splitter
Euch allen!
Ohne Titel, 31.12.2024
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Tage, an denen es nicht hell wird
Es ist 15:35 Uhr. Wenn ich während des Schreibens aus dem Fenster zum Himmel schaue, sehe ich ein wolkenloses, diffuses, undurchdringliches Grau. Ein weiterer Tag, an dem es nicht hell wird. Hoch Günther sorgt für eine Inversionswetterlage. Die Inversionswetterlage ist eine Anomalie. Anomalien sind an der Tagesordnung. Jeder Tag bringt eine neue Anomalie.
Noch eine letzte Zeichnung in diesem Jahr. Ungefähr drei Stunden meditative Ruhe & Besinnlichkeit. Ungefähr drei Stunden ohne Anomalie. Wolken. Das war schön.
Kein Rückblick, kein Vorausblick. Keine Vorsätze. Vielleicht ab & zu eine Wolke festhalten. Um sie dann gleich wieder loszulassen.
Loslassen muss man trainieren. Immer wieder.
Auf Anomalien kann man sich nicht vorbereiten.
Heute Nacht lässt mich das alte Jahr los. Ich werde in ein neues Jahr fallen. Das neue Jahr ist bodenlos. Hellgrau.
Mögen Euch gnädige Himmel blühen!
Sommerakademie
Ohne Titel, 2024
Tusche & farbige Kreide in Skizzenbuch, 29,7 x 42 cm (geöffnet)
Ohne Titel, 2024
Bleistift, Buntstift, Filzstift in Skizzenbuch, 29,7 x 42 cm (geöffnet)
Letzter Tag in der Sommerakademie in Blieskastel. Urban Sketching. Vormittags haben wir im Café Kuhn zwei Stunden gezeichnet. Dort fühlt man sich in die Mitte des letzten Jahrhunderts versetzt. Nicht nur das Mobiliar, die Gardinen & die Tapeten rufen nostalgische Gefühle hervor – auch die Preise sind auf halber Strecke zur Gegenwart stehen geblieben. Die Bedienung war überaus freundlich, aufmerksam & zuvorkommend. Außerdem gibt es herausragende Kuchen & sehr gutes Brot.
Wir waren zu elft & haben ca. zwei Drittel des Gastraumes besetzt & gezeichnet. Den Raum & die Menschen – uns Zeichnerinnen & Zeichner nebst anderen Gästen. Konzentriert, mit viel Spaß & Freude. Manche mit einem Stück Schwarzwälder Kirsch.
Folierter Blick ins Barock
Blieskastel, Orangerie, Barockgarten. 15:56:58 Uhr.
Seit 15. Juli arbeite ich wieder als Dozent in der Sommerakademie in Blieskastel. In den drei Wochen leite ich zwei Malkurse & einen Zeichenkurs.
Nullzeit
Ohne Titel („Treffen“), 2024
Acryl, Öl auf Leinwand, 90 x 130 cm
Privatbesitz
Das Bild entstand als Auftrag nach diesem Bild aus dem Jahr 2018. Anstelle des Hochformates ein Querformat.
Ausgangspunkte waren der magentafarbene Baum in der Mitte, der blaue Baumstumpf links des Baumes sowie die beiden größeren Bäume auf der linken Seite des Bildes. Danach ließ ich es laufen; alle weiteren Zutaten sprießten ohne mein Zutun, ich war lediglich Beobachter des Vorgangs. Einzig die drei Protagonisten der Situation bedurften meines zaghaften Eingreifens auf der opulenten Naturbühne. Größe & Position der Akteure waren das Ergebnis mehrerer Proben. Irgendwie musste ich immer wieder an jenen Film denken. High Noon in the forest.
Kündigung
Zwanzig Jahre lang war ich Mitglied im Saarländischen Künstlerbund; in dieser Zeit war ich während zweier „Legislaturperioden“ insgesamt ungefähr sechs Jahre im Vorstand tätig. Heute habe ich meine Mitgliedschaft gekündigt.
