Im Aquarellbuch (Aquarellmalerei für Fortgeschrittene – der formale Kontrast als Gestaltungsprinzip) steht:
„Leider neigen viele Menschen dazu, die Bilder eines anderen nachzumalen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es sinnvoll sein kann, die Vorgehensweisen und Techniken dieser Künstler nachzuvollziehen.
Es sollte sich dann aber auch wirklich um bedeutende Maler handeln, deren Werke es wert sind, studiert zu werden.“
& weiter:
„Sie müssen lernen, Ihre Einzigartigkeit zu akzeptieren.“
„Das vorliegende Buch basiert praktisch auf zwei klugen Gedanken. Der erste ist von Walter Koschatzky. Seiner Auffassung nach entwickelt sich die Aquarellmalerei in ihrer reinsten Form in lasierenden Schichten, die im Verlauf aufgetragen werden. Der zweite kluge Satz ist von Kandinsky und besagt, dass die Harmonie das Künstlers der Kontrast ist. Zusammengenommen ergibt sich daraus, dass ein Aquarell in Schichten angelegt wird, die auf einem formalen Kontrast aufbauen.“
Trotzdem: Kandinskys Bilder werden mir immer fremd bleiben. Sie langweilen mich bis heute.
Jemand beneidete mich um meine Freiheit & die Tatsache, dass ich mich seit Jahren selbst verwirkliche. Was mich dazu veranlasste, kürzlich willkürlich einen Tagesablauf aus dem Leben eines Malers festzuhalten.
Gegen 6:30 Uhr: Aufstehen. Ohne weitere Umstände in die Küche. Radio. Kaffee mahlen. Frühstückstisch decken. Zwei Gedecke für die zwei Kinder. Während die Kinder gemächlich & wortlos die Küche wanken, trinke ich die erste Tasse Kaffee mit Milch & organisiere die Zutaten für die für die Zubereitung der Pausenbrote. Für die Kinder. Für die Geliebte & Ehefrau (macht sich in der Zwischenzeit im Bad hübsch & fein für den Dienst).
Spülmaschine ausräumen & die eingetrockneten Reste der Bratkartoffeln von gestern aus der Pfanne kratzen. Fluchen. Außerdem stehen da noch die Weingläser von Samstag an der Spüle rum. Verschimmelte Karotten in den Mülleimer.
Pausenbrote & -getränke in die diversen Behältnisse packen (muss man in aller Regel täglich aufs Neue suchen), Tisch abräumen, die zweite Tasse Kaffee trinken & die Familie verabschieden. Kinder in die Schule, die Geliebte & Ehefrau ins Büro.
Nach einer turbulenten Stunde: Aufatmen.
Wäsche sortieren. Wäsche in die Maschine. Die Maschine steht im Keller (den müsste auch mal wieder jemand aufräumen).
In der darauf folgenden Stunde sitze ich am Rechner, schreibe erfreulicherweise eine Rechnung, beantworte Mails, trinke die dritte Tasse Milchkaffee & verziehe mich anschließend mit der vierten Tasse unters Dach, um mich auf der Malerei zu widmen. Vorher muss ich allerdings zuerst noch Leinwände grundieren.
Ein altes Bild mit viel Weiß übermalen, ein noch älteres Bild abschleifen & mit Weiß übermalen. Noch nichts gemalt. Aber über Malerei nachgedacht.
Radio hören & versuchen, den bevorstehenden Umzug aus dem Kopf zu bannen. Allerdings macht mir der Gedanke doch ein wenig Angst & ich probiere, die Tür zum Atelier, die ich in den letzten 10 Jahren mit Farbe & Telefonnotizen zugeschmiert habe, abzuschleifen. Schleifpapier & Schleifklotz hatte ich ja praktischerweise in der Hand. Ich hoffe, der Vermieter ist nicht all zu sauer wegen der Sauereien aus den letzten 10 Jahren.
Francis Bacon ist nichts dagegen.
Scheint allerdings doch ganz gut zu klappen (war ja auch nicht grundiert). Den Rest Schleifarbeit verschiebe ich.
Zwischendurch ein längeres Telefonat mit dem Lieblingsfreund, der eine Ausstellung in Berlin vorbereitet & mir sein Konzept erläutert. Über dessen Vor- & Nachteile wir lange diskutieren.
Um 13:30 Uhr Pinsel ins Terpentin gestellt – U. ruft an & fragt, ob ich Freitag Vormittag Zeit habe, um über die Mappe des Neffen zu gucken. Der will nämlich an die Hochschule & Design oder Kunst studieren. Wollen beide hier vorbeikommen. „Wir bringen Brötchen & Coissants mit.“ Warum nicht. Ich habe ja Zeit.
Auf dem Weg zum Auto wegen zweier Termine in der Stadt (jour fixe im Künstlerhaus, wo ich als Mitglied des Vorstandes ehrenamtlich mitarbeite & dann an die Uni wegen eines „Auftrags“) noch eine Zwischenstation im Keller.
