home of the brave
Milch
Herrentoilette im KuBa, 2. Stock
Acrylfarbe auf Tetra Pak, 2011/2019
Meine Installation von 2011 – mittlerweile bemalt – hängt noch immer.
Unwirklich
Im Umfeld des neuen Pavillons lädt Michael Riedels nicht zu übersehende, großräumige Installation den geneigten Betrachter immer wieder ein („… es dürfte das größte öffentliche Kunstwerk aller Zeiten im Saarland sein.“), sich sinnstiftende Gedanken über Gott & die Welt & das große Ganze zu machen. Oder neue Bezüge & Zusammenhänge zu finden.
Aber je länger ich darüber nachdenke – ich bin ja täglich mit dem Werk konfrontiert – empfinde ich einen Abnutzungseffekt. Oder anders gesagt: ich finde das Werk nicht zeitgemäß. Verkopft. Selbstreferenziell? Den Skandal zum Thema machen?
Große zubetonierte Flächen mit Buchstaben, die mit der Zeit zu Mustern & unterschiedlichen Grauwerten verschwimmen, versiegelter Boden, verschenkter Raum & Zugangs- & Durchgangsfläche für Fußgänger: Zum Museum, zur Musikhochschule, zur Saar. Weder Platz noch Weg. Ein graues Nichts. Eine uninspirierte Fläche ohne Tiefe & ohne Tiefgang.
Vielleicht zu sehr Design denn eine wirkliche ästhetische Zumutung. Ästhetische Zumutungen, Provokationen im öffentlichen Raum finde ich nämlich gut. Wenn sie klug gedacht & gut gemacht sind. Wann hat je in den letzten Jahren ein Werk in Saarbrücken provoziert? Wann hat man den Bürgern das letzte Mal wirklich etwas zugemutet? Also künstlerisch, ästhetisch. Keine Möblierung, keine Dekoration, keine Aufhübschung, kein Design, sondern irgendein Störfaktor, irgendein ein fremdartiges Ding, über das wir uns aufregen können. Nicht weil es schlecht ist, im Gegenteil! Weil einfach da ist & mich fertig macht, weil es mir den Blutdruck hochtreibt & mich täglich herausfordert, weil es zum Nachdenken anregt & einfach nur klug & gut ist.
Wie so oft bei konzeptioneller Kunst finde ich die Idee & ihre Beschreibung besser als die Umsetzung.
Vielleicht tue ich Herrn Riedel unrecht, ich habe durchaus Respekt vor seiner Arbeit, andernorts.
Aber hier macht sich – aus meiner Sicht – eine gewisse graue Langeweile breit. Einzig das Wort „Museum“ prangt immer wieder unterschiedlich groß & breit aus dem Fließext. Damit auch wirklich jeder kapiert, womit er es hier zu tun hat. In der sommerlichen Hitze heizen sich diese Platten mit Sicherheit bis zur Unerträglichkeit auf. Dann wünscht man sich wahrscheinlich mehr Schatten spendende, kühlende Bäume zum mittlerweile warmen Bier, nachdem man kurz zuvor sein Grillsteak auf dem heißen Stein durchgegart hat.
Wie zeitgemäß ist das eigentlich? Unter ökologischen Gesichtspunkten? Welche Aufenthaltsqualitäten bietet eigentlich dieser komplett verunglückte Platz mit dem noch verunglückteren Eingangsbereich zum Museum sonst noch? Ich sehe da keine.
Am Museumsbau vorbei, in ost-südlicher Richtung, paralell zur Bismarkstraße, breitet sich die alltägliche Begrausamung weiter aus. Hier spendet der alte Schönecker-Bau wenigstens in den Abendstunden Schatten. Aber ansonsten: Null Aufenthaltsqualität, reizlos für das Auge, langweilig.
Überhaupt: Der Eingangsbreich des Museums. Völlig verplant & mickrig; im Sommer wird der geneigte Besucher zum Spießrutenlauf zwischen Tischen, Stühlen & Sonnenschirmen des Cafés gezwungen. Der alte Eingang ist der neue Eingang. (Wer hier ein Café betreiben will, möchte sicherlich einmal im Leben einen Konkurs hinlegen). Stiefmütterlich, verschämt & versteckt, von der Straße kaum einsehbar (sowohl Café als auch der Eingang).
Wo keine Typoplatten an der Fassade des neuen Pavillons hängen, ist der Bau in einem undefinierbaren, langweiligen Braun grob verputzt. Kackbraun. Meinetwegen auch Dunkelwarmgrau. Von wem stammt eigentlich diese Entscheidung?