Vor langer Zeit waren die Künstler:innen des SKB für mich gleichbedeutend mit der saarländischen Kunstszene. Ein großer Teil zumindest. Eine Aufnahme in den Verein – nach schriftlicher Bewerbung mit Mappe – kam einer Adelung, einem Ritterschlag gleich (Auch einige meiner ehemaligen Kommilitonen der HBKSaar sind seit vielen Jahren Mitglied im Künstlerbund). Der SKB spielte bis ca. 2010 nach wie vor eine Rolle im Land, allein die Ausstellungen in der Stadtgalerie Saarbrücken alle zwei Jahre waren ein Highlight im aktuellen Ausstellungsjahr. Die letzte fand zum Jahreswechsel 2009/2010 statt. Ende 2012 übernahm Andrea Jahn die Leitung der Stadtgalerie, dannach waren die „Biennalen“ des SKB an diesem zu der Zeit noch herausragenden Ausstellungsort in Saarbrücken Geschichte. Andrea Jahn sah keine Notwenigkeit mehr, der saarländischen, provinziellen Kunstszene eine Plattform zu bieten.
Eine große Ausstellung des Saarländischen Künstlerbundes anlässlich seines 90-jährigen Bestehens im Jahr 2012 fand im Saarländischen Künstlerhaus statt. Nicht nur aus meiner Sicht war es eine langweilige Aneinanderreihung & Aufzählung unterschiedlichster Positionen, disparat, kleinkariert, ohne klares Konzept (eine Künstlerin, ein Künstler & eine aktuelle Arbeit – aber bitte nicht zu groß, wir haben in den Räumen des Künstlerhauses wenig Raum für Großes). Eine Gruppenausstellung in dieser Form war schon lange nicht mehr zeitgemäß.
Danach ging es leise, aber stetig bergab. Zum einen messbar an den Bewerbungszahlen: die gingen von Jahr zu Jahr zurück (mittlerweile seit einigen Jahren auf Null); insbesondere die junge & jüngere Generation zeigt seit Jahren überhaupt kein Interesse am SKB. Auch die jährlichen Editionsausstellungen – bis ca. 2010 oft wahre Verkaufsschlager – schliefen ein; es wurde schlicht nichts mehr verkauft. Sammler:innen & Interessierte, die den SKB jahrelang unterstützten, alterten mit dem Verein. Eine jüngere Generation von Unterstützer:innen war einfach nicht mehr für den Verein zu gewinnen. Zumal die Aktivitäten des Vereins mittlerweile eher zu einer Randnotiz verkommen sind. Der SKB ist einfach nicht mehr präsent. Nicht mehr sichtbar.
Von den ca. fünfzig Mitgliedern sind meines Wissens vier noch zwischen vierzig & fünfzig Jahren (von diesen feiern drei im kommenden Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag). Den größten Anteil bildet die Generation über Sechzig; ungefähr ein Drittel der Mitglieder hat die Siebziger Grenze teilweise weit überschritten. Für Absolventen der HBK, die möglicherweise noch unter dreißig Jahren sind, präsentiert sich der Verein möglicherweise eher wie die Generation ihrer Eltern & Großeltern. Da erscheint mir aus deren Sicht eine Bewerbung auch wenig verlockend. Dem SKB fehlen mittlerweile ein oder zwei vermittelnde Generationen dazwischen, die die Brücken schlagen könnten zu den Jungen.
Die Gründe für den Niedergang des Verein sind vielfältig. Auch andere Vereine, seien es Sport- oder Kaninchenzuchtvereine, haben mit schwindenden Mitgliederzahlen & Überalterung zu kämpfen. Das Internet hat vieles in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren radikal geändert. Da sind auch Künstlerbünde, -häuser & -vereinigungen nur ein Spiegel. Selbst innerhalb des SKB war das Desinteresse vieler Mitglieder an den Aktivitäten des Vereins mehr & mehr zu spüren.
Für die jüngere Generation besteht offensichtlich nicht mehr die Notwendigkeit, sich in einem Verein mit starren Strukturen zu engagieren, sich festzulegen. Das Internet mit instagram & facebook spielt mit Sicherheit auch eine große Rolle. Es kann zwar weder den persönlichen Kontakt noch eine Gemeinschaft oder einen Verein ersetzen aber anscheinend ist diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Likes & Herzchen sind offenbar verlockender als persönlicher Austauch, Diskussionen, Stammtische oder Vereinsmeierei usw.
