Ich ficke Euren Black Friday!
Ich ficke Euren Black Friday!
Für das Jahr 2024 wurde eine seit drei Jahren geplante Ausstellung der international bekannten Medienkünstlerin Candice Breitz in der Modernen Galerie Saarbrücken abgesagt. Von der Absage erfuhr die Künstlerin nach eigener Aussage zum ersten Mal aus den Medien.
Candice Breitz, gebürtige Südafrikanerin ist Jüdin, bekannt als Aktivistin, die ihre Stimme in dem seit Jahrzehnten dauernden Konflikt zwischen Israel & Palestina für die Menschlichkeit einsetzt & nicht mit Kritik gegen Hass & Gewalt auf beiden Seiten zurückhält.
Die Ausstellungsabsage des Kuratoriums der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz beruhte – wahrscheinlich – auf Vermutungen, schlechter Recherche, vorauseilendem Gehorsam & stellte sich als ein kapitaler Fehler heraus. Weltweit wird diese Absage seit einigen Wochen in den Medien diskutiert. Sowohl die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz als auch die Leiterin der Saarlandmuseums Andrea Jahn & sowie die Kultusministerin des Saarlandes Chrisine Streicher-Clivot kommen dabei sehr schlecht weg.
Ich selbst bin sprachlos, fühle mich ohnmächtig & hilflos. Sprachlos über das Schweigen des Kuratoriums des SSK (Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, sprachlos über das Schweigen einer Kultusministerin, die offensichtlich gewillt ist, diesen Skandal auszusitzen.
Ich möche mich auf diesem Weg mit Candice Breitz solidarisieren. Ich finde das Schweigen der Verantwortlichen sowie deren Handeln ungeheurlich.
Viele Kunstschaffende & Institutionen schweigen nicht zuletzt aus Angst, in die falsche Ecke gestellt zu werden & fürchten gar um ihre zukünftige Förderung & Stigmatisierung im Kulturbetrieb des Saarlandes. Positionieren sich bestenfalls hinter vorgehaltener Hand. Das kann & darf nicht sein.
Der ganze Vorgang kratzt an meinem Verständnis von Demokratie & vor allem der Freiheit der Kunst.
Anbei eine Sammlung von Links zum Skandal.
Wir im Saarland vom 6.12.23
SR2 Kulturradio vom 30.11.23
Bericht im SR vom 01.12.23 (ab Minute 17:42)
„Es steht jeder Künstlerin frei zu artikulieren, was sie denkt“ SR vom 02.12.2023
Jüdische Künstlerin Candice Breitz fordert öffentliche Entschuldigung. Im Saarländischen Rundfunk vom 4.12.23
Aktueller Bericht vom 06.12.2023
artmagazine vom 10.12.23
Wir im Saarland vom 12.12.23
Junge Welt vom 14.12.23
Es gibt eine Unterschriftenaktion von saarländischen Aktivisten, Klaus Harth beschreibt sein Unbehagen sehr gut & spricht mir u. a. damit aus der Seele aus, was ich auch denke.
PS:
Mittlerweile existiert eine Presserklärung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Nachzulesen bei Klaus.

Karl Prantl (Wien, Österreich), 1978
Sieben Stelen
(Internationales Bildhauersymposion St. Johann)
Kaum waren die lebenserhaltenden Poller im Zuge der Erweiterung der Fußgängerzone hinter der Stadtgalerie am St. Johanner Markt weg, ging es der Skultur von Karl Prantl aus Österreich an den Kragen.
Hier kann man noch die verpollerte Version der Skuptur sehen.
Im vergangenen Jahr wurde vor der Saarbrücker Synagoge das Denkmal „Band der Erinnerung“ eingeweiht.
Ein ca. fünfzehn Meter langes gewundendes Edelstahlband mit Namen und Geburtsdaten der fast zweitausend Juden, die im Saarland während des Holocausts ermordet wurden soll gleichzeitig erinnern & mahnen. Außerdem wurde die Fläche in „Platz der Erinnerung“ umbenannt. Die Sulptur wurde von der Künstlergruppe „Mannstein und Vill“ aus Berlin entworfen.