Ich plädierte ja seinerzeit schon immer für rosa. Wegen mir auch Magenta. Warum denn nicht? Rosa passt immer! Dazu die grauen Platten – aus meiner Sicht wäre das plötzlich ein Augenschmaus. Und für jeden Museumsschriftzug hätte ich eine Eiche im irgendwo im näheren Umfeld gepflanzt. Oder wenigstens eine Yucca-Palme.
Aber mich fragt ja keiner, auf mich hört ja keiner.
Dann müssen wir eben jetzt damit leben, mit dem größten öffentlichen Kunstwerk aller Zeiten im Saarland.
Gaia
Die „Große Gaia“ von Matschinsky-Denninghoff am neuen Museumspavillon in Saarbrücken. Leider verstellt durch einen Laternenmast. Ein Fauxpass.
Aber das ist ja auch kein Wunder. Der komplette Museumsneubau ist ein einziger Fauxpas. Ein scheiß langweiliger Fauxpas. Ein scheiß langweiliges Bild kann man übermalen. So was passiert. Aber dieses scheiß langweilige Fauxpas-Museum kann man nicht einfach mal übermalen.
Scheißen!
Museum
Seit der Eröffnung Mitte November strömen Menschenmassen ins neue Museum. Der Eintritt ist bis zum Ende des Jahres frei. Um die Kunst im Inneren zu sehen, muss man täglich mindestens eine Viertel Stunde in der Schlange stehen. Wenn es dunkel wird, sehe ich von unserem Wohnzimmerfenster aus die Arbeit von Michel Majerus.
Nicht allein
Zwei Tage vor Weihnachten – ich habe sie herbeigesehnt, auf sie gewartet. Meine Freunde in ihren riesigen Raumschiffen.
Die Zeit steht still, ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster stand. Draußen mögen es Sekunden gewesen sein, für mich war es eine Ewigkeit.
Außerdem ist das Fenster immer noch dreckig.
Licht mit Dreck.
Ich blicke aus meinem Atelierfenster. Wieder Raumschiffe am Himmel.
Holen sie vielleicht Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ab? Oder andere Schwachmaten?
Kommendes Wochenende ist schon erster Advent; ich müsste dringend das Fenster putzen.
Rebellion
23. Januar 2014
Saarbücken, Kaiserstaße
Unbekannter Urheber
7. Januar 2015
Zeichnung in einer Druckgrafik, Nantes, Frankreich in einem Hotelzimmer
Unbekannter Urheber
6. Februar 2015
Unterseite eines Stuhls, HBK Saar
Unbekannter Urheber
21. Januar 2017
Saarbrücken, Siemensgebäude
Unbekannter Urheber
15. Juli 2017
Kaiserslautern, Stromkasten
Unbekannter Urheber
12. November 2017
Saarbrücken, Rosenstraße
„Ich habe eine Orange geschält.“
„Jede Penis-Zeichnung ist ein kleiner Akt der Rebellion.“
Künstlergesicht
Versuch, wie ein Künstler zu gucken. Nicht, dass alle Künstler so gucken! Im Gegenteil! Es gibt liebenswerte Künstlerkolleginnen & Künstlerkollegen, die ich sehr mag & deren Arbeit ich außerordentlich schätze & die auch ganz lieb gucken. Aber ich kenne einige, die ihrem Tun & Treiben zusätzlich einem mit wichtigem, bräsigen Gesichtsausdruck Gewicht & Ernsthaftigkeit verleihen möchten. Lustigerweise oft konkrete Künstler, aber da auch eher die älteren Semester. Vielleicht war das ja nach dem Krieg eine Zeit lang Pflichtfach auf manchen Akademien oder Hochschulen.
Die Tage übrigens fiel mir ein Büchlein von Herr Raimer Jochims mit dem Titel „Farbe Sehen – Arbeitsnotizen 1973-1994 “ in die Finger. Die ersten malerischen Arbeiten auf Spanplatten von Herrn Jochims sah ich Mitte der Achtziger. Fand ich eigentlich ganz gut.
An der FH in Saarbrücken hielt er damals irgendwann einen Vortrag, über Zeichnung, soweit ich mich erinnern kann. Sowohl die aus meiner Sicht anämischen Zeichnungen als auch der ganze Vortrag beeindruckte mich nicht nachhaltig. Es kamen mir sogar Zweifel an Herrn Jochims & die Art wie er über die Zeichnerei sprach. Seine Arbeiten gefielen mir nach dem Geschwurbel überhaupt nicht mehr. Hätte er besser mal geschwiegen.