Die sog. saarländische Kunstszene der Vergangenheit ist zersplittert, vereinzelt, vielleicht auch nicht mehr existent. Eigentlich wäre eine Institution, ein Verein, ein Zusammenschluss von Künstler:innen & Künstlern – jenseits von BBK & Saarländischem Künstlerhaus durchaus & gerade heute wichtiger denn je & notwendig. Der Kultur drohen massive Kürzungen, die aktuelle politische, gesellschaftliche & wirtschaftliche Situation ist alles andere als rosig. Dafür brauchen wir die richtigen Fragen, Angebote & Ideen. Wie könnte eine regionale Gemeinschaft von Kunstschaffenden heute organisiert sein? Welche Aktivitäten & Aufgaben könnte sie angehen? Welche Funktion könnte eine solche Gemeinschaft erfüllen? Der Fokus sollte dabei aus meiner Sicht auf die Besonderheiten & Bedürfnisse unserer Region zugeschnitten sein.
Nicht nur als Ausstellungsclub, sonderen auch & vor allem als gesellschaftlich & kulturpolitisch kritisch wirkende Gemeinschaft in der Gegenwart mit all ihren Unsicherheiten, Krisen, gerade jetzt, in Zeiten ohne Zukunft, brauchen wir Visionen. Aber dies konnte & kann der SKB nicht einlösen. Er war im Grunde immer & in erster Linie ein Ausstellungsclub. Gelegentliche Interventionen im Bereich der Kulturpolitik waren eher die Ausnahme, nicht die Regel.
Dem Verein ist mittlerweile ein Konzept, eine Bereichtigung für seine Existenz abhanden gekommen. Es fehlt eine Vision, eine Idee, eine Funktion nicht nur für eine nahe Zukunft, sie fehlt sogar für die Gegenwart. Eine Vision, die den SKB über einen reinen, elitären Ausstellungsclub hinaus trägt. Für viele stand (& für ganz ganz wenige steht der SKB nach wie vor) für herausragende Kunstschaffende des Saarlandes – diese Zeiten sind schon sehr sehr lange vorbei. Und für manche Kollegin, manchen Kollegen war gerade die Aura des „Elitären“ genau der Grund, sich in der Vergangenheit eben nicht um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Der SKB ist mittlerweile in der Bedeutungslosigkeit versandet. Er füllt keine Leerstelle. Als reiner Ausstellungsclub hat er ausgedient. Ausstellungsorte &-projekte, viele temporär, ploppen immer mal wieder in Saarbrückens Innenstadt auf. Meistens organisiert & getragen von unterschiedlichen Gruppen aus dem Umfeld der HBK. Dazu braucht es keinen Künstlerbund mehr.
Jeder Verein lebt vom Engagement seiner Mitglieder. Vereinsleben wird getragen von Gemeinschaft, gemeinsamen Gedanken & Ideen. Diese Gemeinschaft war in den vergangenen Jahren nicht mehr zu spüren. Halbherzig, freud- & kraftlos erschien mir oft die Umsetzung von in der Substanz gar nicht mal so schlechter Ideen. Außerdem: viele der Mitglieder wohnen & arbeiten außerhalb des Saarlandes, nicht wenige haben seit Jahren keine Verbindungen mehr nach Saarbrücken. In meiner zwanzigjährigen Mitgliedschaft habe ich einige Mitglieder noch nie zu Gesicht bekommen. Immer weniger Mitglieder haben Interesse an einer Mitarbeit im Verein. Das empfand ich, gerade in Hinblick auf die Vorbereitungen zur 100-Jahr-Feier, zunehmend frustrierend.
Vor zwei Jahren feierte der Verein im Saarländischen Künstlerhaus sein hundertjähriges Bestehen mit einer großen Ausstellung. Insbesondere zu sehen waren Arbeiten herausragender, verstorbener Kollegen aus der Vergangenheit. Die Ausstellung präsentierte ein Stück saarländischer Kunstgeschichte. Da war noch einmal dieser Gedanke, die Gemeinschaft der Vergangenheit zu spüren. Es klingt wie ein Widerspruch, aber aus meiner Sicht wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, im Anschluss daran den Verein aufzulösen.
