Gestern war der Einbau. Farbige Fenster zu fotografieren ist wahrscheinlich eine Königsdisziplin der Fotografen. Ich bin kein Fotograf. Deswegen vermitteln die Bilder nur den Hauch einer Ahnung vom Leuchten & Glühen der Farben. Es ist fast eine Explosion in der von hms-Architekten gestalteten Werktagskapelle der Christkönigskirche in Backnang. Der Raum hat sich komplett verändert.
Eigentlich war schon fast alles gelaufen. Aber die mittlere Floatglas-Scheibe hat den Heat-Soak-Test nicht überlebt. Eine neue Scheibe wurde bedruckt (Helligkeit & Farbigkeit der Druckfarben sind in ungebranntem Zustand anders & nicht opak. Ändert sich aber während des Brennens).
Die Jünglinge müssen noch einmal in den Feuerofen.
Bereits im Dezember vergangenen Jahres war ich in Taunusstein bei Derix, wo zwei Musterfelder für die Fenster der Kapelle in Backnang hergestellt wurden. Die beiden Musterfelder zeigen das gleiche Motiv in unterschiedlicher Ausführung.
Ausführung in Floatglasmalerei, ca. 40 x 30 cm
6 mm Floatglas Optiwhite, Kanten geschliffen, malerisch bearbeitet durch Airbrush-Auftrag, Farbaufschüttung und Vertreibung, Handmalerei und Lasuren; die Scheiben mehrfach zwischengebrannt, als letzten Brand sekurisiert mit Heatsoaktestung (ESG-H); die Scribble-Bereiche im Fotoresistverfahren ausgestrahlt, farbige Scribble auf eine zweite ganzflächige Trägerscheibe aus 5mm Optiwhite satt aufgedruckt im Siebdruckverfahren, eingebrannt und Heatsoak getestet (ESG-H), anschließend beide Ebenen mit einem 2-Komponentensilikon ganzflächig laminiert, so dass die Mattigkeit der Sandstrahlung wieder nahezu aufgehoben wird.
Ausführung in mundgeblasenem Lambertsglas®, transparent oder Opal mit Farbüberfängen oder Farbdoppelüberfängen, ca. 40 x 30 cm
Farbige Echtantikgläser, ätztechnisch und malerisch bearbeitet, an den Stoßkanten exakt aufeinander eingeschliffen, die Echtantikgläser im Fotoresistverfahren sandgestrahlt und die farbigen Zeichnungen ebenfalls auf eine Trägerscheibe aus 5 mm Optiwhite satt aufgedruckt; die Scheiben sekurisiert und Heatsoak getestet (ESG-H) und mit dem Echtantikglas mit einem 2-Komponentensilikon nahezu blasenfrei auflaminiert.
So ähnlich steht das im Angebot. Klingt alles ziemich kompliziert.
Ist es auch.
(Anmerkung: Heat Soak Test: ESG-Gläser neigen materialbedingt in Einzelfällen dazu, durch Nickelsulfideinschlüsse auch noch nach Jahren spontan zu Bruch zu gehen. Der Gesetzgeber sieht deshalb für sicherheitsrelevante Anwendungen einen Heat Soak Test nach DIN EN 14179 und der Bauregelliste des DIBT vor, durch welchen entsprechende Gläser aussortiert werden können.)
In den Farbraum der Fenster verwoben sind Zeichnungen. Die werden allerdings auf jeweils eine Floatglasscheibe per Siebdruck aufgetragen & gebrannt & vor die eigentlichen „Aquarellfarbraumscheiben“ gesetzt.
Das ist nicht so ganz einfach, weil die Zeichnungen also nicht das Ergebnis, sondern die Zwischenstufe sein sollen. Für den Siebdruck. Der Weg der Zeichnungen geht über den Scanner oder die Kamera über die Nachbearbeitung in Photoshop. Ich weiß zwar, wie sie im Ergebnis aussehen könnten. Ich weiß aber nicht, welche Zeichnung tatsächlich für den Druck geeignet ist.
An die Wäsche von Frau Nachbarin gedacht, an Landschaft gedacht, an Kirchenfenster gedacht, die ich bald gestalten darf. Man muss ja nicht so weit gehen. Es ist alles da, in unmittelbarer Umgebung. Man muss es nur sehen.