umwege zur selbsterkenntnis
Mit Hoodie & Fieber
Ohne Titel („Sick“), 2017
Öl auf Aludibond, ca. 40 x 30 cm
Das letzte Bild im alten Jahr. Ein Selbstporträt mit Grippe & Hoodie für ein Projekt eines Künstlerkollegen in Hamburg.
Zweites Experiment
Zum zweiten Mal in diesem Jahr wurde ich wieder von Außerirdischen entführt. Nebst weiteren Experimenten wurde ich u. a. wieder mit Licht gefüttert (warum?); dieses Mal konnte ich nach zwei Tagen fliehen. Nach wie vor glaubt mir niemand diese Geschichte. Seltsam: niemand hat mich vermisst!
Wir werden offensichtlich manipuliert.
Künstlergesicht
Versuch, wie ein Künstler zu gucken. Nicht, dass alle Künstler so gucken! Im Gegenteil! Es gibt liebenswerte Künstlerkolleginnen & Künstlerkollegen, die ich sehr mag & deren Arbeit ich außerordentlich schätze & die auch ganz lieb gucken. Aber ich kenne einige, die ihrem Tun & Treiben zusätzlich einem mit wichtigem, bräsigen Gesichtsausdruck Gewicht & Ernsthaftigkeit verleihen möchten. Lustigerweise oft konkrete Künstler, aber da auch eher die älteren Semester. Vielleicht war das ja nach dem Krieg eine Zeit lang Pflichtfach auf manchen Akademien oder Hochschulen.
Die Tage übrigens fiel mir ein Büchlein von Herr Raimer Jochims mit dem Titel „Farbe Sehen – Arbeitsnotizen 1973-1994 “ in die Finger. Die ersten malerischen Arbeiten auf Spanplatten von Herrn Jochims sah ich Mitte der Achtziger. Fand ich eigentlich ganz gut.
An der FH in Saarbrücken hielt er damals irgendwann einen Vortrag, über Zeichnung, soweit ich mich erinnern kann. Sowohl die aus meiner Sicht anämischen Zeichnungen als auch der ganze Vortrag beeindruckte mich nicht nachhaltig. Es kamen mir sogar Zweifel an Herrn Jochims & die Art wie er über die Zeichnerei sprach. Seine Arbeiten gefielen mir nach dem Geschwurbel überhaupt nicht mehr. Hätte er besser mal geschwiegen.
Und nun das Büchlein.
Darin schreibt er seltsame Dinge. Zum Beispiel: „wenn ein bild fleisch, knochen, blut, nerven, haut und hoden hat, dann ist es ein bild der kraft
18.11.86“
Gut, das war 1986. Da konnte man vielleicht so etwas nicht nur denken, sondern auch schreiben. Heutzutage würden einem die Hoden als Bild der Kraft um die Ohren geschlagen. Zurecht, wie ich finde.
Oder: „wer ein bild von mir kauft, bezahlt das objekt und erhält das bild gratis dazu
20.2.85“
Oder: “vergewaltigung der farbe in der malerei ist bild und ästhetisches fest der vergewaltigung von empfindung, gefühl, leben
9.2.80“
Oder: „viele von menschen hergestellte objekte und kunstwerke sind überkoloriert, farblich übespannt und energetisch gelähmt
20.1.92.“
Oder: „überenergetische bilder kommen aus überreiztheit und bewirken überreizung
26.4.91“
Oder: „maler, deren verhältnis zur farbe nicht durch liebe bestimmt ist, tragen zur weltvergrauung, zu erstickung des lebens und des sehens bei
1.2.91“
Oder: „kaum ein maler, der heute als führend gilt, arbeitet aus der farbe heraus, aus der substanz des lebens.