Sowohl der „Platz der Erinnerung“ als auch die Skulptur befinden sich auf dem Platz vor der Saarbrücker Synagoge am Beethovenplatz.
Allerdings stelle ich mir die Frage, wie eine „Stadt“, wie wir alle mit Kunst in öffentlichen Räumen umgehen, wie wir sie wahrnehmen. Parkende Autos & unnötige E-Roller scheinen mittlerweile ein normaler Bestandteil dieses Mahnmals zu sein. Die Skulptur verstellt zwar nicht den Blick, aber mir ist der Blick auf die Skulptur verstellt. So wird aus dem „Platz der Erinnerung“ ein banaler Park- & Abstellplatz; die Skulptur verschwindet.
Ich bin stinksauer & empfinde das respektlos.

Nein, ich finde es immer noch nicht ganz hervorragend, das größte öffentliche Kunstwerk aller Zeiten im Saarland. Ich mag mich einfach nicht dafür erwärmen.
Banksy hat es wieder allen gezeigt. Eigentlich finde ich den Gag gelungen. Noch gelungener finde ich allerdings die Reaktion der Käuferin & das ist dann vielleicht doch das Gegenteil von dem, was Herr Banksy erreichen wollte:
Ich musste an Ai Weiweis zusamengekrachten Turm während der Documenta 2007 denken:
Documenta-Chef Buergel, barfuß in einer großen Pfütze vor Template , sah den Einsturz als „nur konsequent“. „Die Trümmer lassen jetzt jede Menge Assoziationen zu. Und genau das will Kunst ja: anregen.“ Für Köhler habe keine Gefahr bestanden. „Für den Einsturz war ein solches Unwetter nötig, bei dem selbst der mutigste Bundespräsident das Weite gesucht hätte.“ Für den nächsten Tag hatte sich ein Käufer für Template angekündigt. Ai Weiwei zeigte sich direkt nach dem Einsturz dennoch optimistisch:
„Der Preis hat sich soeben verdoppelt.“
Der Preis hat sich soeben verdoppelt! Ist das nicht irre?
Damals, nach dem Lesen dieses Artikels, begann ich an Herrn Ai WeiWei & seiner „Kunst“ zu zweifeln. Nicht aber an seinen Fähigkeiten, aus Scheiße Geld zu machen!
Mittlerweile finde ich seine Arbeit nur noch doof.
Das gibt es nur in der Kunst. Beziehungsweise auf dem Kunstmarkt. Auf dem Kunstmarkt, der sich von der Kunst entkoppelt hat. Artefakte sind nichts weiter als Devotionalen & Trophäen für eine völlig degenerierte Schicht von superreichen Schwachmaten, die für völlig überteuerte Wracks & Ruinen bereit sind, jeden Preis zu zahlen, um ein eigenes Stück vermeintliche Kunstgeschichte zu besitzen!
Vor einigen Jahren fiel eine von mir bemalte & aufgehängte Aludibondplatte aus großer Höhe herunter & riss noch zwei weitere, kleinere Platten mit. Die Platten waren Teil einer Wandinstallation, die ich im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Projektes für eine Institution realisiert hatte. Gott sei Dank war niemand in der Nähe. Die Platten waren völlig verbogen, an einigen Stellen war die Farbe abgeplatzt – hätte zu diesem Zeitpunkt eine Person unter der großen Platte gestanden – immerhin ca. 125 x 250 cm – sie hätte dieser Person wohl den Schädel gespalten.
Ich malte auf eigene Kosten komplett neue Platten & ließ die Platten fachgerecht & wieder auf eigene Kosten von einer Firma aufhängen.
Alles falsch gemacht. Ich hätte die verbeulten & verbogenen Platten wieder aufhängen & eine weitere Rechnung schreiben müssen:
„Hey! Der Preis hat sich soeben verdoppelt! Sie sind jetzt Besitzer eines eigenen Stückes der Kunstgeschichte!“ So geht das in Zukunft!
Alleh Hopp!
