Je ohne Titel, 2020
Acryl, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm
Im Hintergrund jene Wandmalerei: „Locked off“
Eine Familie – Vater, Mutter, zwei Söhne, eine Tochter, eine Schwiegertochter, ein Schwiegersohn, vier Enkel & ein Hund. Für jedes Kind ein Familienporträt mit allen elf Mitgliedern der Familie sowie dem Hund. Ein verrückter Auftrag, der mich für ca. vier Monate des Jahres komplett absorbierte.
Anfangs dachte ich noch, ich könnte parelell an eigenen Projekten, Bildern, Ideen oder Zeichnungen arbeiten, musste aber schnell feststellen, dass diese drei Bilder hundert Prozent Zuwendung, Hingabe, Aufmerksamkeit, Freude, Liebe, Kaft & Energie benötigten. Gelegentlich ein paar Skizzen ins Skizzenbuch, eine kleinere Arbeit auf Leinwand, eine Zeichnung – das war es dann aber auch schon. Gut, es gab Tage, da mussten Farbschichten trocknen oder ich wusste nicht weiter, dann konnte ich mich auch mal wieder eigenen Ideen & Gedanken widmen. Zwischendurch, vor allem, wenn ein größer Abschnitt oder ein ganzes Bild fertig wurden, nahm ich mir auch mal ein oder zwei Wochen eine Auszeit. Außerdem musste ich auch andere Projekte vorantreiben. Aber die Portäts waren immer in meinem Kopf, immer präsent.
Zwischendurch wollte ich auch schon mal aufgeben, alles hinschmeißen. Konnte einfach keine Gesichter mehr sehen. Dann musste ich mich wieder irgendwie in eine positive Mal-Stimmung bringen. Das gelang dann gegen Abend mit einem einfachen Côtes du Rhône oder auch mit einem rauchigen Whisky. Tagsüber klappt das nicht, da funktionieren andere Strategien. Manchmal reichte ein Spaziergang, um den Blick auf ein Bild zu ändern.
An manchen Tagen flossen die Augen, Nasen & Münder einfach so aus dem Pinsel. An anderen Tagen ging überhaupt nichts. Das hieß, am folgenden Tag die Ergebisse des Vortages abwischen, wieder von vorne anfangen. Vor jedem Kopf die gleichen unangenehmen Fragen: Mit welcher Farbe fange ich an? Mit welchem Detail beginne ich? Wird das überhaupt was?
Dreiundreißig Gesichter & drei Hunde. Gleichmäßig verteilt auf drei Bilder.
Eigentlich wäre ich gerne zu Weihnachten fertig geworden. Eine Zeit lang sah es auch wirklich so aus, als könnte das klappen. Locker. Hat aber nicht geklappt. Man kann ja in der Malerei keine Schritte überspringen. Das Scheitern muss ebenso wie das Gelingen gemalt werden. Ich weiß ja noch nicht wirklich, was passieren wird, wenn ich den Pinsel mit Farbe auf die Leinwand drücke. Ich habe zwar eine gewisse Vorstellung, aber die bedeutet in Anbetracht der Unwägbarkeiten nichts.
Der klaffende Spalt zwischen Vorstellung & Wirklichkeit kann ja nicht immer wieder mit ein bisschen Kadmiumgelb dunkel zugeschmiert werden. Obwohl Kadmiumgelb dunkel zugegebenermaßen eine extrem geile Farbe ist & ich nicht übel Lust hätte, demnächst eine Leinwand mit den Maßen 200 x 280 cm ausschließlich mit diesem Pigment zuzuschmieren. Monochrom, wie man so sagt, radikale Malerei.
Außerdem ballert Dich das Leben immer wieder unverhofft & unerwartet aus der Bahn. Braucht man nicht extra zu erwähnen. Ist aber so.
Es war eine lehrreiche Zeit & ich bin glücklich. Glücklich, dass ich diesen Auftrag bekommen habe, glücklich, dass ich die Bilder malen durfte & glücklich, dass ich nun, zum Ende dieses Jahres, das ganz & gar im Zeichen des Arschlochs Corona stand, doch noch fertig geworden bin.
Ich hoffe, es ist eine Verheißung: dass das kommende Jahr ein gutes Jahr wird. Vielleicht irgendwann ohne das Arschloch Corona.