7.3.90“
Oder: „seit 23 Jahren lehrtätigkeit und kein student, der wirklich farbe sehen konnte: die form, das maß, den raum, die bewegungswerte und gar den schwingungsausgleich.
sehen heißt wahrnehmen, imaginieren, realisieren. einige kamen dem sehen nahe, aber soweit ich sie kenne, ist keiner zur vollen farbwahrnehmung durchgedrungen.
und doch waren es gute leute, einige sehr begabt, und ganz wenige spirituell begabte darunter. gesunde spiritualität und volle entwicklung der sinnlichkeit gehören zusammen.
ich mag und mochte sie gern, einige sehr. sie haben mir viel gegeben von ihrer jugendlichen vitalität, mit ihrem suchen und staunen und dem tapferen ertragen meiner bohrenden fragen und provozierenden äußerungen.
einige haben sich gegen mich gestellt; sie bleiben negativ an mich gebunden. ich habe meine Bindung an sie abgeschüttelt.
bisher studierten bei mir schätzungsweise zwischen 80 und 100. was die farbe betrifft, nicht die malerei, so war die bilanz unbefriedigend. aber ich bin sicher, dass dieses konzept weitergeführt wird. dann werde ich wahrscheinlich nicht mehr leben.
8.12.90“
Oder: „die farbe ist der gott des sehens
14.6.93“
JESSES!
Ich mag ja Humor. Noch mehr mag ich Menschen, die bei aller Ernsthaftigkeit ihres Tuns & Seins mit einer Prise Selbstironie einen gewissen Abstand zu Ihrem Tun & Sein bewahren. Humor & Selbstironie vermisste ich bei der Lektüre dieses Büchleins komplett. Da schmerzt wirklich jede Zeile während des Lesens.
Selten las ich größeren Sermon als diese sog. Arbeitsnotizen von 1973 – 1994. Pseudointellektuell, pseudophilosophisch, kryptisch, esoterisch, selbstherrlich, selbstverliebt, selbstgerecht. Grauenhaft! Ichichich! Meine Malerei, meine Arbeit, meine Kunst, meine Erkenntnis! Und: meine Farbe! Herrn Jochims Erkentnisse über Form und Farbe scheinen ihm das Maß aller Dinge. Und wenn Wahres zwischen den Zeilen schimmert, so entpuppt es sich nach wiederholtem Lesen als Allgemeinplatz.
„wenn man nichts im dunkeln sieht, sehe ich das dunkel
5.1.91“
BOAH! Menno!
Ein Superkünstler mit super Erkenntnissen! Herr Jochims will gewichtig & wichtig daherkommen & wirkt einfach schwerfällig & belanglos. Das Verschwurbelte als Methode, Worthülsen zu verbergen. Funktioniert aber nicht. Es ist einfach nur grausam. Und ermüdend langweilig. Gähn!
Nach der Lektüre – zugegebenermaßen konnte ich irgendwann auch nicht mehr weiterlesen – war ich lange Zeit traumatisiert. Auf Texte dieser Art reagiere ich mittlerweile mit einem anaphylaktischen Schock; mein Therapeut hat mir dringlichst angeraten, Arbeiten von Herrn Jochims nicht mehr anzusehen, weder in Büchern, noch im Netz – geschweige denn im Original. Schriften von Herrn Jochims soll ich in Zukunft großräumig umfahren.
An diese Ratschläge werde ich mich in Zukunft halten, nicht zuletzt, um nicht für den Rest des Lebens mit einem Künstlergesicht durch die Welt gehen zu müssen.
Guten-Morgen-Übung
Ohne Titel, 2017
Monotypie (Ölfarbe) auf Papier, 29,7 x 21 cm
Privatbesitz
Heute Morgen zuerst eine Monotypie-Übung. Selbstporträt gefühlt, aus dem Kopf. Der Workshop vergangenes Wochenende war anstrengend.
Experiment
Außerirdische haben mich entführt & versucht, mich nebst anderen, teils unangenehmen Experimenten drei Tage mit Licht zu ernähren. Ich habe es überlebt.
Während eines unbeobachteten Augenblicks konnte ich – kurz vor meiner Freilassung – mit meinem Smartphone (seltsamerweise haben sie es mir nicht abgenommen) dieses Foto machen.
Niemand glaubt mir.