Und nun das Büchlein.
Darin schreibt er seltsame Dinge. Zum Beispiel: „wenn ein bild fleisch, knochen, blut, nerven, haut und hoden hat, dann ist es ein bild der kraft
18.11.86“
Gut, das war 1986. Da konnte man vielleicht so etwas nicht nur denken, sondern auch schreiben. Heutzutage würden einem die Hoden als Bild der Kraft um die Ohren geschlagen. Zurecht, wie ich finde.
Oder: „wer ein bild von mir kauft, bezahlt das objekt und erhält das bild gratis dazu
20.2.85“
Oder: “vergewaltigung der farbe in der malerei ist bild und ästhetisches fest der vergewaltigung von empfindung, gefühl, leben
9.2.80“
Oder: „viele von menschen hergestellte objekte und kunstwerke sind überkoloriert, farblich übespannt und energetisch gelähmt
20.1.92.“
Oder: „überenergetische bilder kommen aus überreiztheit und bewirken überreizung
26.4.91“
Oder: „maler, deren verhältnis zur farbe nicht durch liebe bestimmt ist, tragen zur weltvergrauung, zu erstickung des lebens und des sehens bei
1.2.91“
Oder: „kaum ein maler, der heute als führend gilt, arbeitet aus der farbe heraus, aus der substanz des lebens.
7.3.90“
Oder: „seit 23 Jahren lehrtätigkeit und kein student, der wirklich farbe sehen konnte: die form, das maß, den raum, die bewegungswerte und gar den schwingungsausgleich.
sehen heißt wahrnehmen, imaginieren, realisieren. einige kamen dem sehen nahe, aber soweit ich sie kenne, ist keiner zur vollen farbwahrnehmung durchgedrungen.
und doch waren es gute leute, einige sehr begabt, und ganz wenige spirituell begabte darunter. gesunde spiritualität und volle entwicklung der sinnlichkeit gehören zusammen.
ich mag und mochte sie gern, einige sehr. sie haben mir viel gegeben von ihrer jugendlichen vitalität, mit ihrem suchen und staunen und dem tapferen ertragen meiner bohrenden fragen und provozierenden äußerungen.
einige haben sich gegen mich gestellt; sie bleiben negativ an mich gebunden. ich habe meine Bindung an sie abgeschüttelt.
bisher studierten bei mir schätzungsweise zwischen 80 und 100. was die farbe betrifft, nicht die malerei, so war die bilanz unbefriedigend. aber ich bin sicher, dass dieses konzept weitergeführt wird. dann werde ich wahrscheinlich nicht mehr leben.
8.12.90“
Oder: „die farbe ist der gott des sehens
14.6.93“
JESSES!
Ich mag ja Humor. Noch mehr mag ich Menschen, die bei aller Ernsthaftigkeit ihres Tuns & Seins mit einer Prise Selbstironie einen gewissen Abstand zu Ihrem Tun & Sein bewahren. Humor & Selbstironie vermisste ich bei der Lektüre dieses Büchleins komplett. Da schmerzt wirklich jede Zeile während des Lesens.
Selten las ich größeren Sermon als diese sog. Arbeitsnotizen von 1973 – 1994. Pseudointellektuell, pseudophilosophisch, kryptisch, esoterisch, selbstherrlich, selbstverliebt, selbstgerecht. Grauenhaft! Ichichich! Meine Malerei, meine Arbeit, meine Kunst, meine Erkenntnis! Und: meine Farbe! Herrn Jochims Erkentnisse über Form und Farbe scheinen ihm das Maß aller Dinge. Und wenn Wahres zwischen den Zeilen schimmert, so entpuppt es sich nach wiederholtem Lesen als Allgemeinplatz.
„wenn man nichts im dunkeln sieht, sehe ich das dunkel
5.1.91“
BOAH! Menno!
Ein Superkünstler mit super Erkenntnissen! Herr Jochims will gewichtig & wichtig daherkommen & wirkt einfach schwerfällig & belanglos. Das Verschwurbelte als Methode, Worthülsen zu verbergen. Funktioniert aber nicht. Es ist einfach nur grausam. Und ermüdend langweilig. Gähn!
Nach der Lektüre – zugegebenermaßen konnte ich irgendwann auch nicht mehr weiterlesen – war ich lange Zeit traumatisiert. Auf Texte dieser Art reagiere ich mittlerweile mit einem anaphylaktischen Schock; mein Therapeut hat mir dringlichst angeraten, Arbeiten von Herrn Jochims nicht mehr anzusehen, weder in Büchern, noch im Netz – geschweige denn im Original. Schriften von Herrn Jochims soll ich in Zukunft großräumig umfahren.
