Mir geht es in diesen Arbeiten um den Prozess. Dieser Prozess kann natürlich über das Dokumentieren von unterschiedlichen Stadien während des Arbeitens mit der Kamera festgehalten werden, aber ich würde nicht sagen, dass diese zufällig, zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgewählten & entstandenen Fotos das Werk sind.
Mir wurde irgendwann klar, dass es mir bei diesen Arbeiten nicht um ein „fertiges Bild“ geht. Ich könnte immer wieder ansetzen & weitermalen. Ein Foto zeigt nur einen kleinen Ausschnitt, einen Abschnitt, aber kein Ergebnis.
Mich interessiert zum einen der physische Aspekt: Malerei wird im wahrsten Sinn des Wortes zu einem Kraftakt, ich muss die Leiter hoch & runter, muss gebückt oder im Knien arbeiten, vor- & zurückgehen – vielleicht ist das vergleichbar mit einer Performance.
Zum anderen werden die meisten Wandmalereien irgendwann wieder mit Weiß übermalt. Das Ephemere, das Vergängliche ist mir sehr wichtig. Ich werde immer wieder gefragt, ob es mir nichts ausmacht, wenn diese Wandbilder z. B. am Ende einer Ausstellung verschwinden. Und in der Tat, nein, es ist mir nicht wichtig, dass die Werke bleiben. Sie sind gemacht für einen kurzen Moment. Wie die Peformance, die ja meistens auch in einem räumlichen & zeitlichen Kontext stattfindet & in aller Regel auch nur für einen bestimmten Zeitpunkt gemacht wird.
Während des Malprozesses durchlebe ich unterschiedliche Phasen: Von Euphorie bis Zweifel ist alles dabei, aber letztlich finde ich eine große Freude während des Malens. Ich werde getragen von einem Gefühl, wie ich es – vergleichbar – früher erlebt habe, wenn ich eineinhalb Stunden durch den Wald joggte (auch wenn ich mich manchmal dazu zwingen musste): einfach anfangen & laufen. Du kannst wenig, eigentlich nichts, falsch machen. Wenn Du Dich verläufst, drehst Du um oder bleibst eine Zeitlang auf dem Weg & guckst, wo Du rauskommst.
Lieber Armin,
nun habe ich einige Tag über deinen Kommentar nachgedacht.
Diesen Kraftakt kann ich gut nachvollziehen und finde den Vergleich zur Performance richtig. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Teile des Kraftakts zu filmen?
Ich finde deine Art zu arbeiten sehr mutig, denn während der Arbeit müsstest du den Verlust des geschaffenen ja eigentlich schon im „Hinterkopf“ haben. Aber ich habe ja gelesen, dass bei dir die Freude am Schaffen überwiegt.
So mutig war ich noch nicht, ich tuckererte beim großen Arbeiten immer eine Leinwand an die Wand, die ich abnahm, rollte und nun lagere. Ob die Malereien vom lagern besser werden? Ich denke nicht.
Danke für deine ausführliche Beschreibung 🙂
Einen schönen Tag von Susanne
Liebe Susanne – in der Tat, von der letzten Wandmalerei exisiert ein Film, der nur noch geschnitten werden muss. Werde ich veröffentlichen, sobald er fertig ist.
Ich empfinde das Übermalen dieser temporären Arbeiten nicht als Verlust. Im Gegenteil. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, weil die Haltung, die Einstellung, mit der ich an eine Wandmalerei gehe, sich gänzlich von der unterscheidet, mit der ich eine z. B. Leinwand beackere. Ich befinde mich auf einer Reise & kann von den Orten, an denen ich mich aufhalte, nichts mitnehmen. Außer vielleicht ein paar Fotos. Unzulängliche Gedächtnisstützen, die aber kaum etwas von den Atmosphären, Stimmungen & Befindlichkeiten der Orte rüberbringen.
Ich glaube, die Malereien gewinnen eine andere Qualität & Aussage mit dem Wissen um ihre kuzzeitige Existenz. Es geht nicht um besser oder schlechter, vielleicht aber um einer andere Dringlichkeit, einen anderen Sinn oder sogar um eine Vergeblichkeit. Ich muss etwas tun – etwas, von dem ich weiß, dass es vergeblich ist, weil es endlich & vergänglich ist.