Initiation #2
Ohne Titel, 2017
Öl auf Papier, 32 x 44 cm
Irgendwann im Sommer 1996 hatte ich meine erste Einzelausstellung in der heute nicht mehr existierenden Galerie 48 in Saarbrücken. Es gibt ein Foto, geschossen während der Eröffnung, nach dem jenes oben zu sehende Blatt entstanden ist.
Von links nach rechts: Prof. Bodo Baumgarten, Armin Rohr, Prof. Heinz Popp (Laudator) & Galerist Werner Redzimski.
Centerjob
Ohne Titel, 2015
Alkydharz auf Aludibond, 100 x 80 cm
Heute Morgen kurzfristig drei Bilder im Jobcenter umgehängt. Verrückterweise sollten die Arbeiten nämlich installiert werden, bevor die Behörde mit Sack & Pack Einzug hält. Zuerst war ich skeptisch, aber für Situationen wie oben bin ich dann dankbar. Erst das Bild, dann der Ficus benjamina mit dem Sitzmöbel. Eine subtile Collaboration mit der Innenausstatterin. Ausgerechnet mit meinem Selbstporträt. Das ist so schön!
#glaubeliebehoffnung
Ohne Titel („Dieses Haus ist wie ein Schiff“), 2012
Öl auf Leinwand, 85 x 135 cm
Privatbesitz
Eigentlich wollte ich zuerst nicht mitmachen bei der Ausstellung. Transzendenz in der aktuellen Kunst? Nunja. Das klingt nach den Achzigern des letzten Jahrhunderts.
Irgendwann gab es einen Termin mit Dr. Andreas Bayer, der die Ausstellung kuratierend begleitete & den Studierenden der Fachrichtungen Evangelische Theologie sowie Kunst- und Kulturwissenschaften der Universität des Saarlandes in meinem Atelier. Die hatten sich wohl schon alle intensiv mit meiner Arbeit beschäftigt & auf eine Serie von Bildern geeinigt, aus der nun ein Bild ausgewählt werden sollte. Das Gespräch, die klugen Fragen & ein gewisser Charme, mit dem sie für ihr Projekt warben & mit dem sie mich zugegebenermaßen um den Finger wickelten, überzeugten mich. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit den Bildern & Installationen der Ausstellung sowie einer Vita & einem kurzen Interview mit den beteiligten Künstlern.
#glh: Beschreiben Sie uns bitte kurz Ihren Ausstellungsbeitrag?
AR: Die Vorlage zur Arbeit war ein Foto aus einer Serie, die ich vor einigen Jahren während eines Spaziergangs durch Saarbrücken beiläufig geschossen habe. Absichtslos und aus der Hüfte geschossen, Schnappschüsse eben. Die Situationen sind einfach zu beschreiben: Menschen im urbanen Raum. Irgendwann reizte mich die malerische Umsetzung. In der Zeit von 2009 bis 2012 entstanden so mehrere Arbeiten auf Papier und Leinwand sowie eine kleine Auflage als Linoldruck.
#glh: Wo sehen Sie Bezüge Ihres Werkes zum Thema der Ausstellung?
AR: Der Titel der Arbeit „die Anderen“ (oder auch „Dieses Haus ist wie ein Schiff“) bezieht sich auf den Psycho-Thriller „The Others“ aus 2001. Im Laufe der Malerei fühlte ich mich durch meine Umsetzung der banalen Fotos in den Film versetzt, den ich viele Jahre zuvor im Kino gesehen habe.
Nicole Kidman in der Hauptrolle spielt als Grace Stewart eine Mutter von zwei Kindern, die bereits tot sind, sich aber über diesen Zustand nicht bewusst sind. Der Zuschauer wird lange Zeit im Unklaren über diesen Umstand gelassen; erst sehr spät löst sich das Rätsel der mysteriöser Ereignisse und Handlungen des Films auf. Der Film spielt in einem herrschaftlichen abgelegenen Landhaus am Ende des zweiten Weltkrieges, welches sich am Ende als der persönliche Limbus von Grace Stewart und ihren Kindern herausstellt.