Waschmaschine ausräumen, Wäsche an die Leine (der Trockner ist seit einem Jahr kaputt, steht fast sinnlos neben der Waschmaschine. Ist aber eine prima Ablagefäche für den Hausmeister), bunte Wäsche in die Maschine.
14:20 Uhr: Ich fahre nach Saarbrücken, um die Kinder aus der Schule abzuholen. Der Sohn will zu Freund L., um dort Hausaufgaben machen. Außerdem ist er zum Mittagessen eingeladen. Die Tochter hat Orchesterprobe & geht anschließend zur Tante.
Das ist ausnahmsweise & auch sehr praktisch, da ich mich heute mittag mal nicht um Mathe, Englisch & Franz kümmern & auch keinen Imbiss zubereiten muss.
Also doch malen.
(Nur noch schnell die Nachbarstochter nach Hause fahren)
Im Atelier unterm Dach wieder in die Dienstkleidung. An der Papierarbeit weiterarbeiten. Titel: Ohne Titel („Patronin“).
Weil noch ein wenig Zeit ist, eine Arbeit auf Leinwand begonnen (älteres Bild, abgeschliffen & mit weiß übermalt). Die Idee dazu hatte ich schon letzte Woche.
Klappt heute wie geschmiert, aber …
Um 16:30 Uhr für zweieinviertel Stunden nach Kleinblittersdorf, wo ich den Malkurs einer kranken Kollegin übernommen habe. Plus zwanzig Minuten Fahrtzeit. Jeweils. Hin & zurück.
Heute aquarellieren wir Bäume, Licht & Schatten. Leider war ich dabei zu lange in der Sonne.
Außerdem muss ich die Damen sehr trösten. Aquarell ist sehr schwer & das Laub in den Bäumen sehr grün. Man muss das Weiß aussparen.
Um halb acht nach Hause, die Geliebte & Ehefrau macht heute Sport. Die Kinder sind allerdings schon da (Es lebe die Verwandtschaft! Ein Hoch auf die Freunde & Nachbarn!). Hausaufgaben angeblich gemacht.
„Querflöte & Gitarre geübt?“
Heute italienische Küche: Tomaten, Mozarella, Salat, Maccaroni, Tomatensoße (Natürlich alles bio & aus frischen Tomaten!).
Vokabeltest (befriedigend) unterschreiben.
„Papa – kannst Du mir noch schnell bei der Zeichnung für den Grundriss der Wohnung für den Kunstunterricht helfen? Zwei Striche?“
Nach einer Stunde (ca. 21:30 Uhr) verziehen sich die Kinder müde & gelangweilt ins Bett.
Ich zeichne noch ein bisschen an der Perspektive weiter. Es sind doch mehr als zwei Striche.
Abräum-, Spül- & Gute-Nacht-Rituale. Anschließend die überquellende Mülltüte aus der Küche nach draußen in die Tonne & den gelben Sack vor die Tür.
Gerd Brunzema
Erste Hilfe. Goldfolie, März 2009
Bleistift auf weißem Papier, 21 x 29,7 cm
Die oben gezeigte Arbeit & folgender Text sind von Gerd. Gerds Wege & meine Wege haben sich irgendwann im großen weiten Netz gekreuzt. Mittlerweile haben wir uns auch schon mal getroffen – in Hamburg. Gerd hat auch ein Blog, in dem er unter anderem auch Gedanken über die Zeichnung, die Malerei & die Kunst verliert. Ich dachte, es wäre schön, wenn er seine Gedanken auch einmal in meinem Blog verstreut:
Armin hat mich eingeladen, einen Text für sein Weblog zu schreiben. Das mache ich sehr sehr gerne. Ich beschreibe mal den Stand der Dinge, was Zeichnung, Malerei und Kunst zur Zeit für mich bedeuten. Widerspruch, Ergänzung, Fragen oder Zustimmung bitte in die Kommentare.
Zeichnung
Zeichnen ist visuelles Denken. Mit Zeichnung verbindet mich ein eine große Loyalität und Liebe. Wer Zeichnung beleidigt, den finde ich nicht nett. Gar nicht. Das ist für die meisten Menschen, denen ich begegne, schwer bis gar nicht verständlich. Diese Freundin ist so unscheinbar und unsexy. Man schaut darauf herab wie auf ein Mauerblümchen.
Die Loyalität, das Gefühl, der Zeichnung verpflichtet zu sein, entspringt einer einfachen Tatsache. Sie ermöglicht mir Welt. Das mag eine Behinderung sein, aber ich brauche das Zeichnen um mich mit dem, was mich umgibt verstehend auseinandersetzen zu können. Ohne Zeichnung würde ich sofort mit dem nächsten Raumschiff wieder wegfahren wollen.
Und die Liebe, die Liebe zur Zeichnung wurzelt in der Faszination, mit so minimalen Mitteln (eine einfarbige Fläche und ein andersfarbiges Dings zum Linien draufmachen) Ordnungen, Strukturen, Welten zu schaffen, zu erklären, zu erfinden. Was gibt es unglaublicheres? Da kommt nur noch menschlicher Gesang mit.