Im Rahmen der Saarbrücker Innenstadtsanierung in den 1970er Jahren wurde eine Fußgängerzone um den St. Johanner Markt errichtet, die am 01. Mai 1979 eingeweiht wurde. Auf der Grundlage des Gestaltungsrahmenplanes entwarfen Künstler und Architekten der Arbeitsgemeinschaft Fußgängerbereich Saarbrücken (AFS), die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler e.V. (ABK) enthielt, die technische, gestalterische und künstlerische Detailplanung, in der mehrere Kunstobjekte […] vorgesehen waren.
Eine Baustelle rund um den Stein von Milena Lah aus Zagreb. Ich finde das Vorgehen sowohl der ausführenden Arbeiter als auch der Verantwortlichen Planer respektlos. Man hätte dieses Werk im Vorfeld der Bauarbeiten schützen können.
Aber wozu? Ist ja nur ein Stein.
Die „Große Gaia“ von Matschinsky-Denninghoff am neuen Museumspavillon in Saarbrücken. Leider verstellt durch einen Laternenmast. Ein Fauxpass.
Aber das ist ja auch kein Wunder. Der komplette Museumsneubau ist ein einziger Fauxpas. Ein scheiß langweiliger Fauxpas. Ein scheiß langweiliges Bild kann man übermalen. So was passiert. Aber dieses scheiß langweilige Fauxpas-Museum kann man nicht einfach mal übermalen.
Scheißen!
Was hier am Boden liegt, ist eine Skulptur von Thomas Wojciechowicz. Vermutlich umgefahren im Zuge der Aufbauarbeiten rund um das Hüttendorf, genannt Christkindlmarkt.
Die Steinskulpturen rund um den St. Johanner Markt werden eigentlich immer mal wieder umgemäht; das ist hier eigentlich nichts besonderes. Routine. Die Skulptur von Heinz Oliberius, bei dem ich einst einge Semester zeichnete, wird pro Jahr mindestens zwei- bis dreimal Opfer unaufmerksamer Wendemanöver.
Anbei ein Artikel von Silvia Buss in der Saarbrücker Zeitung vom 23. Mai 2016. Bitte hier klicken.
Die Skulptur Projekte Münster 2017. Drei Tage an der nicht immer frischen Luft. Sommer, Sonne, Fahrrad fahren. Viel Zeit damit verbringen, sog. Skulpturen zu suchen. Nicht immer einfach zu finden. Manchmal ist man ein wenig ratlos. Nicht alles erschließt sich allein durch Betrachtung. Konzeptkunst. Man muss die Konzepte lesen. Die Konzepte sind oft das Papier nicht wert. Manchmal aber auch spannender als die Umsetzung.
Übers Wasser bin ich nicht gegangen. Aber ich habe lange da gesessen, am Ufer, & Leute dabei beobachtet, wie sie mit großen, leuchtenden Augen verwundert „über“ das trübe Wasser gingen, eher durch das seichte, knietiefe Wasser wateten, meistens lächelnd, lachend, irgendwie glücklich & sich dabei bewegten, als hätten sie die Fortbewegungsart des Gehens gerade erst für sich entdeckt: etwas unsicher, zögerlich & vor allem aber die eigenen Schritte & die der anderen unentwegt dokumentierend mit dem Handy oder einer Kamera & ab damit, mit dem Foto oder dem Film, hoch ins Netz, in die Cloud.
Den Brunnen von Nicole Eisenmann fand ich lustig. Allerdings war die Wiese rundherum schon zertrampelt & außerdem war er immer umringt von Menschen wie uns. Kunsttouristen halt.
Gregor Schneiders Räume waren überraschend. Allerdings durfte man sie nur einzeln betreten, deswegen stand man eineinhalb Stunden in der Schlange. Und natürlich ist das auch keine Skulptur. Es ist ein Gag. Einmal sehen & verstehen reicht dann auch. Wie die meisten Gags wird die Arbeit durch die Wiederholung wahrscheinlich nicht besser & auch nicht überraschender. Unter anderem dies unterscheidet Gags dieser Art wahrscheinlich auch von Malern wie Vermeer, Velázquez oder auch Munch. Deren Bilder erschöpfen sich nicht in Gags, sie ermüden nicht & werden, je länger ich lebe, immer besser, großartiger, schöner.
Vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt näher darauf eingehen.
Es war trotzdem schön.