(Ein für die Ausstellung geplanter, fertig konzipierter, umfangreicher Katalog zur Geschichte seit der Gründung des Bundes scheiterte bis heute an den Forderungen, Eitelkeiten & Befindlichkeiten einzelner Mitglieder.)
Gedanken & Bestrebungen innerhalb der Mitgliedschaft gab es; eine Mehrheit aber wollte weitermachen – bislang leider ohne sicht- & messbaren Erfolg – ein radikaler Neustart blieb leider aus. Nach wie vor dümpeln die wenigen Versuche, Aufmerksamkeit zu generieren, vor sich hin (ich fand die Reihe wirklich gut).
Der SKB in dieser Form ist schon lange eingeholt & überholt worden von der Realität; er ist ein Dinosaurier, ein lebendes Fossil mit der DNA des vergangenen Jahrhunderts, ohne Verbindung zur Gegenwart.
Nüchtern betrachtet ist es wie mit vielen Dingen, die jahrhunderte lang unentbehrlich schienen: möglicherweise es ist eine gewisse Wehmut, eine Art Nostalgie, eine romantische Verklärung oder auch die Angst vor dem Loslassen, die den SKB noch am Leben hält. Ein komatöser Patient auf der Intensivstation, künstlich am Leben erhalten, zur Zeit ohne Möglichkeiten auf ein Wiedererwecken.
Aber vielleicht irre ich mich & es gibt eine Wiedergeburt. Möglicherweise leben totgesagte doch länger. Ich würde mich freuen.
Old School
Ohne Titel („Fall“), 2024
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 120 cm
Es gibt immer mal wieder während des Malprozesses einen Punkt, an dem es – bei aller guten Laune, einfach nicht mehr weiter gehen will. Ich bin ratlos. In solchen Momenten möchte ich am liebsten mit einem Beil auf das Bild einhacken, möchte das Ende mit brutalster Gewalt erzwingen. Oder es gleich aus dem Fenster schmeißen.
Brutalste Gewalt ist natürlich keine Lösung für mich.
Allerdings sind meine Eingriffe während solcher Phasen immer wieder unkontrolliert. Wie von Panik getrieben. Wer weiß, was der Zufall bringt. Alles ist möglich – alles, außer Routine. Farbe auftragen, wieder abkratzen oder abwischen, neue Farbe auftragen mit unterschiedlichen Werkzeugen, wieder wegwischen … bis zufällig eine Struktur, eine Farbe, eine Fläche, gleichsam aus dem Nichts, die Wende einläutet.
Auch wenn es immer wieder schwer fällt: Oft muss ich mich von „schön“ gemalten Partien im Bild verabschieden. Partien, die ich immer wieder umschiffte, um die ich drum herum lavierte, bis diese „Inseln“ nicht mehr zum Rest passten.
Loslassen!
Während dieses Prozesses übernimmt irgendwann ein anderer die Regie. Ich bin nur noch Werkzeug. Alles, was ich tue, was ich male, tut & malt ein anderer. Als wäre ich lediglich Beobachter meines Tuns & Treibens. Vieles geschieht intuitiv & spontan. Das klingt ein wenig mystisch, aber in der Tat habe ich oft das Gefühl, als würde ich neben mir stehen.
Irgendwann trete ich zurück & bin überrascht. Manchmal ist das Bild fertig & wenn nicht, erscheint mir vieles klarer. Der unwegsam steinige, unpassierbare erscheinende Weg öffnet sich wie von Zauberhand für weitere Optionen.
Manchmal reicht es auch, eine halbe Stunde spazieren zu gehen. Wenn ich danach zurück ins Atelier komme & das Bild betrachte, hat es sich wie von Zauberhand verändert. Das ist dann aber ganz & gar nicht mystisch.
Versuche über Wolken
Ohne Titel, 2024
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Der erste März war & ist immer schon ein besonderer Tag. Wie geschaffen zur Meditation. Meine Versuche über Wolken sind eine Form der Meditation. Eine Form des Arbeitens ohne genaue Vorstellung, was das Ergebnis betrifft. Über Linien, Schraffuren, Ausradieren & das immer wieder In-Frage-Stellen & Neu-Ansetzen schälen sich Wolkenformationen aus dem Weißraum des Papiers. Aus dem Nichts entstehen allmählich Räume, während ich mich mehr & mehr selbst vergesse in dieser Tätigkeit. So wie auch ich gleichsam wie eine Wolke aus dem Nichts entstanden bin & mich auch irgendwann im Nichts auflösen & verschwinden werde.