Danke für deine Antworten, Armin, auch, wenn ich zur Zeit lange benötige, um zu antworten.
Hat die vergängliche Wandmalerei für dich durch den Hauch der Vergänglichkeit mehr etwas Lockeres, was sich auch beim zeichnen von Skizzen einstellt? Oder ist es eine vibrierende Stimmung, vor der weißen Wand zu stehen?
Ja, du hast recht, das ist Irre!
Ich glaube, dass weite Teile dieser Malerei etwas von einer Skizze haben. Es ist eine schnelle Malerei mit wässrigen Farben. Ein ständiges Entwerfen & verwerfen, das Notieren eines Gedankens, der kurze Zeit später wieder übermalt wird. Alles überlagert & durchdringt sich. Ich kann keine Fehler machen. Manchmal arbeite ich wie in einem Rausch. Es ist vielleicht vergleichbar wie das Improvisieren mit einem Instrument. Durchaus locker & frei. Über die weiße Wand mache ich mir komischerweise keine Gedanken. Wenn es ein Gefühl gibt, dann ist es vielleicht die Vorfreude & die Freude auf die Arbeit.
Diese Art von freudiger Erregung vor der Arbeit kenne ich sehr gut. Es ist ein unvergleichbares, besonderes Gefühl. Du hast recht, es ist eine Art von Rausch.
In diesen Momenten ist mir alles andere scheißegal. Das Arschloch Corona, das Arschloch Trump, der ganze alltägliche Schwachsinn, der auf uns hereinprasselt. Alles ist ausgeklammert. Schade, dass diese Augenblicke nicht ewig verweilen …
24. Juli 2020 @ 09:13
Jetzt ist ja tatsächlich fast nur noch schwarz zu sehen.
Besteht für dich das Werk aus den Fotos der Zustände der Arbeiten?
LG von Susanne
25. Juli 2020 @ 09:43
Mir geht es in diesen Arbeiten um den Prozess. Dieser Prozess kann natürlich über das Dokumentieren von unterschiedlichen Stadien während des Arbeitens mit der Kamera festgehalten werden, aber ich würde nicht sagen, dass diese zufällig, zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgewählten & entstandenen Fotos das Werk sind.
Mir wurde irgendwann klar, dass es mir bei diesen Arbeiten nicht um ein „fertiges Bild“ geht. Ich könnte immer wieder ansetzen & weitermalen. Ein Foto zeigt nur einen kleinen Ausschnitt, einen Abschnitt, aber kein Ergebnis.
Mich interessiert zum einen der physische Aspekt: Malerei wird im wahrsten Sinn des Wortes zu einem Kraftakt, ich muss die Leiter hoch & runter, muss gebückt oder im Knien arbeiten, vor- & zurückgehen – vielleicht ist das vergleichbar mit einer Performance.
Zum anderen werden die meisten Wandmalereien irgendwann wieder mit Weiß übermalt. Das Ephemere, das Vergängliche ist mir sehr wichtig. Ich werde immer wieder gefragt, ob es mir nichts ausmacht, wenn diese Wandbilder z. B. am Ende einer Ausstellung verschwinden. Und in der Tat, nein, es ist mir nicht wichtig, dass die Werke bleiben. Sie sind gemacht für einen kurzen Moment. Wie die Peformance, die ja meistens auch in einem räumlichen & zeitlichen Kontext stattfindet & in aller Regel auch nur für einen bestimmten Zeitpunkt gemacht wird.
Während des Malprozesses durchlebe ich unterschiedliche Phasen: Von Euphorie bis Zweifel ist alles dabei, aber letztlich finde ich eine große Freude während des Malens. Ich werde getragen von einem Gefühl, wie ich es – vergleichbar – früher erlebt habe, wenn ich eineinhalb Stunden durch den Wald joggte (auch wenn ich mich manchmal dazu zwingen musste): einfach anfangen & laufen. Du kannst wenig, eigentlich nichts, falsch machen. Wenn Du Dich verläufst, drehst Du um oder bleibst eine Zeitlang auf dem Weg & guckst, wo Du rauskommst.