Meine Antwort auf einen Post in Klaus Harths Zeichenblock zur SaarArt 2017. Lange überlegt, ob ich kommentieren will oder nicht. Schließlich bin ich ja Betroffener, Insider sozusagen, Auserwählter. Teil des Events.
Als mich die Einladung traf, war mein erster Gedanke: „Och nein, eigentlich brauche ich das nicht – wenig Zeigbares ist entstanden im letzten Jahr. Und überhaupt.“ Von Zweifeln geplagte Bilder & Zeichnungen; vieles landete im Altpapier oder ward ständig übermalt, ohne sichtbare Verbesserungen oder gar Ergebnisse. Einzelausstellungen abgesagt oder verschoben. Wie das halt so ist in der Krise als Dauerzustand.
Ich habe mich doch entschieden, mitzumachen. Unter der Bedingung, dass ich eine Wandmalerei realisieren darf. Weil ich Lust hatte, vor Ort was zu malen. Und: Weil Wandmalerei geht fast immer – meine Erfahrung aus den letzten Jahren. Fast alle Wandmalereien der letzten Jahre erfüllten mich mit Freude. Vor allem während des Entstehens. Der Prozess ist wichtig. Natürlich strebe ich jedes Mal ein gutes Ergebnis, eine starke Malerei für die Dauer einer Ausstellung, an.
Wenn alles fließt, wenn eines sich zum anderen fügt, wird es ein Fest.
Allerdings begleitet mich während dieser Unternehmungen das Risiko, zu scheitern. Permanent. Dass es nix wird, dass es mehr stottert als es fließt. In der Vergangenheit gab es gelegentlich Malereien an der Wand, mit denen ich sehr unzufrieden war – uninspiriert, verkrampft, irgendwie schlecht drauf. Aus vielen Gründen.
In Freiburg letztes Jahr z. B. lief nichts rund. Ich habe zwar die Kurve gekriegt, aber ich war sehr unglücklich & deprimiert. Ich glaube, man hat es dem Bild angesehen. Ein Nebeneinander von Formen & Farben, dem die Tiefe fehlte. Am Ende war ich müde & kaputt; am liebsten hätte ich einfach alles mit Weiß übertüncht.
Für die SaarArt-Malerei in Neunkirchen hatte ich ein Zeitfenster von fünf Tagen. Das erschien mir ausreichend, auch für den Fall, dass es vielleicht nicht so gut läuft. Zur Not könnte ich ja nach zwei Tagen alles mit Weiß übermalen & ein zweites Mal starten. Manchmal hat man ja auch zu viel Zeit.
Egal: volles Risiko vor Ort. Es gibt immer Unwägbarkeiten. Ich weiß, dass ich auch in fünf Tagen scheitern kann. Und dann steht da dieses Dokument meines Unvermögens & meiner Unzulänglichkeit für die Dauer von zwei Monaten und ist auch noch in einem Katalog abgebildet. Merde! Ich bin da alles andere als routiniert & abgeklärt, schon gar nicht zur Zeit! Es ist ein Sprung ins kalte, dunkle Gewässer. Ich weiß nie, wohin es führt & an welchem Punkt ich wieder aussteige. Ein Versuchsfeld & Testgelände also. Oder Trainingslager.
Aber es lief! Es hat riesigen Spaß gemacht, ich habe die Tage dort genossen. Es war ein schönes Gefühl, in diesem Raum zu malen. Ich war in der Wand drin, hatte den Eindruck, jeden Quadratzentimeter zu kennen. Außerdem kam mir die Oberfläche der Wand entgegen, keine Tapete, sondern Putz. Ein nicht unwichtiges Detail.
Im Gegensatz zu Freiburg, wo ich mich von Anfang an sehr unwohl fühlte. Ein großer Raum, der gleichzeitig ein klaustrophobisches Gefühl in mir wachrief. Fensterlos. Dunkel. Kunstlicht. Die Wand vier Meter hoch, um die Ecke. Leiter rauf, Leiter runter & außerdem eine Art Rauhfaser an der Wand. Eine körperliche Herausforderung. mehr Sport als Malerei. Ich habe diese Wand im Vorfeld unterschätzt.