Das ist eine schöne Vorstellung.
„Gnädige Himmel blühen rosarot“
Ohne Titel („Gnädige Himmel“), 2023
Linoldruck auf Papier, 11,5 x 22,5 cm
Auflage ca. 75 (nicht nummeriert)
unterschiedliche Farben, unterschiedliche Papiere
Ohne Titel („Gnädige Himmel“), 2023
Linoldruck auf getöntem Zeichenpapier, 11,5 x 22,5 cm
Auflage ca. 75 (nicht nummeriert)
unterschiedliche Farben, unterschiedliche Papiere
Ohne Titel („Gnädige Himmel“), 2023
Linoldruck auf rosa Karton, 11,5 x 22,5 cm
Auflage ca. 75 (nicht nummeriert)
unterschiedliche Farben, unterschiedliche Papiere
„Mögen Euch gnädige Himmel blühen, gnädige Himmel blühen rosarot.“
Alles Gute, Euch allen da draußen! Euch allen & Euch anderen! Einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Gesundheit, Glück & Erfolg!
Und Frieden. Ja, vor allem.
Aquarell für K.
Ohne Titel („Memory“), 2023
Aquarell auf Aquarellpapier, 32 x 24 cm
Im Gegensatz zu stadt- & landläufigen Meinungen, die besagen, Aquarell sei eine sehr schwierige Technik, finde ich die Malerei mit Aquarell immer sehr entspannend & überhaupt nicht kapriziös.
Mehr als in anderen „Techniken“, in & mit denen ich arbeite, spielt in meinen Aquarellen der Zufall eine große Rolle.
Kommt er während der Arbeit vorbei & klopft an meine Tür, begrüße ich ihn herzlich und lade ihn ein, ein wenig zu bleiben & mit mir zu malen..
Wenn er ein Blatt versaut, tadele ich ihn manchmal und schimpfe! So ein Blatt ist natürlich für die Tonne! Aber mein Ärger verraucht schnell; ich habe ein großes Herz.
Außerdem möchte ich ihn nicht allzu sehr vergrämen, hat er mir doch schon die schönsten und erstaunlichsten Blätter von leichter Hand dahin gezaubert.
Ich verdanke ihm sehr viel.
Letzte Tage
Ohne Titel, 2023
Bleistift & Filzstifte in Skizzenbuch, 25,4 x 17,8 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift & Filzstifte in Skizzenbuch, 25,4 x 17,8 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift & Filzstift in Skizzenbuch, 25,4 x 17,8 cm
Ich musste an die alte Nachbarin aus meiner Kindheit im Dorf denken. Sie guckte täglich aus ihrem Küchenfenster im Erdgeschoss, die Ellbogen auf das immer gleiche, abgewetzte Kissen gestützt. Jedenfalls immer, wenn ich an dem Haus vorbei ging. Man kennt das. Diese Nachbarn & Nachbarinnen gab & gibt es überall.
Viel passierte da eigentlich nicht den ganzen Tag in unserer Straße. Autos fuhren ja vergleichsweise wenig, im Dorf sowieso nicht. Gelegentlich unterhielt sie sich mit Bekannten oder Freundinnen, die gerade vorbeiliefen, Einkäufe erledigten oder den Hund ausführten. Aber die meiste Zeit guckte sie nur.
Ich kann das gut verstehen. Ich sitze gerne an den immer gleichen Plätzen oder Kneipen in der Stadt & gucke. Beobachte Menschen, Licht & Schatten, vom Wind bewegte Blätter in den Bäumen, freue mich über vorbeifliegende Insekten & wundere mich oder staune über diese Welt. Vor allem im Sommer. Manchmal zeichne ich dann auch in mein Skizzenbuch. Zeichnen ist eine angenehme Art, Lebenszeit zu verbringen.
Die meisten Menschen, die heute irgendwo allein sitzen, starren auf Bildschirme. Sie haben es verlernt, einfach nur zu gucken. Das erwähne ich nur am Rand.
