Torsten Ruehle
Swimmingpool II, 2006
Öl u. Pigmentstift auf Leinwand, 120 x 180 cm

 

„Am reinen Tisch”
Galerie Börgmann, Krefeld
28.11.2009 – 08.01.2010
Eröffnung am 28.11.2009, 20.00 Uhr

Schon der Titel macht neugierig. „Am reinen Tisch“ erscheint wie die Mischung zweier gängiger Redensarten – und die Verknüpfung deren Inhalte. Der Titel der letzten Ausstellung der Galerie Börgmann im Jahr 2009 mit Arbeiten von Armin Rohr (Saarbrücken) und Torsten Ruehle (Berlin) lässt die Werke der beiden Maler in den attraktiven Räumen auf dem Südwall in Krefeld beinah wie zu einem Gespräch am runden Tisch zusammen kommen. Und zugleich, so zeigt die Präsentation, entkräften die Bilder die Vorstellung von der finalen Interpretation. Denn beide Künstler spielen gezielt bei der Komposition ihrer Gemälde mit dem Aspekt der Offenheit, der dem Betrachter, trotz des jeweiligen Spektrums an vermeintlicher Eindeutigkeit, größtmöglichen gedanklichern Freiraum erlaubt.

So animieren Torsten Ruehles Interieurs einzutauchen in Ansichten von Innenräumen, die sich an der Grenze zwischen Realität und Fiktion bewegen. Räume, deren Einrichtung vertraut erscheint, dabei durch Farbgebung sowie perspektivische Konstruktion nachhaltig irritiert. Ruehle färbt alle Motive in Weiß und dessen Ableitungen. Vereinzelt nur durchziehen weitere Farbschimmer die Bilder. Schwarze Konturen geben dafür den Gegenständen Halt und unterstreichen dadurch ihre enorme Präsenz in einem ansonsten zeitlosen Gefüge. Immer wieder überraschen Objekte wie Fremdkörper die Komposition, kleine Motive, die wie ein kleines Porzellankätzchen, den Bildern zu ihren Titeln verhelfen. „Motive von Belang“, wie Emil Otto Nardorff richtig erkennt, womit grundsätzlich ein wesentlicher Aspekt der Malerei Ruehles benannt ist. Seine Arbeiten, zu denen auch übermalte Porträtfotografien zählen, erscheinen niemals willkürlich. Sie verleiten vielmehr den Betrachter, sich auf eine assoziative Reise des Erkennens zu begeben. In dem Maße, wie Ruehle sein Werke von vorhandenem Bildmaterial aus weiter collagiert und den Möglichkeiten surrealistischer Kombinatorik folgend erweitert, bleibt es auch in Bewegung – ohne den Makel der Monotonie oder Belanglosigkeit.

Vergleichbar lenken auch die Bilder von Armin Rohr von der gemalten Oberfläche auf eine tieferliegende, interpretatorisch offenen Ebene. Hier angelangt offenbart sich dem Rezipienten unter dem übergreifenden Titel „Macht und Machtraum“ ein hintergründiges Spiel, das scheinbare Eindrücke in die Schaltzentralen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erlauben meint. Doch die Szenen der neuen Bilder von Armin Rohr sind nicht weniger inszeniert, als die als Vorlage dienenden Fotografien gestellt sind – übersteigert in ihrer Künstlichkeit noch durch die Wahl von Farbe und Komposition. Dafür entwickelt der Maler eigenwillige Raumansichten, in denen sich die jeweiligen Personen wie in Nebelschleier zu bewegen scheinen. Durch weiß abgepufferte Ölfarbe gleichen die Figuren unrealen Schemen, wie Bilder aus der Erinnerung in nicht weniger zeitlosen, dabei farblich gefassten Räumen. Folge davon sind eigenwillige Stimmungen, die den Betrachter umfangen. Stimmungen, die zum einen das spiegeln, was den Künstler aktuell bewegt. Zum anderen auch Stimmungen, die der jeweiligen Emotionalität des Betrachters gehorchen.

Armin Rohr und Torsten Ruehle laden die Betrachter ein, in erster Linie ihren Überlegungen zum Thema Malerei zu folgen. Denn wenngleich auch gerade Rohrs Gruppenszenarien oft politisch anmuten und Ruehles Interieurs wie Lehrstücke der Wahrnehmung erscheinen, so liegt beiden Künstlern jede Form einer interpretatorischen Festlegung fern. Nicht geistiger Überbau oder Verkopfung ist ihre Intention. Ihre Qualität ist vielmehr in jener Offenheit und Freiheit verankert, die auch nachhaltig nicht an Kraft verliert. Die Ausstellung in der Galerie Börgmann erlaubt diesem wesentlichen Kriterium für Kunst, einer Absichtserklärung nicht unähnlich, „Am reinen Tisch“ zu begegnen.

Dr. Christian Krausch

Kunsthistoriker Mönchengladbach

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