Zur SaarArt habe ich schon immer ein disparates Verhältnis. In den letzten Jahren erschien sie mir für meinen Geschmack zu groß, zu ausufernd. Außerdem finde ich die Unterschiedlichkeit der Räume problematisch: Im Saarlandmuseum meistens die Schar der Konkret-Wichtigen & Wichtigen, großzügig gehängt & museal; in Neunkirchen dagegen z. B. (in den alten Räumen) kleinteilige Enge; irgendwie ein Nebenschauplatz. St. Wendel – klare Räume, aber mit Ecken & Kanten. Und Merzig? Nun ja, ich bin froh, dass ich dort noch nicht ausstellen musste. Auch hier kleine, für mich sehr schwierige Räume.
Und dieses Jahr nun die Halle in Burbach & ein Dutzend anderer Orte & Räume nebst der saarländischen Galerie in Berlin. Wozu so viel Geld (was in der Kunstszene immer dringend benötigt wird) in diese Halle für ein singuläres Ereignis? Warum nicht noch ein Jahr warten & in den neuen Museumsräumen eine schöne Ausstellung? Warum so viele Orte? Wem nutzt die SaarArt?
Die SaarArt hatte auch in der Vergangenheit schon viel Aufmerksamkeit, stand meines Wissens immer schon in der Kritik, egal wie die Bedingungen waren. Ob mit Jury, Vorjury, ob mit eigener Bewerbung oder per Auswahl durch Kuratorinnen & Kuratoren. Immer fielen Kolleginnen & Kollegen unter den Tisch, die ich in der Ausstellung vermisst habe (ich glaube, es war Mitte der Neunziger in IGB, als zwei meiner ehemaligen Professoren die Vorjury nicht überlebten, während dagegen einige HBK-Studenten ausgestellt wurden).
Sowohl die gesamte Ausstellung als auch einzelne Positionen wurden nie verschont. Fast schon traditionell. Irgendeine Überschrift in der SZ vor langer Zeit sprach gar von der Wiederbelebung einer Leiche, in den Saarbrücker Heften war mal die Rede von einer Leistungsschau der Zuchtbullen.
„kunst ist nur dann kunst, wenn sie nach kunst aussieht.“
Gilt das nicht für jede Massenausstellung? Überhaupt für jede Ausstellung? Mal mehr, mal weniger Anschein & Schein von Kunst? Mal mehr, mal weniger Kunst? Aber wie sieht Kunst aus, die nach Kunst aussieht & wie sieht Unkunst aus? Wer entscheidet das? Ist das nicht abhängig vom Kontext? Vom Kurator? Vom Erfahrungshorizont des Betrachters? Das ist für mich kein Argument gegen eine „SaarArt“.
Manches, was ich von der SaarArt bisher gesehen habe, erscheint mir brav & konventionell inszeniert: Bilder an der Wand, Bilder an Stellwänden, Objekte auf Sockeln, Installationen in Räumen, Projektionen in verdunkelten Räumen – alles mehr oder weniger im sog. White cube. Funktioniert fast immer. Also Kunst. Klar. Aber läuft das? Vermutlich nicht immer.
„wieso schafft es keiner der bisherigen kuratoren, alwin alles oder kurt emser zu zeigen? wieso?? oder auch ludwig schmidtpeter, dessen raum in der freiburger ausstellung ich ungemein frisch und interessant fand? “
Völlig d’accord: Ludwig Schmidtpeter, Alwin Alles & auch Kurt Emser. Klaus Harth? Ja, unbedingt! Und viele andere Kolleginnen & Kollegen (andere dafür nicht; ich nenne jetzt keine Namen. Da kann jeder selbst seine Liste schreiben).
„wir sind jetzt dort angekommen, wo derzeit die politik mit der kunst hin will: event-charakter. brandings. viele besucher.“
Ich habe noch nicht alle Räume gesehen, aber der „Event-Charakter“ entstand eher durch die mediale Dauerpräsenz in der Eröffnungswoche. Mittlerweile ist es doch wohl eher still geworden. Und wenn man sich die Räume so anschaut, sind sie weit weg vom Event. Es sind schöne oder weniger schöne, gut gehängte oder weniger gut gehängte, schlüssige oder völlig unschlüssige Räume. Wie schon geschrieben, eher konventionell denn aufregend oder gar eventmäßig reißerisch. Event im Sinn von großem Ereignis, ja. Aber von Nahem betrachtet: wie gewöhnlich.
