Sabrina Sperl
Habitat, 2013
Ölfarbe und Tempera auf HDF, 25 x 20 cm
Meine Kollegin Sabrina Sperl bat mich, zu ihrer Ausstellungseröffnung in der Union Stiftung in Saarbrücken ein paar Worte zu verlieren. Was ich sehr gerne tat.
Sabrina Sperl
„Fragmente und Verborgenes“
Ausstellungseröffnung 25.05.2018
Union Stiftung, Saarbücken
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
es ist mir eine Freunde und eine Ehre zugleich heute Abend einige Worte über die Arbeit meiner sehr geschätzten Kollegin Sabrina Sperl verlieren zu dürfen. Ich versuche das aus meiner sehr persönlichen Sicht des Malerkollegen, in der Hoffnung, ihrer Arbeit damit einigermaßen gerecht zu werden.
Ich möchte nicht verhehlen, dass ich ein großer Bewunderer von Sabrina Sperls Malerei bin, seit mir ihre Werke zum ersten Mal begegnet sind – es war so um 2002/2003 im Atelier der Klasse von Professor Sigurd Rompza, bei dem sie von 1998 – 2003 an der HBK Saar studierte und auch ihr Diplom machte.
Bereits damals fielen mir auf: sowohl ihr hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenständigkeit als auch damit einhergehend die frühe Emanzipation der Künstlerin von ihrem Lehrer und von der konkreten Kunst.
Über ihre Malerei sagt sie unter anderem: „Das Abstrakte interessiert mich nicht genug; ich kann nicht abstrakt malen. Ich möchte konkret malen im Sinne von erkennbar, sichtbar.“
Das eigentlich Auffallende an diesen Arbeiten war, dass sie zunächst – bei erster Betrachtung – nicht auffielen durch Größe, Monumentalität, Lautheit, Geschrei und Getöse. Sondern: diese Arbeiten waren klein und feinsinnig, dadurch von einer gewissen Privatheit und selten größer als vielleicht zwei oder drei Handteller.
Man musste schon ganz nah hingehen und genau beobachten: Es waren kleine Räume – ja, Kammerspiele im wörtlichen Sinn, in die man als Betrachter förmlich hineingezogen wurde – wenn man sich denn darauf einließ.
Die Künstlerin selbst nennt die Arbeiten, an denen sie bis ca. 2008 arbeitete, schlicht „Kasten“. Das ist bescheiden und greift zu kurz, sind es doch komplexe und zugleich subtile Untersuchungen des Raumes an dreidimensionalen Bildkörpern mit den Mitteln der Malerei.
Kleine Kisten, oft aus Pappe oder Holz, bemalt, teilweise gesägt und geschlitzt, den Blick von der Oberfläche auf ein zumeist schwarzes, bodenloses Innere lenkend. Gelegentlich auch mit Stoff oder Gaze bespannt, die Räumlichkeit konterkarierend. Unendliche Räume in kleinstem Format.
Dabei besaßen einzelne Arbeiten trotz ihrer kleinen Abmessungen monumentalen Charakter, es eröffneten sich dem Betrachter große Bildräume, Landschaften und architektonische Verschachtelungen und bei alledem sind sie eines: Malerei im Raum.
Es war aber weniger das Dargestellte, das Gezeigte und Sichtbare, was mich damals neugierig machte.
Es war die Haltung der Künstlerin, die ich in diesen Objekten zu erkennen glaubte und genau diese Haltung bestätigte sich auch immer wieder im Laufe der Jahre, nachdem ich Sabrina Sperl näher kennenlernte: Hier zeigte sich mir eine sehr sensible Malerin, der eine sehr konzentrierte, fast schon meditative Art zu denken, zu beobachten und zu malen eigen war.
Das beginnt schon bei der Auswahl und Vorbereitung ihrer Malgründe: Holz, PDF-Platten oder Pappe, vorbereitet und grundiert nach Rezepten alter Meister. Überwiegend Kasein- oder Halbkreidegründe. Allein die Vorbereitung zur Malerei zeugt von großer handwerklicher Kenntnis und Präzision. In ihrer Malerei schließlich – ausgeführt in Tempera oder Öl auf kleinster Fläche – ist eine hohe Konzentration und Liebe zum Detail zu spüren.
Diesen Aufwand an Zeit und Handwerk spüre ich immer ganz deutlich beim Betrachten der Arbeiten dieser außergewöhnlichen Künstlerin. In jedem Bild steckt eine unglaubliche Energie. Und es ist unter anderem ist diese Energie, die den Reiz und die Faszination von Sabrina Sperls Malerei auf mein Malerauge ausübt. Ich kann ganz nah herantreten und mit meinen Augen langsam in diesen Preziosen spazieren gehen, ohne dass je ein Gefühl von Langeweile oder Ermüdung aufkäme. Überhaupt scheint Zeit in Sabrina Sperls Bildern keine Rolle zu spielen – weder, was den langwierigen Entstehungsprozess betrifft noch während der Betrachtung des fertigen Bildes. Ich kann mich in diesen Bildräumen verlieren – so wie sich wohl die Künstlerin bei ihrer Arbeit im Bild verliert – und ich meine das im positivsten Sinn des Wortes – ohne sich je zu verirren. Ich kann mir die Zeit vertreiben in diesen Bildern auf diese für mich als Maler angenehmste Weise. Diese Bilder verweigern sich dem schnellen Konsum und dem flüchtigen Blick, unwillkürlich finde ich mich in der Haltung der Künstlerin; ein meditatives Bildbetrachten ergreift mich.