Insofern ist über diesen Film als Anlass für den Titel der Bilderserie tatsächlich ein unmittelbarer Zusammenhang zum Thema der Ausstellung herzustellen.
#glh: Was verbinden Sie persönlich mit dem Thema der Ausstellung? Mit Glaube, Liebe und Hoffnung? Gibt es für Sie einen Bezug der Kunst zum Transzendenten?
AR: Ein Leben ohne Glaube, Liebe und Hoffnung erscheint mir sinnlos, sie erscheinen mir wie Türöffner zum Transzendentalen. Kunst kann ein Weg (von vielen) hinter dieser Tür sein. Paul Klee sagte: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar”. Einfacher kann der Zusammenhang zwischen Kunst und Transzendenz nicht hergestellt werden.
Infos zur Ausstellung auf diesem Blog.
Kommt alle, die Ihr mühselig & beladen seid. Ich will Euch erquicken!
Holland
In Middelburg gab es grünes Wasser zu sehen. Ansonsten habe ich keine Erinnerungen mehr an dieses Städtchen. Es war hektisch & laut, viel Betrieb; irgendwo trank ich einen Cappuccino, der nicht schmeckte.
Haller Bildersturm
In Schwäbisch Hall wohnt meine älteste Tochter. Ich spielte ich mit den Kindern Lego & ging mit der Familie spazieren. Außerdem habe ich ins Skizzenbuch gezeichnet.
Saarbrücker Hefte
Unter der Rubrik „Galerie“ erscheint in der neuen Doppelnummer110/111 der „Saarbrücker Hefte“ (DIE saarländische Zeitschrift für Kultur & Gesellschaft) ein kleines Interview mit mir nebst Abbildungen einiger meiner Arbeiten.
Was mich natürlich sehr gefreut hat. Wirklich sehr.
Anbei das Interview (Für die Saarbrücker Hefte: Bernd Nixdorf).
SH: Warum sind Sie Künstler geworden?
AR: Ich habe immer gemalt und gezeichnet. Und nie damit aufgehört. Allerdings war mir lange Zeit nicht klar, was ich damit anfangen kann.
Also begann ich ein Studium. Grafik-Design. Ohne zu wissen, auf was ich mich da wirklich einlasse. Das war die falsche Entscheidung.
Nach einigen Semestern merkte ich, dass mein Herz für die Freie Malerei schlug. Einen Abschluss machte ich trotzdem, mit viel Widerwillen, um dann einige Jahre später an der HBK in Saarbrücken Malerei zu studieren.
Das war die richtige Entscheidung.
SH: Gibt es ein Kunstwerk, das für Sie von besonderer Bedeutung ist?
AR: Spontan denke ich an den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar. Eine Abbildung dieses Werkes habe ich zum ersten Mal gesehen, als ich bei Oskar Holweck in der Grundlehre war.
Allein dieses Foto fand ich damals schon unglaublich beeindruckend, geradezu aufwühlend und ergreifend.
Aber es sind eher einzelne Künstler, die für mich von Bedeutung sind, als einzelne Werke. So zum Beispiel Vermeer, Dürer, Velásquez, Goya, Munch. Unter den lebenden Zeitgenossen fällt mir da Hockney ein.
Mit Kandinsky konnte ich noch nie was anfangen.
SH: Denken Sie viel über Ihre eigene Kunst nach? Verändert das Ihre Arbeit?
AR: Eigentlich denke ich ständig über meine Arbeit nach. Sobald ich die Augen aufschlage & sehe. Irgendetwas regt mich an, eine Farbe, ein Schatten, eine Linie. Licht. Aber auch, wenn ich die Augen schließe und träume. Vor Ausstellungen male ich nachts träumend an angefangenen oder geplanten Bildern weiter.
Seit Jahren trage ich eine Kamera & einen Skizzenblock mit mir. Dinge, Menschen oder Situationen, die ich fotografiere oder skizziere, vieles was ich wahrnehme hat mit meiner Arbeit zunächst nichts zu tun, fließt aber irgendwann in meine Bilder ein. Oder auch nicht.