Was meinst Du mit „brandings“? Branding in Zusammenhang mit künstlerischen Positionen ist aus meiner Sicht tatsächlich oft doof. Der Mann, der die Bilder falschrum malt; der, der mit dem Rakel malt; die, die Bilder strickt; der, der immer den gleichen Furz lässt usw. …
Ich wurde von einzelnen Kolleginnen & Kollegen überrascht mit – für mich jedenfalls – bislang nicht gesehenen Ideen & Arbeiten. Hat mich gefreut, hat mich bereichert.
Branding in Hinblick auf die Marke SaarArt, Landeskunstausstellung? Über Begriffe lässt sich immer streiten. Landeskunstausstellung hört sich nach vergangenem Jahrhundert an, SaarArt hört sich an wie Art Basel oder Art Karlsruhe oder auch wie Lieschen-Müller-Art – habe ich auch nie verstanden. Aber gut, scheint etabliert zu sein, eine Marke, ein Brand. Marketingsprech. Ich halte das nicht für Etikettenschwindel, ich finde es einfach ein wenig unglücklich. Am Anfang laborierte man mit zwei Begriffen: Kunst-Szene-Saar plus Landeskunstausstellung. Zwischendurch gab es dann Titel wie „Augenblick“ oder „Visionen“. Am schlimmsten: „Dein Land macht Kunst.“ Versuche, völlig Unterschiedliches zu kategorisieren, zu etikettieren, unter einen Hut zu bringen.
Und viele Besucher? Das fände ich nun wirklich gut, wenn dem so wäre. Wer wünschte sich das nicht? Ich weiß, dass durch die mediale Präsenz mehr Menschen als üblich in die bespielten Orte gezogen werden. Auch Menschen, die üblicherweise nicht in jede Ausstellung rennen. Und das ist dann für mich als Künstler der eigennützige Gewinn der Ausstellung: Alle vier Jahre für die Dauer einer Ausstellung dabei zu sein, gesehen zu werden. Ökonomie der Aufmerksamkeit im kleinen Saarland. Dabei sein für eine kurze Zeit. Soviel zum persönlichen Nutzen der SaarArt. Aber wir wissen beide, wie kurzlebig & trügerisch das ist. Welche Namen fallen Dir ein, wenn Du an vergangene Landeskunstausstellungen denkst? Ohne in den Katalogen zu blättern? Gab es dadurch langfristige Veränderungen, Konsequenzen, Ankäufe, Galerieverträge, Museumsausstellungen, Einladungen zu Biennalen, Trienalen usw. für Dich?
Jemand kommentierte bei facebook: „Die Saarart ist so relevant wie eine Modelleisenbahn.“
Jo. Und? Die SaarArt ist keine Documenta und nicht die Biennale in Venedig. Ist bekannt. Saarbrücken ist auch nicht Berlin oder New York. Möglicherweise verbindet manch einer seinen internationalen Durchbruch mit einer Beteiligung. Alleh hopp!
Dazu fällt mir eine Geschichte ein:
Vor langer Zeit wohnten wir mit unseren beiden jüngeren Kindern in Ensheim. Jedes Jahr um die Weihnachtszeit konnten Menschen von überall her in den Räumen des Modelleisenbahnclubs in Ensheim eine fantastische, liebevoll gebaute Welt bestaunen. Nicht nur Eisenbahnen, auch Flugzeuge, Autobahnen, ganze Landschaften & Dörfer auf über siebzig Quadratmetern. Wir besuchten immer diese Ausstellung – sowohl die Kinder als auch wir Eltern waren fasziniert & gebannt. Unzählige Hände & Stunden haben dieses Kunstwerk in jahrelanger, geduldiger Kleinstarbeit erschaffen!
Bis heute haben wir diese Welt nicht vergessen. Man kann also sagen, für uns war diese Modelleisenbahn relevant. Bedeutsam.