„Alles Beobachten ist auch Erfinden.“
Herbstsalon
Eva Walker, Dirk Rausch, Armin Rohr
Armin Rohr, Vera Kattler
Zum ersten Mal seit ewiger Zeit haben die Künstler des Atelierhauses die Ausstellung kuratiert & gehängt. Was soll ich sagen – es ist der schönste Herbstsalon seit langem: luftig gehängt mit weniger Stellwänden – der schwierige Raum fühlt sich gut an, nicht so klaustrophobisch wie in den letzten Jahren. Schöne Sichtachsen quer durch die Räume zeigen Bezüge, Verweise, Unterschiedlichkeiten & Gegensätzliches. Spannend, weil kontrastreich & sparsamer gehängt. Die Arbeiten spielen miteinander. Für mich entsteht, trotz der Unterschiedlichkeit der Arbeiten, ein stimmiger Klang.
Herbstsalon 2023
Künstlerinnen und Künstler des KuBa und Gäste
Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:
Julia Aatz, Julia Baur, Shako Berekashvili, Rebekka Berthold, Sidonie Bilger, Werner Constroffer, Eric Heit, Mane Hellenthal, Juliana Hümpfner, Leslie Huppert, Petra Jung, Vera Kattler, Michael Koob, Markus Laforsch, Annegret Leiner, Arne Menzel, Dirk Rausch, Armin Rohr, Max Sayed, Martin Steinert, Luise Talbot, Claudia Vogel, Eva Walker
Vernissage:
Freitag, 08. September 2022, 19:00 Uhr
Begrüßung:
Michaela Kilper-Beer, 1. Vorsitzende KuBa e.V.
Einführung:
Dirk Rausch
Ausstellungsdauer:
08. September–01. Oktober
Öffnungszeiten:
Dienstag–Sonntag, 15:00–18:00 Uhr
Montags geschlossen
Tage der Bildenden Kunst, Öffnungszeiten:
Samstag, 23. September, 14:00–18:00 Uhr
Sonntag, 24. September, 11:00–18:00 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Nachtrag
Nebst einer obligatorischen Preisliste gab es dieses Mal ein ein sog. „Saalblatt“, in dem die beteiligten Künstler:innen Texte zu Ihrer Arbeit, beziehungsweise Ihren Arbeiten veröffentlichten. Mein Beitrag ist eine Mélange aus unterschiedlichen Texten & Statements vergangener Jahre:
Armin Rohr – Gedanken über Malerei
Soweit ich mich erinnere, spielten Bilder in meinem Leben immer schon eine wichtige Rolle. Und ich meine jetzt nicht nur und ausschließlich meine gemalten Bilder & Zeichnungen – sondern auch und vor allem Bilder von anderen – Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Comics oder auch Filme.
Ich war & bin einfach bildergeil.
Ich könnte mein Leben mit dem Betrachten von Bildern verbringen. Neben der Erfindung und Herstellung von Käse ist das Erzeugen von Bildern wahrscheinlich das Größte, was Menschen je hervorgebracht haben.
Malerei & Zeichnung sind Werkzeuge, mit denen ich die Welt beobachte & Methoden, die Welt zu verstehen. Außerdem möchte ich mehr über mich herausfinden. Vielleicht dokumentiere ich in meinen Bildern einen ständigen „Selbstvergewisserungsprozess“.
Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Es ist eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Meine Bilder geben nicht die Realität wieder. Sie sind eigene, gestaltende sowie Gestalt gewordene Realitäten Entitäten. Für den Betrachter allerdings ist das wahrscheinlich nicht von Belang. Glaube ich zumindest.
Meine Bilder sollen für sich stehen. So wie Bäume in einer grünen Wiese. Über die kann man auch nachdenken. Muss man aber nicht.
Summasummarum
Ohne Titel, 2023
Bleistift, Filzstifte & Aquarell in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift, Filzstifte & Tusche in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift & Tusche in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift & Tusche in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift, Filzstifte & Tusche in Skizzenbuch, 29,7 x 21 cm
Einige Erklärzeichnungen aus unterschiedlichen Kursen der letzten Wochen.
Saalat
Endlich mal eine sinnvolle Nutzung des Platzes vor der Modernen Galerie. Oder handelt es sich etwa um eine temporäre Installation im Rahmen der Saalat?
