Ich muss jetzt mal wieder einen meiner Lieblingssätze von Heinz von Förster einflechten:

„Obszönität: Ich zeige jemandem ein Bild und frage ihn, ob es obszön sei. Er sagt: ,Ja.‘ Ich weiß jetzt etwas über ihn, aber nichts über das Bild.“

Genau so ist das.

„Bonbonfarbenbunt, poppigbunt, kitschig-bunt, wenig subtile & grelle Farbigkeit, knallbunte Farben, schrille Farben usw. usw … so in etwa waren & sind die Beschreibungen meiner Bilder, entweder in Ausstellungsbesprechungen; manche Menschen sagten es mir auch schon mal persönlich. Beinahe vergessen: „Obszön bunt“. Letzteres bezog sich zwar auf den Schal um meinen Hals, aber ich dachte sofort an meine Bilder.

Gut, manchmal fallen die Wertungen über die Farbigkeit in meinen Bildern, über meine Palette auch positiv aus:

Meine Arbeiten sind z. B. auch mal „farbstrotzend“. (Strotzen: „über eine Eigenschaft, Fähigkeit so uneingeschränkt verfügen, dass sie auffallend zutage tritt.)

„Armin Rohr, der in anderen Werken ein ausgesprochen sensibles Farbgespür zeigt, hat für diese Arbeiten tief in die Farbtöpfe gegriffen. Von Rot-Orange über Lila-Pink bis zu Giftgrün sind in diesen Gemälden selbst grelle Farben zu finden.“ Giftgrün & grelle Farben – in diesem Fall durchaus wohlwollend.

Seit Jahren uneingeschränkt auf Platz eins: in meinen Bildern verwende ich öfter mal rosa. „Rosa ist schon sehr kitschig!“

Warum ausgerechnet „Rosa“ kitschig sein sollte, nicht aber schwarz, weiß oder braun hat sich mir nie erschlossen. Hat möglicherweise mit unseren kulturellen Prägungen zu tun. Rosa hat einfach einen hohen Kitschfaktor. Wenn man nun in den vergangenen Jahren aber mal genauer hingesehen hat, stellt fest, dass es mittlerweile auch sog. Businesshemden mit Botton-down-Kragen in Rosa-Tönen zu kaufen gibt; rosa-kariert, rosa-gestreift, auffallend viele Bänker & Politiker, Nachrichtensprecher – sehr mutig – mit rosa (magenta, pink) Krawatten ihre ansonsten langweilige Uniform aufpimpen, kann man erkennen, dass etwas aufbricht. Sogar Vorstände einer Aktiengesellschaft & sogar Politiker finden rosafarbende Appikationen cool.

Rosa ist ein großes Spektrum & es macht ja einen Unterschied, ob ich mein „Rosa“ mit Kadmiumrot dunkel, Krapplack oder Magenta anmische. Außerdem gibt es ja einen Unterschied zwischen Rosa & Pink. Es gibt sogar eine Doktorarbeit zu dem Thema, die mir aber leider nicht bekannt ist.

Und ja, Kitsch. Was ist Kitsch überhaupt?  Eine sehr schwierige Frage. Auch Blumenmalerei: Geht nicht, Blumen sind kitschig. Stillleben – noch kitschiger. Künstlerkolleginnen & Kollegen haben Angst vorm Kitschverdacht. „Dieses Bild, diese Arbeit was meinst Du, irgendwie kitschig – die Farben, das Thema …?“

Es zeigt, wie schwierig es ist, über Bilder zu sprechen ohne dabei über sich selbst & seine inneren Befindlichkeiten & Vorlieben, beziehungsweise auch Misslieben, zu sprechen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es natürlich auch interessant zu lesen, wie beispielsweise Kritiker über  die Arbeit von Künstlerinnen & Künstlern schreiben. Schreiben sie über sich selbst, ihren Geschmack & ihre Befindlichkeiten? Oder gelingt ihnen die kritische Beschreibung eines Werkes, die dem Leser etwas über Intentionen des Künstlers erzählen könnte? Wird da klug argumentiert & belegt oder einfach nur bewertet?