Es kann eine Einstellung aus einem banalen Action-Film sein. Oder auch nur ein Satz aus einem Buch.
Im Ergebnis zeigt die Malerei meine Haltung zur Welt; möglicherweise ist sie eine Methode, die Welt zu verstehen. Oder auch ein Werkzeug, die Welt zu beobachten, ohne sie zunächst einmal in gut und böse oder schwarz und weiß zu werten. Ich versuche zumindest, mich einer Wertung zu enthalten.
Was treibt mich an, in Bildern zu denken & diese zu malen?
Ich habe keine andere Sprache, in der ich mich ausdrücken kann. Ich weiß nicht, über was ich schreiben könnte und ein Musikinstrument spiele ich auch nicht. Ich denke über die Welt in Bildern nach. Ich beobachte die Welt, ich bin ein ein Teil dieser Welt. In meiner Malerei transformiere ich diese Beobachtungen und Erfahrungen.
Bilder sind für mich keine wiedergebenden, sondern gestaltende, Gestalt gebende Instanzen.
Möglicherweise dokumentiere ich in meinen Bildern einen fortwährenden
„Selbstvergewisserungsprozess”.
Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwierig. Ich verfolge kein klar umrissenes Konzept. Ich gehe auch nicht nach einem geheimen Plan vor. Vieles entwickelt sich spontan. Eine Reise ohne Kompass, ein Weg mit vielen Abzweigungen. Möglicherweise springe ich deswegen auch immer mal wieder zwischen Abstraktion und Figuration. Nicht alles lässt sich immer auf eine bestimmte Weise sagen.
SH: Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?
AR: Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.
Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.
Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)
Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.
Das waren dann sehr schöne Momente.
In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.
Ai Weiwei ist ja zur Zeit der „Vorzeigepolitkünstler“. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?
Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken in Form von Bildern.
SH: Was ist für Sie gute Kunst?
AR: Gute Kunst haut mich um. Raubt mir die Sprache. Verschlägt mir den Atem.
Anfang des Jahres war ich im Frankfurter Städel in der großen Dürer-Ausstellung. Ein paar Tage lang war ich wie paralysiert. Was soll man nach solchen Bildern noch malen? Diese unfassbare handwerkliche Qualität, diese wahnsinnige Kreativität, dieser Erfindungsreichtum. Und das vor 500 Jahren!
Letztes Jahr in Köln: David Hockney! Stundenlang bin ich um die Bilder geschlichen und habe versucht, sie förmlich über die Augen in in mein Hirn zu saugen! Ein Genuss! Und auch hier, diese schier unendliche Menge an Ideen und Einfällen, diese Kraft! Immer noch, in diesem Alter! Und diese Leichtigkeit!
SH: Vergessen Sie manchmal die Kunst?
AR: Die Kunst vergessen? Die Malerei? Das Zeichnen? Der Geruch von Ölfarbe? Geht das überhaupt?
Ich war mein Leben lang bildergeil. Ich denke in Bildern, ich träume von Bildern. Ich kann mich berauschen an Bildern. Nicht nur an meinen eigenen, im Gegenteil, meistens sind es die Bilder von anderen, die meine Welt bereichern.
Und auch nicht immer Malerei. Fotografie, Film oder eine Skulptur, eine Plastik. Gerne auch ein guter Comic.
So etwas kann man nicht vergessen.
SH: Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Künstler wären?
AR: Ich kann mir nichts anderes vorstellen.
Nachtrag: Die Ausstellung von Herrn Ai Weiwei im Berliner Martin-Gropius-Bau habe ich mittlerweise gesehen. Mein Gefühl hat sich bestätigt.
Die Texte & Erläuterungen (Begründungen?) zu den einzelnen Werken in der Ausstellung fand ich oft deutlich besser als die künstlerische Umsetzung. Manches Konzept fand ich wiederum so gut & schlüssig, dass man auf die Arbeit verzichten konnte. Da war allein meine Vorstellung schon wesentlich besser.
Einen erhellenden Blick auf die Ausstellung fand ich übrigens bei Castor & Pollux.