Und nein: Ich empfinde sowohl den völlig verunglückten Platz als auch den fantasielosen & langweiligen Bau immer noch skandalös.
Hanns Schönecker rotiert bis heute in seinem Grab.
Lob der Arbeit
Für ein paar Tage war ich hier auf Burg Fürsteneck. Ich hatte die Ehre, anlässlich der Werkstattwoche einen Workshop leiten zu düfen. Fünf glückliche Tage, erfüllt mit glücklich machender Arbeit an einem glücklich machenden, magischen Ort. Meinen Dank an alle Beteiligten – sowohl im Kurs als auch in der Organisation & natürlich auch in der Küche.
Epiphanie
Ohne Titel, 2023
Acryl, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm
Jetzt ist er doch noch fertig geworden. Allerdings ganz anders, als geplant. Was blieb war die Figur im Zentrum der Leinwand. Und Bäume. Bäume im Hintergrund. Und die Schatten führen ein Eigenleben.
Himmel un Äd
Ohne Titel, 2023
Öl auf Papier, 29,7 x 42 cm
Manche künstlerischen Konzepte des ein oder anderen Kollegen lesen sich mitunter sehr interessant. Oft entstehen Bilder in meinem Kopf, die weitaus abenteuerlicher & spannender sind als deren Umsetzung.
Das wäre auch mal ein Konzept: Die Umsetzung oder Übersetzung von fremden künstlerischen Konzepten in meine eigenen Bilder.
[Schreibtischtäterkunst].
Flucht
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Ich male & zeichne immer noch. Nach so vielen Jahren. Ich glaube, das ist nicht selbstverständlich. Überhaupt nicht. Deswegen bin ich guter Dinge. Künstler müssen guter Dinge sein. Künstlerinnen auch. Außerdem wurde ich heute falsch zitiert. Trotzdem singe ich weiter mein Lied. In den Schlagschatten ist es stockdunkel, aber irgendwo scheint die Sonne.
So lange ich die totale Finsternis noch nicht gesehen habe, bin ich voll der Hoffnung.
Gedanke
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm
Ohne Titel, 2023
Bleistift auf Papier, 42 x 29,7 cm
Die vergangenen Monate waren nicht immer erfreulich. Da waren ein Festplattencrash meines zwölf Jahre alten Rechners & die dritte Coronainfektion seit 2021 noch vergleichsweise unbedeutend & harmlos. An kontinuierliches Arbeiten war nicht zu denken.
Irgendwann im Februar saß ich im Atelier & stieß auf das Foto einer Wolke, die ich mehr oder weniger gedankenverloren zeichnete (Zeichnung ganz oben). Eine zweite, größere Zeichnung folgte. Die dritte Zeichnung erfolgte aus der zweiten, ohne die Fotovorlage.
Es ging mir nicht um die Wolke. Die Wolke war nur ein Anlass, ein Auslöser.
Ich zog meine Striche, verdichtete sie, radierte sie wieder aus, es folgten neue Striche, Kreuzschraffuren, die ich teilweise auch wieder ausradierte, um wieder neu anzusetzen. Irgendwann war die Zeichnung fertig.
Die Zeit verging, das Zeichnen war eher ein meditativer Akt; eigentlich brauchte ich kein Foto. Es ging nicht um das Ergebnis, sondern um den Prozess. Tun ist Sein. Ein sehr befriedigender Prozess. Meditativ & befreiend. Und sehr konzentriert.
Die Zeit verging auf eine sehr angenehme Weise.
Die folgenden Wolkenzeichnungen entstanden alle ohne Vorlagen. Vorlagen sind nur hinderlich in diesem Fall. Ich ließ mich einfach fallen, zeichnete mit Bleistiften verschiedener Härtegrade von HB bis 8B. Die Blätter entstanden wie von allein.
Ob es nun Wolken sind oder Rauch, Nebel oder nur Grau- oder Tonwertstudien – das sind sie natürlich auch – & so ganz nebenbei lerne ich wieder feinste Nuancen zu beobachten. Ein gutes Training.
Recht auf Chaos
Ohne Titel, 2023
Bleistift, Tusche auf Papier, 21 x 29,7 cm
Wenn ich groß bin, kaufe mir einen Raymond Pettibon.
Raymond Pettibon auf Wikipedia.