Ist es für Künstler wie Bettina van Haaren, Gregor Hildebrandt, Shila Khatami, Sigrún Ólafsdóttir, Sigurd Rompza oder Jo Enzweiler relevant, dabei zu sein? Glaubst Du, sie machen sich Gedanken über die Relevanz der Ausstellung? Müsste Herr Hildebrandt wirklich dabei sein? Warum tut er das?
Kollegin Klaudia Stoll brachte es sinngemäß auf den Punkt: „Es ist schön, wenn die eigene Arbeit wahrgenommen & geschätzt wird.“
Mir ist die Relevanz einer SaarArt im kosmischen Vergleich völlig schnuppe. Ich hege null Erwartung. Manche prangern Provinzialität an. Oder fehlende „politische“ Kunst. Kann man alles machen. Provinzielles habe ich aber auch schon in New York, Berlin oder Kassel gesehen. Und sog. politische Kunst gibt es wie Sand am Meer – mehr gut gemeint als gut gemacht. Ist meistens doof. Andere brüsten sich mit dem Boykott der SaarArt. Dinge zu beurteilen, ohne sie gesehen zu haben? Wie relevant ist das denn? Das ist langweilig. Und überheblich. Saarländer, die die saarländische Kunst per se blöd finden, Saarländer, die das Saarland & alles saarländische scheiße finden. Mein Gott, wie langweilig.
„durch die struktur, die man dem ganzen unterlegt, fördert man nicht die außergewöhnliche position, nicht das eigenwillige, sondern das, was nach kunst aussieht.“
Ich glaube, das liegt immer an den Ideen & der Intention der Kuratorin oder des Kurators. Und an vielen anderen Umständen, aber meiner Meinung nach nicht an der Struktur. Außerdem gibt es einige – aus meiner Sicht – sehr schöne, eigenständige & erhellende Positionen zu sehen. Man muss halt hingehen & gucken.
Bei aller Kritik der HBK-Studenten am Pingusson-Gebäude: Es war für mich zu spüren, wie da versucht worden ist, die Konvention der Üblichkeit zu sprengen. Ob gelungen oder nicht, ist eine andere Frage. Vielleicht war die vorhandene Architektur mit ihrer Geschichte zu groß, zu mächtig & manche Eingriffe – nicht alle – zu zaghaft. Aber immerhin.
„eigentlich riecht es nach einer gewerbe-schau.“
Es ist eine unvollständige, völlig subjektive Übersichtsschau. Sie wird unter diesen Voraussetzungen immer so bleiben. Kein übergeordnetes Thema, kein zusammenfassender Gedanke als: saarländische Kunst in saarländischen Räumen. In Neunkirchen, zumindest im großen, neuen Ausstellungsraum, finde ich die Präsentation sehr gelungen & schlüssig. Dort ist im Obergeschoss ein Klang entstanden. In anderen Räumen ist das nicht zu spüren; zu weit gespannt sind die Positionen, als dass da was zusammenklingen könnte.
Deine Kritik der „Kunst, die nach Kunst aussieht“, entzündet sich an einem Foto in der SZ. Ich habe diese Ausgabe nicht gesehen & ob nun Titelseite oder nicht, besser erscheint mir doch der Versuch, die Ausstellung selbst vom Bild der Ausstellung, welches über die Medien transportiert wird, zu trennen.
Ich finde die Ausstellung im Pingusson-Bau auch da gelungen, wo aus meiner Sicht die Positionen scheitern, verunglücken. Es sind die vielleicht nicht immer ausgegorenen, skizzenhaften & holprigen Versuche einiger, die für mich den Reiz ausmachen. Ich sah dort nicht nur „Kunst, die nach Kunst aussieht“, sondern viel Fragendes, Tastendes, Unsicheres. Aber auch sehr starke Arbeiten, die sich behaupten in schwierigen Räumen. Ernsthafte Auseinandersetzungen. Eine Spielwiese. Ein Versuchslabor. Ein Testgelände.
Der subjektiven Auswahl einer Jury oder einer Kuratorin steht das subjektive Betrachten & die Bewertung eines Publikums gegenüber, „was nicht heißt, dass sich nicht das ein oder andere interessante und anregende Werk finden lässt.“ Eben. Solange das Konzept so ist, wird die Ausstellung ein Nebeneinander von einzelnen Positionen sein – schwierig für einen Kurator, da einen Klang, eine inhaltliche Klammer zu finden.