Keine Wertungen, keine gefühlten Beschreibungen.

Eine Aktzeichnung von Egon Schiele überm Sofa wird heute wohl kaum jemand mehr als eine Provokation sehen, während die gleiche Aktzeichnung über dem Tabernakel einer katholischen Kirche wohl immer noch Entrüstungsstürme auslösen würde.

Eine Farbe allein kann nicht kritisch, doof, schön – oder eben kitschig sein. Sie besitzt lediglich die Eigenschaften, die Du ihr gibst.

Apropos rosa: Rupprecht Geiger!

Ich weiß nicht, ob von uns produzierte Artefakte „neutral“ sind; ich bevorzuge es da eher, die Dinge zunächst einmal nicht mit konventionellen Werturteilen zu betrachten. Ich versuche es zumindest. Meistens. In irgendeiner Form sind die Dinge ja immer aufgeladen oder besetzt mit Eigenschaften. Natürlich auch Farben.

Ich werde Rosa (oder Pink) nach wie vor benutzen.

 

Nachtrag:

Klaus hat das in seinem Blog in einem eigenen Beitrag aufgegriffen, den ich mit folgender Geschichte kommentierte:

Es mag schon sehr lange her sein, vielleicht 15 Jahre. Ich leitete einen Wochenend-Workshop für eine größere Gruppe. Irgendwas mit Malerei & Farbe war das Thema. Ausgangspunkt waren Landschaftsfotos, schwarz-weiß.

Wiederholt wurde mir eine Frage gestellt: „Mit welcher Farbe würdest Du hier weitermalen?“ – „Welche Farbe würdest Du jetzt nehmen?“

Irgendwann beantwortete ich diese Frage nur noch stereotyp mit: „Rosa.“

Anfangs waren die Reaktionen verwundert: „Rosa? Ist das nicht zu kitschig …?“ „Darf man das? Ich habe ja jetzt schon rot & gelb im Bild?“

Die Gruppenteilnehmer tauschten sich natürlich dann auch untereinander aus: „Wie soll ich jetzt weitermachen, welche Farbe …? Armin frage ich nicht mehr, der sagt immer nur rosa.“

Natürlich benutzten einige dann auch irgendwann rosa. Rosa für den Himmel, für einen Baum oder auch für ein Feld … verrückterweise funktionierte es in den Bildern. Fast immer. Außerdem mischten wir im Laufe des Wochenendes viele Rosa- & Pinktöne, Magenta, kalte & warme. Und nix davon war kitschig. Eine Farbe steht ja immer im Kontext zum Umfeld. Spannende Sachen sind entstanden. Schöne Klänge. Neue Klänge. Und eine Farbe mehr auf der Palette mancher der Kursteilnehmerinnen.

War natürlich auch für mich total spannend zu sehen, was da passierte. Meine Antwort entstand ja erstmal aus einer gewissen Genervtheit heraus.

Ich finde ja nicht, dass rosa auch nur ein buntes Grau ist.

Gut wird es doch immer, wenn man es schafft, Klischees zu entfliehen. Naja, letztlich habe ich mir immer schon die Frage gestellt, warum die Palette, die Farbigkeit des einen Malers besser, kunstvoller oder schlechter sein sollte als die Palette des anderen Malers.

Bunt ist kitsch, rosa ist kitsch, Sonnenuntergang ist kitsch, Kuckucksuhr ist kitsch. Kitsch ist kitsch. Ich glaube das alles nicht. Kommt immer auf den Zusammenhang an.

Während meines ersten Studiums an der damaligen FH in Saarbrücken hat mich mein Professor (Robert Sessler) mit seinen Landschaftsaquarellen verblüfft. Ich war ja noch ganz unbedarft damals. Kräftige Farben, orange, gelb, magenta. Ich kannte das so noch nicht. Anfangs dachte ich: „Was macht der da? Ist das nicht zu grell, bunt, kitschig?“ Aber dann hat’s mich irgendwann gepackt.

Das hat mich bis bis heute geprägt.