Malerei
Malerei ist visuelles Fühlen. Farben sind zusammen mit Klang und Geruch die direktesten Mittel, ein Gefühl zu erzeugen, zu verändern oder zu beenden. Malerei ist Auseinandersetzung von Farbe und Form auf der Fläche, hab ich im Studium gelernt. Jeder Pinselstrich ist eine Farbe und eine Form auf der Fläche. Das ist nicht vermeidbar beim Malen. Wohl aber die Auseinandersetzung damit. Malen ohne Zeichnen ist ein vielfach erprobter, erfolgreicher Weg Scheißbilder zu produzieren. Malen ohne Auseinandersetzung also. Malen ist lebendiger und saftiger als Zeichnung und ist sofort weich und kraftlos taumelnd, wenn nicht in Zeichnung geübtes Gespür für Struktur für Kraft und Halt sorgt. Und das hat zunächst mal nix mit gegenständlich oder nicht zu tun. Das gilt universal.
Malerei hat es aus meiner Perspektive schwerer als Zeichnung. Einfach deshalb, weil es in unvermeidlicher Konkurrenz zu Photo und auch Film/Video steht. Gar nicht mal in kunstmarkttechnischer Hinsicht, sondern im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten von Photo und Film/Video. Und die Malerei hält sich erstaunlich gut. Eigentlich gar nicht erstaunlich. Es gibt ganz banale Gründe, wie „braucht kein Strom“, „ist lichtecht“ und „wenn man es beherrscht, kann man Sachen machen, die mit keinem anderen Medium gehen“.
Wenn. Genau. Deshalb machen ja auch so viele in Video…
Andererseits, und das ist ebenfalls ein eher kunstferner Grund, ist ein Gemälde ein beeindruckenderes Stück Handelsware als eine DVD oder ein Abzug. Kunst findet hier auf dem Planeten Erde statt. Und ob ein Grund für oder gegen etwas ehrenwert oder trivial ist, spielt für die Frage ob er wirksam ist, keine Rolle. Wenn Kunst nicht als Event daherkommt (und damit eigentlich nicht mehr bildende sondern darstellende Kunst ist, und sich ganz anderen Beurteilungskrterien stellen müsste. Ja. Müsste. Tut sie nämlich nicht) sondern als Ding , dann ist Malerei immer noch das technisch und konzeptionell spannendste was es gibt.
Ich habe lange Zeit sehr wenig und sehr kleinformatig gemalt. Das hatte kunstferne und weniger kunstferne Gründe. Das ändert sich aber gerade wieder. Mal sehn.
Kunst
Kunst ist eigentlich immer dann Scheiße, wenn sie als Täuschung funktioniert. Wenn sie als Religionsersatz, Politikersatz, Lebenssinnstifterin, Ablenkungsmanöver, Gedankenlosigkeitsdeko daherkommt, wenn sie also als etwas benutzt wird, was sie ehrlicherweise/langfristig nicht leisten kann. Und nicht sollte.
Sie ist eigentlich immer dann grandios, wenn sie andere Blickwinkel ermöglicht, das großartige im Banalen, das banale im Großartigen sichtbar macht, wenn sie zeigt, das man nicht allein ist mit der Ratlosigkeit ist (nicht das Kunst daraufhin ein guter Ratgeber wäre. Vorsicht. Voooorsicht). Wenn Kunst Menschen in die Situation versetzt neu nachdenken zu müssen, neu nachfühlen zu müssen, dann ist Kunst gute Kunst. Denke ich. Gute Kunst ist schwer zu machen, weil man sie nicht absichtlich machen kann. Die passiert manchmal im andauernden Bemühen, seine Arbeit gut zu machen. Da kommt dann manchmal (sehr manchmal!) Kunst raus.
Und dann müssen das noch die richtigen Leute bemerken. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich hoffe, in diesem Gastspiel nicht zu seltsam erschienen zu sein.
Ohne Titel, 2009
Bleistift, Radiergummi auf Papier, 21 x 29,7 cm
Schon einmal verschwanden die Personen, Figuren, Wesen aus meinen Bildern. Ich wurde sozusagen Zeuge, Beobachter einer Auflösung. Zurück blieben Fragmente, Chiffren oder auch Zitate der Figur in einem Farbnebelraum.
Ein paar Jahre später tauchten sie wieder auf. In letzter Zeit hat sich der Farbnebelraum gelichtet. Aber auch die Figuren lichten sich manchmal (sowie in der Zeichnung da oben) – oder auch nicht.
Wer weiß schon, ob sie gerade kommen oder gehen?
Ehrlich gesagt hoffe ich, sie blieben. Gelegentliche Ausflüge und kurze Spaziergänge in unbekanntes Terrain nicht ausgeschlossen.
Zur Zeit zerreibe ich mich gerade zwischen vielen Fronten: den Selbstbestimmten & den vermeintlich Fremdbestimmten. Auch eine Form von Auflösung. Während ich zeichne oder male, versuche ich, diesen Auflösungsprozess aufzuhalten.