Auch heute, in der aktuellen Ausstellung in der Union Stiftung, sehen wir wieder überwiegend kleine Malereien. Präsentiert auf eigenen Malgründen aus Holz, ähnlich einem Passepartout, damit sie sich vom schwierigen Umfeld lösen und ihre Kraft im Raum entfalten können. Die Holzhintergründe erleichtern es mir, mich in die Bilder zu versenken.
Formal und motivisch allerdings hat Sabrina Sperl ihre Bildsprache in den letzen Jahren erweitert. Die Ellipse dominiert viele ihrer Bilder und Bildobjekte. Einerseits als Malgrund, bestehend aus einer oder mehreren Ellipsen, der den Blick auf ihre Landschaften, Architekturen oder auch scheinbar zufällig agierenden Menschen fragmentiert, andererseits als Ausschnitt im Bildraum, eine Art Leerstelle, die dem Betrachter einlädt, den Raum zu vervollständigen und neu zu interpretieren. Leerstelle und Raum zugleich.
Die Bildmotive sind meist Beobachtungen aus dem unmittelbaren Umfeld: ein Blick aus dem Wohnzimmerfenster, Menschen im Saarbrücker Stadtraum, alltägliche Situationen. Realistische Details nach eigenen Fotos, Strukturen aus Raum und Architektur finden feinsinnig und detailgenau beobachtet und gemalt Eingang in ihre Malerei.
Allerdings ist es keine Malerei nach Fotos, vielmehr ist es ein Verwerten von Fotos, die gegebenenfalls von der Künstlerin auch verändert und neu komponiert werden.
Ihre Arbeit zeigt ein Wechselspiel zwischen Körper und Raum, positiv und negativ, Sichtbarem und Verborgenem, zwischen Fragment und Vollständigkeit.
Dabei bezieht sie bei einigen Arbeiten in dieser Ausstellung den Rand der Holzkörper in ihre Farbgestaltung mit ein. Jedes Bild, jedes Objekt, jeder Bildkörper ist gleichzeitig auch Ergebnis und Ausdruck des Nachdenken über die Möglichkeiten Malerei.
Sie selbst spricht über die Entdeckung der Ellipse von einer universellen Form ohne Bedeutung, entwickelt aus der Beobachtung und Zeichnung von Betonkübeln an der Akademie in Tier bei Jochen Stenschke, wo sie vor ihrem Studium an der HBK ein kurzes Gastspiel hatte.
Bis auf die Installation im Treppenhaus mit den größeren Ellipsen ist Sabrina Sperl in dieser Ausstellung dem kleinen Format treu geblieben. Klein, aber ungeheuer präsent.
In ihren malerischen und formalen Untersuchungen lotet Sabrina Sperl zahlreiche Nebenwege aus, die sich aus ihrer Arbeit und ihren Überlegungen mit dem Material ergeben. Sie isoliert bildnerische Elemente und variiert sie unentwegt und untersucht sie auf ihre Tauglichkeit fürs Bild.
Die älteste Arbeit in der Ausstellung ist von 2013: „Habitat“ ist der Titel. Sabrina Sperl spricht von einem „Urbild“ für die kommenden Jahre. Wir sehen ein durch Quadrate, Rechtecke und Ellipsen fragmentiertes, zweidimensionales Bildmotiv. Eine profane Hinterhofidylle, meisterhaft ausgeführt, ein Leckerbissen für meine Augen.
In den folgenden Jahren variiert die Künstlerin die Grundelemente der Gestaltung diese Bildes an unzähligen zwei- und dreidimensionalen Bildern, Bildkörpern und Objekten immer wieder aufs Neue.
Auch hier zeigt sich wieder diese Haltung, die mir so imponiert: Alles wird mit Stetigkeit und Geduld vorangetrieben und ausgearbeitet. Keine Mühe, kein Aufwand scheint lästig oder zu groß.
Das Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten ist seit meiner ersten Begegnung an der HBK vielfältiger geworden, die Arbeiten reifer und vielschichtiger. Sie bewegt sich spielend und spielerisch zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Malerei und Objekt. Ein großer Spagat innerhalb einzelner Arbeiten, aber oft auch auch von Arbeit zu Arbeit. So sind auch Objekte zu sehen, in denen fragmentierte, auf kleine rechteckige und quadratische Bildträger gemalte Bildausschnitte sich stufenweise dem Betrachter spiralförmig gleichsam entgegen schrauben. Auch sie sind das Ergebnis aus zahlreichen Untersuchungen, auf die sie beim Betreten ihrer Nebenwege stößt. Ihre Wachsamkeit lässt keine Möglichkeit aus, immer wieder neue Formen zu finden.
Sabrina Sperls Kunst ist trotz ihrer meist kleineren Formate ungeheuer kraftvoll und frisch, ihre künstlerische Haltung macht dieses Werk vor allem anderen aber zeitlos in jeder Hinsicht.
Ich möchte sie einladen, vor diesen Bildern und Objekten zu verweilen. Flanieren sie in den den Bildwelten und -räumen von Sabrina Sperl und lassen sie ihren Blick und ihre Gedanken schweifen. Sie werden reich belohnt!
Und vor allem: Lassen sie sich Zeit!
Sabrina Sperl
„Fragmente & Verborgenes“
Eröffnung: Freitag, 25. Mai 2018, 19:00 Uhr
25. Mai – 29. Juni 2018
Mo – Do von 8:30 – 17 Uhr
Fr von 8:30 – 15:00 Uhr
Union Stiftung
Steinstraße 10
66115 Saarbrücken
Union Stiftung