Zwanzig Jahre lang war ich Mitglied im Saarländischen Künstlerbund; in dieser Zeit war ich während zweier „Legislaturperioden“ insgesamt ungefähr sechs Jahre im Vorstand tätig. Heute habe ich meine Mitgliedschaft gekündigt.
Vor langer Zeit waren die Künstler:innen des SKB für mich gleichbedeutend mit der saarländischen Kunstszene. Ein großer Teil zumindest. Eine Aufnahme in den Verein – nach schriftlicher Bewerbung mit Mappe – kam einer Adelung, einem Ritterschlag gleich (Auch einige meiner ehemaligen Kommilitonen der HBKSaar sind seit vielen Jahren Mitglied im Künstlerbund). Der SKB spielte bis ca. 2010 nach wie vor eine Rolle im Land, allein die Ausstellungen in der Stadtgalerie Saarbrücken alle zwei Jahre waren ein Highlight im aktuellen Ausstellungsjahr. Die letzte fand zum Jahreswechsel 2009/2010 statt. Ende 2012 übernahm Andrea Jahn die Leitung der Stadtgalerie, dannach waren die „Biennalen“ des SKB an diesem zu der Zeit noch herausragenden Ausstellungsort in Saarbrücken Geschichte. Andrea Jahn sah keine Notwenigkeit mehr, der saarländischen, provinziellen Kunstszene eine Plattform zu bieten.
Eine große Ausstellung des Saarländischen Künstlerbundes anlässlich seines 90-jährigen Bestehens im Jahr 2012 fand im Saarländischen Künstlerhaus statt. Nicht nur aus meiner Sicht war es eine langweilige Aneinanderreihung & Aufzählung unterschiedlichster Positionen, disparat, kleinkariert, ohne klares Konzept (eine Künstlerin, ein Künstler & eine aktuelle Arbeit – aber bitte nicht zu groß, wir haben in den Räumen des Künstlerhauses wenig Raum für Großes). Eine Gruppenausstellung in dieser Form war schon lange nicht mehr zeitgemäß.
Danach ging es leise, aber stetig bergab. Zum einen messbar an den Bewerbungszahlen: die gingen von Jahr zu Jahr zurück (mittlerweile seit einigen Jahren auf Null); insbesondere die junge & jüngere Generation zeigt seit Jahren überhaupt kein Interesse am SKB. Auch die jährlichen Editionsausstellungen – bis ca. 2010 oft wahre Verkaufsschlager – schliefen ein; es wurde schlicht nichts mehr verkauft. Sammler:innen & Interessierte, die den SKB jahrelang unterstützten, alterten mit dem Verein. Eine jüngere Generation von Unterstützer:innen war einfach nicht mehr für den Verein zu gewinnen. Zumal die Aktivitäten des Vereins mittlerweile eher zu einer Randnotiz verkommen sind. Der SKB ist einfach nicht mehr präsent. Nicht mehr sichtbar.
Von den ca. fünfzig Mitgliedern sind meines Wissens vier noch zwischen vierzig & fünfzig Jahren (von diesen feiern drei im kommenden Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag). Den größten Anteil bildet die Generation über Sechzig; ungefähr ein Drittel der Mitglieder hat die Siebziger Grenze teilweise weit überschritten. Für Absolventen der HBK, die möglicherweise noch unter dreißig Jahren sind, präsentiert sich der Verein möglicherweise eher wie die Generation ihrer Eltern & Großeltern. Da erscheint mir aus deren Sicht eine Bewerbung auch wenig verlockend. Dem SKB fehlen mittlerweile ein oder zwei vermittelnde Generationen dazwischen, die die Brücken schlagen könnten zu den Jungen.
Die Gründe für den Niedergang des Verein sind vielfältig. Auch andere Vereine, seien es Sport- oder Kaninchenzuchtvereine, haben mit schwindenden Mitgliederzahlen & Überalterung zu kämpfen. Das Internet hat vieles in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren radikal geändert. Da sind auch Künstlerbünde, -häuser & -vereinigungen nur ein Spiegel. Selbst innerhalb des SKB war das Desinteresse vieler Mitglieder an den Aktivitäten des Vereins mehr & mehr zu spüren.
Für die jüngere Generation besteht offensichtlich nicht mehr die Notwendigkeit, sich in einem Verein mit starren Strukturen zu engagieren, sich festzulegen. Das Internet mit instagram & facebook spielt mit Sicherheit auch eine große Rolle. Es kann zwar weder den persönlichen Kontakt noch eine Gemeinschaft oder einen Verein ersetzen aber anscheinend ist diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Likes & Herzchen sind offenbar verlockender als persönlicher Austauch, Diskussionen, Stammtische oder Vereinsmeierei usw.
