wein genießend. Stressfrei.
Ich erzählte etwas über die im Preis seienden Mehrwertsteuer, die von mir getragenen Transportkosten, den Anteil des Geldes, welches der Kunstverein im Falle eines Verkaufes erhält.
Und so weiter. Sinnlose Begründungen. Energie-, Zeit- & Luftverschwendung. Ich sagte, dass man da nichts am Preis machen könnte, weil die Bilder ihren Preis wert seien. Preiswert. Also das Gegenteil von teuer.
Was bedeuted überhaupt teuer? Teuer in Bezug auf was? In Bezug auf eine Currywurst um die Ecke? Oder etwa in Bezug zu einem neuen Porsche oder einer Bulthaupt-Küche, einen Neo Rauch oder einen Gerhard Richter? Teuer in Bezug auf den roten Hut auf dem Kopf der kunstaffinen wichtigen Persönlichkeit & Sammlerin? Teuer? Zum Teufel! Teuer ist ein Schimpfwort! Dachte ich.
Nein. Nichts sei am Preis zu machen. Gar nichts. Grundsätzlich. Von meinem „Test“ erwähnte ich nichts.
Ja, so sei das mit den Künstlern. Könnten nicht vom Verkauf leben, aber kein Wunder. Die wenigsten seien Geschäftsleute.
„Ihre Haltung imponiert mir. Vielleicht überlegen Sie sich es ja noch einmal im Lauf der Ausstellung. Dauert ja noch ein bisschen.“
Ich habe mir nichts überlegt, bewahrte meine Haltung. Verkauft habe ich auch nichts an diesem Abend. Und auch nicht im Verlauf der folgenden Wochen.
Ja, so ist das mit den sehr kleinen Kunstvereinen in sehr tiefen Provinzen.
Die Dame mit dem ungewöhnlichen Hut habe ich nie mehr gesehen.