Ich empfinde großen Respekt für die Arbeit von Cornelieke Lagerwaard. Sie hat aus Allem das Beste gemacht. Das war kein leichter Job.
Vielleicht wäre es einfacher, diese Schau auf wenige Künstler & Räume zu begrenzen? Zurück zu den Anfängen? Mitte der Achtziger gab es noch keine HBK Saar, die saarländische Kunstszene war klein & überschaubar.
Wäre aber vermutlich eine erlauchte Schau von auserwählten altbekannten Platzhirschen, denen dadurch möglicherweise eine Relevanz zuteil wird, die diese von einer Jury oder einer Kuratorin zufällig getroffene Wahl nicht verdient hätte. Der Aufschrei wäre groß. Alle anderen fühlten sich übergangen.
Mir ist noch sehr präsent, wie alteingesessene, etablierte Platzhirsche sich Mitte der Neunziger gegen die Teilnahme von HBK-Studenten wehrten. Mittlerweile scheint das kein Problem mehr zu sein. Ich mag dieses zufällige Nebeneinander von Etablierten & Studierenden ja sehr gern.
Dann wäre es aus meiner Sicht besser, das Format in dieser Form komplett abzuschaffen – bei dem Gedanken an eine kleine, erlauchte Auswahl schaudert mich es schon jetzt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sympathischer erscheint mir die momentane Gemengelage. Zugegeben, dieses Jahr fällt die Schau auch für mein Gefühl zu groß aus.
Davon abgesehen: Funktionierende Themenausstellungen in den einzelnen Häusern gibt es ja sowieso immer wieder. Siehe Künstlerhaus.
Vielleicht wäre es in Zukunft ein Weg, Ideen, Stimmen & Vorschläge von Künstlern & Verbänden zu sammeln & zu diskutieren. Das Ganze von unten auf eine breite Basis stellen. Wie kann die SaarArt in Zukunft aussehen? Möglicherweise käme dann etwas Neues dabei heraus.
Die Organisation der SaarArt liegt in den Händen des Kultusministeriums. Wenn keine Künstlerin, kein Künstler interveniert, kein Verband kritisiert, in Frage stellt, neue Vorschläge macht – wie sollte sich etwas ändern?
Künstler kuratieren Künstler kuratieren Räume? Keine Ahnung.
Einen Versuch, alles zu ändern, wäre es wert. Einfach mal alles auf den Kopf zu stellen.
Jean Marie Mauclet (Nancy, Frankreich), 1978
Grauer Granit (Fichtelgebirge)
(Internationales Bildhauersymposion St. Johann)
Karl Prantl (Wien, Österreich), 1978
Sieben Stelen
(Internationales Bildhauersymposion St. Johann)
In der Tat eine großartige Idee, die seinerzeit ins Leben gerufen & umgesetzt wurde. Kunst besetzt den öffentlichen Raum. Aber mittlerweile haben einige Werke von damals kongeniale, installative Erweiterungen erfahren. In aller Stille. Der öffentliche Raum, die Stadt oder auch Wirte angrenzender Lokalitäten besetzen & verändern die Kunst & ihre ursprüngliche Intention. Mülleimer, Kneipenbestuhlung, Poller, Absperrpfosten & anderes Mobiliar stehen einträchtig neben den Werken von damals, die auf diese Weise leise aus der Wahrnehmung & dem Bewusstsein verschwinden.
Ein gelungenes Beispiel für den Umgang, die Akzeptanz & überhaupt, ja, die völlige Assimilation von Kunst in öffentlichen Räumen in unserer Gesellschaft, wie ich finde.
Die Skulptur von Michael Sailsdorfer am Eurobahnhof, dessen Arbeiten ich in aller Regel sehr schäzte, verliert momentan eindeutig gegen den Treppenhausturm des im Bau befindlichen Parkauses. Zumindest aus dieser Perspektive. Ich wünschte mir, der Treppenhausturm verbliebe mangels Geld des Investors in genau diesem Zustand. Herrlich!