Die sog. saarländische Kunstszene der Vergangenheit ist zersplittert, vereinzelt, vielleicht auch nicht mehr existent. Eigentlich wäre eine Institution, ein Verein, ein Zusammenschluss von Künstler:innen & Künstlern – jenseits von BBK & Saarländischem Künstlerhaus durchaus & gerade heute wichtiger denn je & notwendig. Der Kultur drohen massive Kürzungen, die aktuelle politische, gesellschaftliche & wirtschaftliche Situation ist alles andere als rosig. Dafür brauchen wir die richtigen Fragen, Angebote & Ideen. Wie könnte eine regionale Gemeinschaft von Kunstschaffenden heute organisiert sein? Welche Aktivitäten & Aufgaben könnte sie angehen? Welche Funktion könnte eine solche Gemeinschaft erfüllen? Der Fokus sollte dabei aus meiner Sicht auf die Besonderheiten & Bedürfnisse unserer Region zugeschnitten sein.
Nicht nur als Ausstellungsclub, sonderen auch & vor allem als gesellschaftlich & kulturpolitisch kritisch wirkende Gemeinschaft in der Gegenwart mit all ihren Unsicherheiten, Krisen, gerade jetzt, in Zeiten ohne Zukunft, brauchen wir Visionen. Aber dies konnte & kann der SKB nicht einlösen. Er war im Grunde immer & in erster Linie ein Ausstellungsclub. Gelegentliche Interventionen im Bereich der Kulturpolitik waren eher die Ausnahme, nicht die Regel.
Dem Verein ist mittlerweile ein Konzept, eine Bereichtigung für seine Existenz abhanden gekommen. Es fehlt eine Vision, eine Idee, eine Funktion nicht nur für eine nahe Zukunft, sie fehlt sogar für die Gegenwart. Eine Vision, die den SKB über einen reinen, elitären Ausstellungsclub hinaus trägt. Für viele stand (& für ganz ganz wenige steht der SKB nach wie vor) für herausragende Kunstschaffende des Saarlandes – diese Zeiten sind schon sehr sehr lange vorbei. Und für manche Kollegin, manchen Kollegen war gerade die Aura des „Elitären“ genau der Grund, sich in der Vergangenheit eben nicht um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Der SKB ist mittlerweile in der Bedeutungslosigkeit versandet. Er füllt keine Leerstelle. Als reiner Ausstellungsclub hat er ausgedient. Ausstellungsorte &-projekte, viele temporär, ploppen immer mal wieder in Saarbrückens Innenstadt auf. Meistens organisiert & getragen von unterschiedlichen Gruppen aus dem Umfeld der HBK. Dazu braucht es keinen Künstlerbund mehr.
Jeder Verein lebt vom Engagement seiner Mitglieder. Vereinsleben wird getragen von Gemeinschaft, gemeinsamen Gedanken & Ideen. Diese Gemeinschaft war in den vergangenen Jahren nicht mehr zu spüren. Halbherzig, freud- & kraftlos erschien mir oft die Umsetzung von in der Substanz gar nicht mal so schlechter Ideen. Außerdem: viele der Mitglieder wohnen & arbeiten außerhalb des Saarlandes, nicht wenige haben seit Jahren keine Verbindungen mehr nach Saarbrücken. In meiner zwanzigjährigen Mitgliedschaft habe ich einige Mitglieder noch nie zu Gesicht bekommen. Immer weniger Mitglieder haben Interesse an einer Mitarbeit im Verein. Das empfand ich, gerade in Hinblick auf die Vorbereitungen zur 100-Jahr-Feier, zunehmend frustrierend.
Vor zwei Jahren feierte der Verein im Saarländischen Künstlerhaus sein hundertjähriges Bestehen mit einer großen Ausstellung. Insbesondere zu sehen waren Arbeiten herausragender, verstorbener Kollegen aus der Vergangenheit. Die Ausstellung präsentierte ein Stück saarländischer Kunstgeschichte. Da war noch einmal dieser Gedanke, die Gemeinschaft der Vergangenheit zu spüren. Es klingt wie ein Widerspruch, aber aus meiner Sicht wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, im Anschluss daran den Verein aufzulösen.
(Ein für die Ausstellung geplanter, fertig konzipierter, umfangreicher Katalog zur Geschichte seit der Gründung des Bundes scheiterte bis heute an den Forderungen, Eitelkeiten & Befindlichkeiten einzelner Mitglieder.)
Gedanken & Bestrebungen innerhalb der Mitgliedschaft gab es; eine Mehrheit aber wollte weitermachen – bislang leider ohne sicht- & messbaren Erfolg – ein radikaler Neustart blieb leider aus. Nach wie vor dümpeln die wenigen Versuche, Aufmerksamkeit zu generieren, vor sich hin (ich fand die Reihe wirklich gut).
Der SKB in dieser Form ist schon lange eingeholt & überholt worden von der Realität; er ist ein Dinosaurier, ein lebendes Fossil mit der DNA des vergangenen Jahrhunderts, ohne Verbindung zur Gegenwart.
Nüchtern betrachtet ist es wie mit vielen Dingen, die jahrhunderte lang unentbehrlich schienen: möglicherweise es ist eine gewisse Wehmut, eine Art Nostalgie, eine romantische Verklärung oder auch die Angst vor dem Loslassen, die den SKB noch am Leben hält. Ein komatöser Patient auf der Intensivstation, künstlich am Leben erhalten, zur Zeit ohne Möglichkeiten auf ein Wiedererwecken.
Aber vielleicht irre ich mich & es gibt eine Wiedergeburt. Möglicherweise leben totgesagte doch länger. Ich würde mich freuen.