29. Juli 2020 @ 07:52
Lieber Armin,
nun habe ich einige Tag über deinen Kommentar nachgedacht.
Diesen Kraftakt kann ich gut nachvollziehen und finde den Vergleich zur Performance richtig. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Teile des Kraftakts zu filmen?
Ich finde deine Art zu arbeiten sehr mutig, denn während der Arbeit müsstest du den Verlust des geschaffenen ja eigentlich schon im „Hinterkopf“ haben. Aber ich habe ja gelesen, dass bei dir die Freude am Schaffen überwiegt.
So mutig war ich noch nicht, ich tuckererte beim großen Arbeiten immer eine Leinwand an die Wand, die ich abnahm, rollte und nun lagere. Ob die Malereien vom lagern besser werden? Ich denke nicht.
Danke für deine ausführliche Beschreibung 🙂
Einen schönen Tag von Susanne
30. Juli 2020 @ 14:20
Liebe Susanne – in der Tat, von der letzten Wandmalerei exisiert ein Film, der nur noch geschnitten werden muss. Werde ich veröffentlichen, sobald er fertig ist.
Ich empfinde das Übermalen dieser temporären Arbeiten nicht als Verlust. Im Gegenteil. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, weil die Haltung, die Einstellung, mit der ich an eine Wandmalerei gehe, sich gänzlich von der unterscheidet, mit der ich eine z. B. Leinwand beackere. Ich befinde mich auf einer Reise & kann von den Orten, an denen ich mich aufhalte, nichts mitnehmen. Außer vielleicht ein paar Fotos. Unzulängliche Gedächtnisstützen, die aber kaum etwas von den Atmosphären, Stimmungen & Befindlichkeiten der Orte rüberbringen.
Ich glaube, die Malereien gewinnen eine andere Qualität & Aussage mit dem Wissen um ihre kuzzeitige Existenz. Es geht nicht um besser oder schlechter, vielleicht aber um einer andere Dringlichkeit, einen anderen Sinn oder sogar um eine Vergeblichkeit. Ich muss etwas tun – etwas, von dem ich weiß, dass es vergeblich ist, weil es endlich & vergänglich ist.
Das ist doch irre!
Locked off – Armin Rohr
8. August 2020 @ 15:26
[…] Ich betreibe Schwarzmalerei. Danke Du Arschloch Corona. Danke auch Dir, Idiot Trump. […]
4. September 2020 @ 06:28
Danke für deine Antworten, Armin, auch, wenn ich zur Zeit lange benötige, um zu antworten.
Hat die vergängliche Wandmalerei für dich durch den Hauch der Vergänglichkeit mehr etwas Lockeres, was sich auch beim zeichnen von Skizzen einstellt? Oder ist es eine vibrierende Stimmung, vor der weißen Wand zu stehen?
Ja, du hast recht, das ist Irre!
6. September 2020 @ 12:07
Ich glaube, dass weite Teile dieser Malerei etwas von einer Skizze haben. Es ist eine schnelle Malerei mit wässrigen Farben. Ein ständiges Entwerfen & verwerfen, das Notieren eines Gedankens, der kurze Zeit später wieder übermalt wird. Alles überlagert & durchdringt sich. Ich kann keine Fehler machen. Manchmal arbeite ich wie in einem Rausch. Es ist vielleicht vergleichbar wie das Improvisieren mit einem Instrument. Durchaus locker & frei. Über die weiße Wand mache ich mir komischerweise keine Gedanken. Wenn es ein Gefühl gibt, dann ist es vielleicht die Vorfreude & die Freude auf die Arbeit.
12. September 2020 @ 08:38
Diese Art von freudiger Erregung vor der Arbeit kenne ich sehr gut. Es ist ein unvergleichbares, besonderes Gefühl. Du hast recht, es ist eine Art von Rausch.
13. September 2020 @ 10:21
In diesen Momenten ist mir alles andere scheißegal. Das Arschloch Corona, das Arschloch Trump, der ganze alltägliche Schwachsinn, der auf uns hereinprasselt. Alles ist ausgeklammert. Schade, dass diese Augenblicke nicht ewig verweilen …