An diese Ratschläge werde ich mich in Zukunft halten, nicht zuletzt, um nicht für den Rest des Lebens mit einem Künstlergesicht durch die Welt gehen zu müssen.
Damokles.
Seit 10 Jahren lagere ich meine Bilder in einem Raum auf den sog. Saarterassen in Burbach. Nun bekam ich die Kündigung. Im Spätsommer muss ich raus – nebst anderen Kollegen, Künstlern & Musikern. Das Gebäude wird saniert & einem andern Zweck zugeführt. Ich bin zugegebenermaßen ein bisschen verzweifelt. Es ist mein persönlicher Supergau.
Jetzt muss ich für die Unmenge an Werk einen adäquaten Lagerraum finden: er sollte nach Möglichkeit ebenerdig begehbar & trocken sein. Heizung & fließendes Wasser brauche ich nicht. Eine Größe von ca. 20 qm sollte, je nach Schnitt, eigentlich ausreichen – bei einer Höhe von ca. 2,50 – 3,00 m. Dachgeschosse oder Kellerräume sind meistens nicht optimal; die großen Bildformate kriege ich nicht immer um die Kurven in engen Treppenhäusern & die Zeichenschränke aus Stahl verdammt schwer über mehrere Stockwerke zu bugsieren.
Mir graut. Mir graut davor, mit diesen unzähligen Bildern, Mappen, Rahmen & tonnenschweren Metallschränken nebst anderen Kleinigkeiten umzuziehen. Nun ja. Ich will nicht jammern. Niemand zieht gerne um, ich weiß.
Seit Jahren überfällt mich beim Betreten dieses Raumes eine gewisse Melancholie, bisweilen auch eine Lähmung. Das Werk wird mir zunehmend zur Last, zumal ich wusste: „Irgendwann musst Du da auch mal wieder raus.“ Das Damoklesschwert schwebte von Anfang an über diesen Räumen.
Wenn jemand um Räume weiß oder gar selbst welche besitzt, die leer stehen, bitte ich um eine Mitteilung.
Es wäre vielleicht meine Rettung.
Am Atelierhimmel
Raumschiffe. Immer wieder Raumschiffe. Außer mir scheint sie niemand anders zu sehen. Unheimlich. Bin ich etwa auserwählt?
Draußen
Wieder dieses fantastische Licht draußen. Und wieder schweben große Raumschiffe am Himmel auf unser Atelierhaus zu. Drei Stück dieses Mal. Ich glaube, sie kommen wegen mir; sie beobachten mich. Demut erfasst mich. Ich habe keine Angst, bin erfüllt von einem großen Vertrauen & großer Neugierde. Wärme durchströmt meinen ganzen Körper. Ich bin die Wärme, ich bin Energie!
Niemand glaubt mir.
Melancholie
Sowohl Lars von Triers Film als auch Dürers berühmten Kupferstich stehen in unmittelbarem Zusammenhang.
Nachtrag zum Kupferstich: Ein Beitrag des DLFs.
Ufer
„Der Staden ist ein Erholungsgebiet in Saarbrücken-St. Johann am rechten Ufer der Saar“.
Im Grunde ist der Staden nichts anderes als die längste Autobahnraststätte in Deutschland. Und damit alles andere als ein Erholungsgebiet. Eine Autobahn sorgt für Lärmemissionen klingt süß. Es müsste heißen: Sie produziert vierundzwanzig Stunden Dauerkrach & terrorisiert damit eine Stadt. Jahraus, jahrein. Seit Jahrzehnten. Und offensichtlich ist weder in der Stadt noch im Land irgendein politisch Verantwortlicher daran interessiert, irgendetwas dagegen zu tun. Nicht eine einzige, klitzekleine Lärmschutzmaßnahme. Ich könnte kotzen.
Am billigsten wäre es, die Höchstgeschwindigkeit im Stadtgebiet auf Tempo sechzig zu reduzieren. Die liegt nämlich bei Tempo achtzig. Was für die meisten Autofahrer allerdings wohl eher eine Empfehlung ist. In aller Regel fahren die meisten nämlich viel schneller.
Die beiden Fotos sind wirklich idyllisch. Fotos machen keinen Krach.
[An Deutschlands Autobahnraststätten mutiere ich in aller Regel zum Misanthropen …]